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Standpunkte Augenwischerei statt Klimaschutz bei Blackrock und Deutscher Bank

Jacey Bingler, Fossil Free Finance Campaignerin der NGO Urgewald
Jacey Bingler, Fossil Free Finance Campaignerin der NGO Urgewald Foto: Andreas Schoelzel

Vor Klimaschutz-Augenwischerei und größerer Intransparenz durch das Abstoßen fossiler Investments haben vergangene Woche Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und BlackRock-CEO Larry Fink gemeinsam gewarnt. Jacey Bingler vom NGO Urgewald hält in ihrem Standpunkt dagegen: Augenwischerei würden vor allem die beiden Finanzinstitute betreiben – Worten folgten keine Taten.

von Jacey Bingler

veröffentlicht am 10.06.2021

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85 Milliarden US-Dollar – mit dieser stattlichen Summe ist die US-Fondsgesellschaft Blackrock in Kohle-Firmen investiert. 24 Milliarden Dollar davon hält der weltgrößte Vermögensverwalter sogar in Anteilen an Firmen, die noch heute neue Kohleminen und -kraftwerke planen, heißt es in einem Recherchebericht, den Urgewald und Reclaim Finance vergangenen Januar veröffentlicht haben. Damit steckt er finanziell knietief im umweltschädlichsten aller fossilen Brennstoffe und ist auch sonst der führende Investor in Firmen, die uns immer tiefer in die Klimakrise führen. Dazu gehören auch Firmen, die zum Beispiel im Amazonas-Gebiet großflächige Abholzung betreiben, um Platz für Ölbohrungen oder Agrarwirtschaft zu schaffen.

Eine von Urgewald und 18 anderen Umweltschutzorganisationen im Dezember 2020 veröffentlichte Studie ergab, dass Blackrock mit 110 Milliarden Dollar der größte Investor derjenigen Unternehmen ist, die zwölf der weltweit verheerendsten fossilen Expansionsprojekte vorantreiben. Diese Projekte, die im sogenannten Five-Years-Lost-Report beleuchtet werden, sind absolute CO2-Bomben. Sie werden drei Viertel des weltweiten Kohlenstoff-Budgets auffressen, das uns noch bleibt, wenn wir eine noch eine gute Chance haben wollen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Führende Finanziers von Kohle, Öl und Gas

Auch die Deutsche Bank taucht als einer der führenden Finanziers von Kohle-, Öl- und Gas-Unternehmen im Five-Years-Lost-Bericht auf. Laut der Studie hat die Bank als Kreditgeberin die untersuchten Firmen seit 2016 mit mehr als 27 Milliarden US-Dollar finanziert. Zudem hält sie an diesen Unternehmen Aktien und Anleihen im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar. Unter ihren Kunden befinden sich bekannte Namen: Seit dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens unterstützte sie mit Krediten und Risikoübernahmen zum Beispiel Shell (3,9 Milliarden Dollar), BP (2,4 Milliarden Dollar), Total (1,2 Milliarden Dollar) und Exxon Mobil (1,3 Milliarden Dollar).

Konkreten Handlungsbedarf sieht man bei der Deutschen Bank angesichts dieser Zahlen bisher nicht. Mit ihrer Klima-Ankündigung vom 20. Mai hat die Bank sich alles andere als mit Ruhm bekleckert. Man wolle den Treibstoffverbrauch der Dienstwagenflotte bis 2025 um 30 Prozent senken. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zudem Trainings in Sachen Nachhaltigkeit angeboten werden. Aber es fehlen Verbesserungen beim konsequenten Ausschluss fossiler Firmen.

Umso frappierender ist es, dass Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing und Blackrock-CEO Larry Fink nun vergangene Woche vor Augenwischerei beim Wandel der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz gewarnt haben. Fink behauptete, dass ein Abstoßen der schmutzigsten Vermögenswerte, um einen geringeren CO2-Abdruck zu erzielen, die ausgeschlossenen Firmen nur „undurchsichtig“ mache. Sewing fügte hinzu, dass ökologisch problematische Produktionsteile durch Divestment nur in einen weniger transparenten Bereich verschoben würden, was der nächsten Generation nicht helfe.

Wenig transparent ist jedoch vor allem das Vorgehen von Blackrock und der Deutschen Bank. Im Januar 2020 hatte Fink noch vollmundig angekündigt, Firmen abzustoßen, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes aus Kraftwerkskohle generieren. Das ist generell ein wichtiger Schritt in Sachen Kohle-Ausschluss. Für den Finanzriesen ist es jedoch vor allem auch einer, der sich wirtschaftlich rechnet: Kraftwerkskohle ist der am wenigsten profitable Teil des Sektors. Ob und welche Firmen im Rahmen der Richtlinie vom Januar 2020 tatsächlich ausgeschlossen wurden, gab er bisher nicht bekannt.

Frappierende Äußerungen statt mehr Transparenz

Weiterhin hatte Blackrock Anfang 2021 angekündigt, zu bewerten, wie groß das Umweltrisiko der Unternehmen in seinen aktiv gemanagten Portfolios ist. Der Vermögensverwalter versprach, Firmen mit besonders hoher Kohlenstoff-Intensität auf eine Beobachtungsliste zu setzen. Sollten sie keine glaubwürdigen Pläne in Sachen künftiger Klimaneutralität vorlegen können, und sich auch in Gesprächen mit dem Investor beratungsresistent zeigen, so behält Blackrock sich vor, bei Aktionärsversammlungen gegen den jeweiligen Vorstand zu stimmen und die Firmen eventuell aus seinen aktiven Portfolios zu streichen. Das liest sich zunächst vielversprechend.

Welche Kriterien Blackrock hier anlegt, um welche Firmen es sich konkret handelt und zu welchem Ergebnis der Vermögensverwalter bei der Bewertung der Klimapläne kommt, wird bisher leider nicht öffentlich gemacht. Auch während der Hauptversammlungen im Frühjahr 2021 zeigte der Konzern keine gerade Linie, unterstützte einige wenige der vorgebrachten Klima-Resolutionen, stimmte gegen andere und gab vor allem nur zum Teil oder mit mehrwöchiger Verzögerung bekannt, wie der Vermögensverwalter als Anteilseigner bei den jeweiligen Hauptversammlungen betroffener kritischer Unternehmen abgestimmt hatte.

Auch die Deutsche Bank eiert herum. Im Juli 2020 hatte sie bei Kohleunternehmen ein ähnliches Vorgehen wie Blackrock angekündigt: Portfolio prüfen, bei Beteiligungen an Energieversorgern, die zu mehr als der Hälfte von Kohle abhängen, Transformationspläne überprüfen, und weitere Finanzdienstleistungen von deren Glaubwürdigkeit abhängig machen. Im Öl- und Gasbereich versprach die Bank eine Überprüfung ihres Portfolios bis Ende 2020 mit Bewertung von Kohlenstoffintensität und Transformationsplänen der Unternehmen. Zudem werde sie Reduktionsziele für die Exposition in diesem Bereich setze. Im Rahmen ihres „Sustainability Deep Dives“ vor zwei Wochen redete die Bank dann aber nur noch davon, den CO2-Fußabdruck ihres Portfolios Ende 2022 zu veröffentlichen. Wann die Deutsche Bank Reduktionsziele für ihre Investments erklären wird, ist leider nicht bekannt.

Fazit

Augenwischerei betreiben vor allem Deutsche Bank und Blackrock mit ihren Klima-Ankündigungen. Klar belegbar ist bisher nur, wie groß die Unterstützung beider Finanzinstitutionen für Kohle-, Öl- und Gasfirmen ist, die uns allen die Chance auf einen weiterhin lebenswerten Planeten abgraben. Dass die beiden Finanziers nicht gedenken, dies in naher Zukunft zu ändern, haben sie mit ihren Aussagen in der vergangenen Woche wenigstens klar gemacht.

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