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Sustainable Finance

Standpunkte Investitionen in Klimaschutz sind zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik

Jan Lozek, Geschäftsführer und Gründer der Fondsgesellschaft Future Energy Ventures
Jan Lozek, Geschäftsführer und Gründer der Fondsgesellschaft Future Energy Ventures Foto: Foto: Moritz Leisen

Statt die Kosten der Energiewende zu betonen, sollten die Chancen der Dekarbonisierung im Vordergrund stehen, findet Jan Lozek. Nur mit Investitionen in Klimaschutz kann der Wirtschaftsstandort Deutschland eine Zukunft haben. Doch die richtigen Weichen muss die Politik setzten, und zwar jetzt, fordert der Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Future Energy Ventures, die in digitale und digital unterstützte Klimatechnologien investiert.

von Jan Lozek

veröffentlicht am 20.06.2024

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Welchen Beitrag leistet Deutschland, um die weltweiten Klimaziele zu erreichen? Solche Debatten sind trügerisch: Sie suggerieren, dass das Erreichen der Klimaziele ein kostspieliges Unterfangen ist. Das Gegenteil ist der Fall: Diejenigen, die heutzutage nicht in die dekarbonisierte Zukunft investieren, gefährden ihre wirtschaftliche Stabilität. Wer dagegen Innovation und Infrastruktur für eine dekarbonisierte Zukunft fördert und ausbaut, stärkt den eigenen Wirtschaftsstandort.

Doch wenn die politischen Entscheider nur kurzfristig von Wahlperiode zu Wahlperiode und von Haushalt zu Haushalt denken, dann wird die Energiewende nicht gelingen. Wir benötigen jetzt mutige Menschen, die auch in der aktuellen Krise langfristige Visionen im Blick behalten. Und der Staat muss gar nicht alles alleine stemmen: Er sollte vor allem auch mutige Unternehmer:innen belohnen, die jetzt schon Geschäftsmodelle für die dekarbonisierte Welt aufbauen.

Schließlich wirtschaften bereits etliche dieser Firmen schon profitabel. Es sind nur noch bei weitem nicht genug. Energiewende ist mittelfristig kein Zukunftsgeschäft, sondern auch aus monetärer Sicht ein lohnenswertes Unterfangen – diese Nachricht muss in Kapitalmärkten und Wirtschaft ankommen. Dies gelingt umso glaubhafter, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher stärker umdenken und ihr Kaufverhalten und ihren Lebensalltag nachhaltiger gestalten. Auch hier kann die Politik Anreize setzen.

Deutsche Klimabilanz ist trügerisch

Denn mehr Tempo ist dringend erforderlich. Betrachtet man den aktuellen Stand der Klimaziele, zu denen sich Deutschland offiziell bekannt hat, könnte man auf den ersten Blick eine positive Zwischenbilanz ziehen. Im März dieses Jahres prognostizierte das Umweltbundesamt, dass die Treibhausgasemissionen bis 2030 verglichen mit 1990 um 64 Prozent zurückgehen. Deutschland, so der Tenor, sei in puncto Klimaziele „erstmals auf Kurs.

Auf den zweiten Blick wird allerdings klar: Der Schein trügt. Denn wesentlich verantwortlich für die Klimabilanzen des letzten Jahres – und damit Grundlage für die vielversprechenden Hochrechnungen – ist zum einen das milde Klima und zum anderen die schwache Konjunktur. Die ersten Stimmen werden laut: Können wir uns die Energiewende überhaupt leisten?

USA und China preschen voran

Ja, wir mögen die richtigen Weichen in puncto Klimaschutz in einigen Bereichen bereits gestellt haben. Gleichzeitig dürfen wir uns aber nicht eine Sekunde zurücklehnen und uns auf den Zwischenresultaten ausruhen. Im Gegenteil: Politik und Wirtschaft müssen sich weiterhin im Schulterschluss und mit voller Ernsthaftigkeit dem Klimaschutz verschreiben. Genau diese Ernsthaftigkeit vermisse ich jedoch gerade im Bereich der Investitionen in grüne Energien zunehmend. Hier riskieren Deutschland und Europa im Vergleich zu anderen Regionen ins Hintertreffen zu geraten.

Denn während die Investitionen in Bereiche wie E-Mobilität und Batteriefertigungen in den USA, so eine Analyse des Handelsblatts, im vergangenen Jahr um knapp 40 Prozent gestiegen sind, tritt Europa auf der Stelle. China ist bei der Produktion von Solar-Hardware ohnehin schon meilenweit enteilt. Neue Abhängigkeiten drohen zu entstehen, zukünftige Wirtschaftszweige siedeln sich anderswo an. Laut Europäischer Investitionsbank stagnieren die Investitionen in nachhaltige Technologien in der EU bei 360 Milliarden Euro jährlich – doch Stagnation müssen wir tunlichst vermeiden. Gerade in Krisenzeiten gilt es, Lösungen für eine nachhaltige, weniger anfällige Zukunft zu skizzieren. Und in diese zu investieren.

Sparkurs bedroht Industriestandort der Zukunft

Doch stattdessen droht sich die Situation zu verschärfen. Denn die Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds, das Finanzierungsinstrument zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele Deutschlands, wurden um 42 Milliarden Euro gekürzt. Damit könnte künftig noch weniger Kapital zur Verfügung stehen, um beispielsweise die Dekarbonisierung der Industrie sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Elektromobilität und der Ladeinfrastruktur zu fördern. Die Folge: Wir leisten in Deutschland und Europa nicht nur einen geringeren Anteil für eine dekarbonisierte Zukunft, wir verpassen auch den Aufbau einer zukunftsfähigen Industrie und kreieren neue Abhängigkeiten. Das hört sich nicht nach Spar-, sondern nach Risikokurs an.

Denn, das sollte uns klar sein: Es gibt keine Alternative zur dekarbonisierten Zukunft – beziehungsweise nur eine einzige: den globalen Kollaps. Das kann keiner ernsthaft in Betracht ziehen. Wer also heutzutage in Technologien investiert, die die Energiewelt von morgen gestalten, leistet nicht nur einen ökologischen Beitrag, um auch zukünftigen Generationen ein Leben auf unserem Planeten zu sichern, sondern stärkt den eigenen Standort in der Weltwirtschaft von morgen. Denn irgendwo müssen Windräder, Turbinen und Solarkraftwerke produziert werden. Irgendwo werden die skalierbaren Software-Konzerne sich niederlassen, die das Management der dezentralen, intelligent vernetzten Infrastruktur ermöglichen; welche die Apps entwickeln, über die Menschen ihre Autos, Heizungen und Wohnungen steuern.

Nichtstun wird teuer

Vor allem aber wird regenerativ erzeugte Energie auch deutlich günstiger, als wir uns dies aktuell vorstellen. Gerade für die produzierende Industrie ist der Energiepreis eine entscheidende Standortfrage. Entscheidungen für oder gegen eine Niederlassung auf deutschem Boden werden jetzt getroffen und sind von Dauer. Will heißen: In jeder Due Diligence des Standorts Deutschlands werden Unternehmen genauestens unter die Lupe nehmen, welche Entwicklungen – beispielsweise in puncto Energieversorgung und damit Energiepreise – im Land zu erwarten sind.

Nicht zuletzt sollten uns die Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine Warnung genug sein, dass Energie-Abhängigkeiten auch geopolitische Risiken sind. Investitionen in die dekarbonisierte Zukunft sind daher vieles zugleich: Klimaschutz, Wirtschaftspolitik und Investitionen in eigene Sicherheit und Unabhängigkeit. Viel teurer ist auf einige Jahrzehnte betrachtet dagegen der Erhalt des Status Quo.

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