Investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) sind derzeit in aller Munde. Angeblich kaufen Investoren voller Profitgier Arztpraxen auf, achten nur auf Ökonomisierung und sind somit eine Gefahr für die Patienten. Das meint jedenfalls Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Gierige Investoren, die mit dem Taschenrechner in der Hand den Ärzten diktieren, welche Leistung sie anbieten dürfen und welches Verbrauchsmaterial sie gegen ein Billig-Produkt austauschen müssen, sind ein geeignetes Bild, um sich als Heilbringer des Gesundheitssektors zu stilisieren. Aber droht wirklich ein Ausverkauf der Medizin, eine Monopolbildung durch iMVZ, die sich gegenseitig Leistungen zuschustern und Patienten und System schröpfen?
Die Diskussion wird zu emotional, zu wenig faktenbasiert und lösungsorientiert geführt. Es droht schon keine Monopolbildung, wie eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage ergab, wonach es zum Beispiel keine unsachgemäße Konzentration auf bestimmte Regionen gebe und der Anteil von iMVZ an der Versorgung von Kassenpatienten bundeslandabhängig nur zwischen 0,5 und drei Prozent liege.
Schwarz-Weiß-Denken verbietet sich
Zwar ist es richtig, dass Investoren durch ihre Beteiligungen Geld verdienen; das tun niedergelassene Ärzte allerdings genauso. Oftmals wird Ärzten absolute Redlichkeit unterstellt, Investoren dagegen nicht. Ein Schwarz-Weiß-Denken verbietet sich: Investoren sind nicht per se böse und Ärzte gut. Es gibt sicherlich auf beiden Seiten schwarze Schafe, hierbei dürfte es sich aber um Ausnahmen handeln. Uns sind bisher jedenfalls keine verdächtigen Geschäftspraktiken untergekommen.
Überdies haben wir bisher auch keine bedenklichen Zuweiser-Konstellationen zwischen MVZ untereinander oder zu den jeweiligen Krankenhäusern der Trägergesellschaften gesehen. Investoren achten nach meinem Eindruck sogar stärker auf rechtliche Compliance und medizinische Qualität, da sie viel stärker unter Beobachtung stehen. Dabei sichern Investoren schon jetzt vielfach die ambulante Versorgung. So stellte erst im letzten Jahr ein institutioneller Investor die Versorgung sicher, indem er eine insolvente große Zahnarztpraxis übernahm. Die Zahnärzte hatten sich mit diesem Projekt offenbar übernommen.
Keinen Einfluss auf ärztliche Entscheidungen
Gleichermaßen an den Haaren herbeigezogen ist, dass Investoren auf ärztliche Entscheidungen Einfluss nehmen würden. Auch hier ein Blick in die Praxis: Die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit der Ärzte ist in den üblichen Verträgen in mehrfacher Hinsicht durch Pflichten und Garantien abgesichert und wird auch so gelebt. Eine Einschränkung auf gewisse Leistungen findet nicht statt. Vermutlich stoßen sich die Kritiker eher daran, dass der Praxisalltag in einem MVZ meist effizienter geplant ist als bei einem seit 40 Jahren bestehenden niedergelassenen Einzelkämpfer. Das ist aber nicht verwerflich. Vielmehr sind es regelmäßig die externen Geldgeber, die das notwendige Kapital für Investitionen in kostenintensiven Disziplinen bereitstellen und somit zur Verbesserung der Versorgung sorgen.
Kein Verständnis habe ich für die Diskussion über die Abführung von Gewinnen. Entgegen der landläufigen Meinung schließen Investoren üblicherweise keine Knebelverträge zu Lasten des MVZ. Vielmehr setzen sie eine gesellschaftsrechtliche Selbstverständlichkeit um: dass der Mehrheitsgesellschafter Gewinne aus der Gesellschaft abführen darf. Das tun Ärzte auch, wenn ihnen Praxen oder MVZ gehören. Damit betreibt auch niemand Rosinenpickerei, denn der Eigentümer trägt natürlich auch alle Verluste.
Mehr Evidenz in der Debatte
Die Debatte um neue Verschärfungen braucht vier Dinge. Erstens Evidenz: Durch sieben Gutachten wurde der MVZ-Markt in den letzten zwei Jahren analysiert. Die Gutachter kommen zum gleichen Ergebnis: Wirkliche Anhaltspunkte für übergriffiges Verhalten der Investoren gibt es nicht. Zweitens Durchsetzung bestehender Regeln: Abrechnungs- und Plausibilitätsprüfungen sind bereits jetzt möglich und disziplinarrechtlich können ärztliche Fehlentscheidungen zum Entzug der Zulassung führen. Diese Maßnahmen müssen einfach konsequent angewandt werden. Die Investoren wehren sich nicht gegen Gesetzesanwendung.
Drittens Augenmaß: Eine Gesetzesänderung sollte nicht nach dem Gießkannenprinzip umgesetzt werden. Es ist unproblematisch, die ärztliche Unabhängigkeit auch im Sozialgesetzbuch zu verankern. Darüber hinaus könnte die Abrechnungsprüfung zu einer Prüfung des Gesamtversorgungsauftrags weiterentwickelt werden. Voraussetzung muss sein, dass sich die Prüfung auf alle Leistungserbringer erstreckt. Ebenso spricht nichts gegen Transparenzregeln. Ein neues MVZ-Register braucht es allerdings nicht, eine Ergänzung des Arztregisters ist ausreichend. Und viertens Sachlichkeit: Das Schreckgespenst der gescheitelten champagnertrinkenden Investoren, die den Gesundheitssektor erobern und das Patientenwohl verramschen wollen, ist politisch konstruiert. Trägervielfalt ist eine Bereicherung für die Patienten. Die Debatte sollte deshalb sachlich und auf Augenhöhe und nicht verteufelnd geführt werden.
Dr. Martin Jäger ist Rechtsanwalt im Regulatorischen Gesundheitsrecht im Berliner Büro von Taylor Wessing und berät Leistungserbringer und Investoren im Gesundheitssektor.