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Sustainable Finance

Standpunkte Digitaler Euro: Wegbereiter für eine revolutionäre Zahlungsverkehrsinfrastruktur

Professor Alexander Schroff ist Financial Services Lead für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Beratungshaus Publicis Sapient
Professor Alexander Schroff ist Financial Services Lead für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Beratungshaus Publicis Sapient Foto: Publicis Sapient

Die Einführung des digitalen Euro könnte die europäische Zahlungsinfrastruktur grundlegend verändern und neue Chancen für Banken, Unternehmen und Verbraucher schaffen. In seinem Kommentar beleuchtet Professor Alexander Schroff vom Beratungshaus Publicis Sapient die potenziellen Vorteile und Herausforderungen des digitalen Euro und untersucht die möglichen Auswirkungen auf das Finanzsystem.

von Alexander Schroff

veröffentlicht am 27.06.2024

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Der digitale Euro soll das Bargeld ergänzen, aber nicht ersetzen. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht ihn als Instrument zur Stärkung der digitalen Souveränität Europas und zur Steigerung der Effizienz im Zahlungsverkehr. Sie will den digitalen Euro als sichere, bequeme und schnelle Alternative zu bestehenden Zahlungsmitteln etablieren. Studien des European Payments Council deuten darauf hin, dass der digitale Euro insbesondere im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr erhebliche Effizienzgewinne durch eine Senkung der Transaktionskosten um bis zu 15 Prozent bringen könnte. Wovon hängt also der Erfolg der digitalen Währung ab?

Technologische Innovation: Banken müssen am Ball bleiben

Der digitale Euro bietet große Chancen, aber die Finanzdienstleistungsbranche muss aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verpasst, wie es beispielsweise bei der Einführung von PayPal und der Nutzung von Apple Pay und Co. geschehen ist. Klassischen Banken fällt es oft schwer, agil zu sein und Innovationen voranzutreiben. Es ist jedoch unabdingbar, dass sie sich bereits heute der Realität einer digitalen Zentralbankwährung stellen, sowohl infrastrukturell als auch wirtschaftlich. Dies erfordert Offenheit gegenüber neuen Technologien und Prozessen.

Derzeit scheinen sich die Banken vor allem auf Echtzeitüberweisungen, die Harmonisierung von Plattformen und die Modernisierung der Infrastruktur zu konzentrieren. Dies sind zweifellos wichtige Schritte in Richtung einer modernen Zahlungsverkehrswelt. Die Einführung des digitalen Euro – als eine Form des digitalen Zentralbankgeldes – scheint in den aktuellen Transformationsinitiativen jedoch nicht ausreichend berücksichtigt zu werden. Mangelndes Engagement birgt die Gefahr, infrastrukturell nicht ausreichend gerüstet zu sein. Das Zögern bei der Adaption neuer Technologien könnte zu einem Markt führen, in dem anpassungsfähigere Anbieter diese Lücke füllen. Eine solche Dynamik liegt weder im Interesse der EZB noch der Geschäftsbanken. Daher sollten sich alle Geschäftsbanken frühzeitig an der Einführung des digitalen Euro beteiligen und ihre Expertise einbringen. Denn die zu erwartenden Vorteile sprechen für sich.

Gemeinsam profitieren: Gesellschaft, Wirtschaft und Staat

Aus Verbrauchersicht sprechen Kostenersparnis, Sicherheit und Inklusion für den digitalen Euro. Wie Studien zeigen, könnte der digitale Euro die Transaktionskosten im Einzelhandel deutlich senken. Zum anderen wird die digitale Währung von der EZB herausgegeben und überwacht, was im Vergleich zu privaten Kryptowährungen eine höhere Sicherheit verspricht. Darüber hinaus könnte die digitale Währung den Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen verbessern, insbesondere für Menschen ohne Bankkonto, und so die finanzielle Inklusion fördern.

Aus wirtschaftlicher Sicht könnten grenzüberschreitende Zahlungen innerhalb des Euroraums schneller und billiger werden und so den internationalen Handel erleichtern. Dies käme insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zugute, die derzeit hohe Kosten für internationale Transaktionen tragen müssen. Der digitale Euro könnte auch Innovationen in den Bereichen E-Commerce und Fintech vorantreiben und es Unternehmen ermöglichen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Auch für den Staat hat die digitale Zentralbankwährung Vorteile. Zum einen könnte sie die Steuertransparenz verbessern, da digitale Transaktionen leichter nachvollziehbar sind. Dies würde die Effizienz der Steuererhebung erhöhen und Steuerhinterziehung erschweren. Der digitale Euro könnte der EZB neue geldpolitische Instrumente an die Hand geben und damit zur Stabilität der Eurozone beitragen. Nicht zuletzt könnten öffentliche Ausgaben durch schnellere und kostengünstigere Zahlungen effizienter gestaltet werden.

Fungibilität und Vertrauen: Der digitale Euro on- und offline

Der digitale Euro kann nahtlose, in Echtzeit erfolgende Online-Zahlungen ermöglichen. Dies ist insbesondere für den E-Commerce und internationalen Handel von Vorteil. Die EZB hat bestätigt, dass robuste Sicherheitsmaßnahmen eingeführt werden, um das Vertrauen der Nutzer zu stärken.

Ein herausragendes Merkmal des digitalen Euro ist seine Fähigkeit, auch offline genutzt zu werden. Dies könnte durch die Speicherung von Werten auf physischen Geräten wie Smartphones oder Karten realisiert werden, die Transaktionen ohne Internetverbindung ermöglichen. Gerade in Regionen mit schlechter Internetanbindung könnte diese Funktion besonders nützlich sein und sicherstellen, dass der digitale Euro jederzeit und überall verfügbar ist.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: EU auf globalem Erfolgskurs

Die Einführung des digitalen Euro erfolgt in einem Umfeld intensiven globalen Wettbewerbs. China hat mit dem digitalen Yuan bereits erhebliche Fortschritte gemacht und fördert dessen Nutzung sowohl im In- und Ausland. Auch die USA erwägen die Einführung eines digitalen Dollars, um ihre Führungsrolle im globalen Finanzsystem zu sichern.

Der digitale Euro könnte die Nutzung des Euro bei internationalen Transaktionen fördern und die Abhängigkeit von außereuropäischen Zahlungssystemen verringern. Dies würde die technologische Souveränität der EU stärken und ihre Position als Global Player im digitalen Zahlungsverkehr festigen.

Nicht Bedrohung, sondern Chance: Banken als Intermediäre

Die EZB hat klargestellt, dass der digitale Euro die Rolle der Banken als Intermediäre nicht gefährden soll. Im Gegenteil, die Banken sollen weiterhin eine zentrale Rolle im Finanzsystem spielen, indem sie neue Dienstleistungen rund um den digitalen Euro anbieten, wie zum Beispiel die sichere Verwahrung und den Zugang zu dieser neuen Währungsform. Diese Integration könnte es den Banken ermöglichen, ihre Position zu stärken und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg des digitalen Euro ist die Cybersicherheit. Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, betont, dass robuste Sicherheitsmaßnahmen unerlässlich sind, um die Integrität und das Vertrauen in die digitale Währung zu gewährleisten. Ohne effektive Sicherheitsprotokolle könnte der digitale Euro anfällig für Cyberangriffe sein. Ein Token-basiertes System, wie es die Bundesbank bevorzugt, hat das Potenzial, effizienter und umweltfreundlicher zu sein als die Blockchain-Technologie. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit relevant.

Der digitale Euro hat das Potenzial, die europäische Zahlungsverkehrsinfrastruktur zu transformieren und neue Möglichkeiten für Banken, Unternehmen und Verbraucher zu schaffen. Mit einer klaren Vision und einer sorgfältigen Umsetzung könnte er zu einem zentralen Bestandteil unserer täglichen Transaktionen werden und den Weg für eine digitalisierte und vernetzte Wirtschaft ebnen. Der digitale Euro ist nicht nur ein bedeutender Fortschritt für die Innovationskraft Europas, sondern auch ein notwendiger Schritt im internationalen Wettbewerb. Er könnte als positiver Beschleuniger in der Geld- und Währungspolitik wirken und der EU helfen, ihre Position im globalen Finanzsystem zu stärken. Die Banken müssen jedoch proaktiv handeln, um sich frühzeitig zu engagieren und zu verhindern, dass sie infrastrukturell nicht ausreichend vorbereitet sind.

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