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Standpunkte EU-Parlament stärkt Berichtsstandards den Rücken

Daja Apetz-Dreier ist Office Managing Partner der Kanzlei Reed Smith in München
Daja Apetz-Dreier ist Office Managing Partner der Kanzlei Reed Smith in München Foto: Reed Smith

Indem das EU-Parlament eine Abschwächung der Berichtsstandards für Nachhaltigkeit verhindert hat, habe es Rückgrat bewiesen, meint Daja Apetz-Dreier, Office Managing Partner der Kanzlei Reed Smith in München in ihrem Standpunkt-Gastbeitrag. Die Juristin, die sich unter anderem finanzbezogenen Rechtsstreitigkeiten befasst, sieht in der einheitlichen europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung einen wichtigen Schritt hin zur Verhinderung von Greenwashing.

von Daja Apetz-Dreier

veröffentlicht am 01.02.2024

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Das Europäische Parlament hat Mitte Oktober eine Resolution abgelehnt, die die von der Europäischen Kommission am 31. Juli 2023 angenommenen Berichtsstandards (European Sustainability Reporting Standards – ESRS) abgeschwächt hätte. Dies stellt einen Meilenstein für die Verwirklichung des „European Green Deal“ dar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die EU-Kommission die von ihrem Beratungsgremium European Financial Reporting Advisory Group (Efrag) empfohlenen Berichtsstandards deutlich hatte abschwächen wollen.

Einheitliche Standards stellen einen wirksamen und wichtigen Schritt dar, um Greenwashing (Schönfärberei) und „Green Claims“ zu verhindern, also falsche oder irreführende Aussagen über die umweltfreundliche Ausrichtung eines Unternehmens oder dessen Produkte und Dienstleistungen. Derzeit gibt es circa 230 „Nachhaltigkeitslabel“ und circa 100 „Green Energy Label“ allein in der EU. Die Grundlage dieser „Gütesiegel“ ist nicht immer eindeutig, eine Bewerbung mit Slogans wie „grün“, „nachhaltig“ oder „klimaneutral“ ist daher sehr verbreitet.

Mangelnde Glaubwürdigkeit angeblicher Gütesiegel

An einer Vergleichbarkeit der angewandten Kriterien fehlt es jedoch, wodurch das Vertrauen in die „Gütesiegel“ und deren Glaubwürdigkeit limitiert sind. Auch eine differenzierte Anwendung in Bezug auf Regionen oder Branchen findet sich kaum. So verwundert es nicht, dass Meinungsverschiedenheiten über bestimmte Marketing- und Werbeaussagen unterschiedlicher Unternehmen bestehen und Gerichtsverfahren zu Greenwashing in der jüngsten Vergangenheit rasant zugenommen haben. Eurowings, Danone, Hello Fresh, DM und der 1. FC Köln sind nur einige der großen Unternehmen, gegen die Verfahren eingeleitet wurden.

Durch die Einführung einheitlicher europäischer Berichtsstandards werden fälschliche oder irreführende Aussagen sowohl in tatsächlicher, als auch rechtlicher Hinsicht leichter überprüfbar. Damit einher geht jedoch auch ein größeres rechtliches Risiko für Unternehmen bezüglich ihrer Aussagen zur Nachhaltigkeit. Infolgedessen befinden sich die Unternehmen nun im Zugzwang: Sie müssen sicherstellen, dass ihre Botschaften über ihre Nachhaltigkeitsleistungen tatsächlich der Realität entsprechen und nachprüfbar sind.

Rechtliche Risiken steigen beträchtlich

Denn es ist zu erwarten, dass durch den großen Fokus von Verbrauchern und Investoren auf den Themenkomplex „Environmental, Social, Governance“ (ESG) beziehungsweise Nachhaltigkeit im Allgemeinen und infolge der nun einheitlichen Berichtsstandards künftig Werbeaussagen von Unternehmen genauer unter die Lupe genommen werden.

Neben einem Reputationsschaden drohen Abmahnungen, gegebenenfalls einstweilige Verfügungsverfahren und Klagen auf Unterlassung und Schadensersatz nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) durch Wettbewerber oder Wettbewerbsverbände. Das rechtliche Risiko erhöht sich umso mehr, als durch die europäischen Berichtsstandards sowie das deutsche Lieferkettengesetz die gesamte Wertschöpfungskette in die Nachhaltigkeitsbewertung einzubeziehen ist.

Bis zum Inkrafttreten des ersten Sets der Berichtsstandards mit Beginn des Finanzjahres 2024 bleibt den betroffenen Unternehmen nicht mehr allzu viel Zeit, um für eine Umsetzung des ESRS-Reporting zu sorgen. Dies wird für viele Unternehmen eine große Herausforderung darstellen, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie und die umfangreiche Datenerhebung.

Strategie mit konkreten Nachhaltigkeitszielen notwendig

Hinter der Berichterstattung stehen konkrete Nachhaltigkeitsziele, welche das jeweilige Unternehmen zunächst für sich festlegen muss. Hier gilt es, insbesondere die tatsächliche Erreichbarkeit der Ziele für das konkrete Unternehmen im Blick zu behalten, gleichzeitig aber auch Ziele festzulegen, die externen Vorstellungen so weit wie möglich gerecht werden. Denn es ist zu erwarten, dass sich Nachhaltigkeit immer stärker als wichtiger Faktor im Konsumenten- und Investorenverhalten niederschlägt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss daher eine an das spezifische Unternehmen angepasste Nachhaltigkeitsstrategie ermittelt und festgelegt werden.

Eine weitere Schwierigkeit sind die Datenmengen, die für die Berichterstattung erforderlich sind. Die Unternehmen müssen gegebenenfalls viele Daten erheben, die sie bisher nicht erhoben haben – und zwar für die gesamte Wertschöpfungskette. Hierfür sind neue Prozesse und möglicherweise zusätzliches Personal erforderlich, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Erreichbarkeit des europäischen „Green Deal“ rückt näher

Um die Unternehmen hierbei zu unterstützen, stellt die Efrag seit Ende Oktober eine Plattform namens „ESRS implementation Q&A“ zur Verfügung. Hier können Unternehmen fachliche Fragen zur Umsetzung des ESRS-Reportings stellen sowie sich über die Erfordernisse und die praktische Umsetzung bei der Berichterstattung informieren. Es werden dabei ausschließlich Fragestellungen beantwortet, die nicht nur für ein individuelles Unternehmen, sondern für eine große Gruppe von Akteuren relevant sind. Zudem kündigte das Gremium sogenannte „implementation guidelines“ (Efrag IG) an, erste Leitlinien seien im ersten Quartal 2024 zu erwarten. Sie sollen verhindern, dass die Einführung der ESRS die betroffenen Unternehmen über das zumutbare Maß hinaus belastet.

Die künftig einheitliche Berichterstattung und die damit einhergehende Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit wird es den Verbrauchern und Investoren ermöglichen, tatsächlich umweltbewusst zu agieren. Dies stellt eine erfreuliche Entwicklung dar und lässt die Erreichbarkeit des „European Green Deal“ deutlich näher rücken.

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