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Standpunkte Den Worten jetzt Taten folgen lassen

Constantin von der Groeben führt den einzigen in Deutschland gegründeten Cannabishersteller Demecan
Constantin von der Groeben führt den einzigen in Deutschland gegründeten Cannabishersteller Demecan Foto: Demecan

Als Gründer und Geschäftsführer von Demecan setzt sich Constantin von der Groeben für eine bessere Versorgung mit medizinischem Cannabis ein. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht die Cannabiswirtschaft dringend Planungssicherheit. Deshalb muss das Cannabisgesetz schleunigst verabschiedet werden, schreibt er im Standpunkt.

von Constantin von der Groeben

veröffentlicht am 22.01.2024

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Am 27. November gab es Grund zum Feiern. Zumindest dachten wir das. Denn die Ampelfraktionen verkündeten in einer gemeinsamen Pressemitteilung eine Einigung beim Cannabisgesetz (CanG). Endlich! Über zwei Jahre hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach federführend an einem Kompromiss gearbeitet, den nun alle Regierungsparteien unterstützen. So schien es zumindest. Doch dann mussten wir wenige Tage später lesen, dass man sich doch nicht ganz so einig war. Denn einige SPD-Innenpolitiker äußerten Bedenken und kündigten an, dem Entwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen zu wollen. Seitdem sind die Fragezeichen groß und die Diskussion wird immer hitziger.

Eigentlich sollte das CanG längst verabschiedet sein, doch auf der Tagesordnung des Bundestages sucht man es noch immer vergebens. Hat jetzt ausgerechnet die SPD Bedenken bei einem Gesetz vom eigenen Gesundheitsminister? Und warum kommen diese Bedenken erst auf den allerletzten Metern auf? Natürlich ist die Legalisierung von Cannabis – sei es zum Eigenanbau über Anbauclubs oder als Modellregionen – ein umstrittenes und emotionales Thema. Gleichzeitig sollte aber auch nicht vergessen werden, dass bei medizinischem Cannabis dringender Handlungsbedarf besteht. Jede Verzögerung geht zulasten der Patienten.

Patienten warten auf besseren Zugang

Seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland legal und Patienten haben Zugang zu der seit Jahrhunderten anerkannten Heilpflanze. Seitdem hat sich gezeigt, dass dies der richtige Schritt war. Denn die Lebensqualität tausender Patienten vor allem mit chronischen Schmerzen hat sich deutlich verbessert. Allerdings warten Patienten auf eine wichtige Verbesserung: die Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Diese Änderung schien am 27. November 2023 bereits beschlossen und droht jetzt nicht zu kommen.

Wird dieser Schritt nicht vollzogen, wäre eine Verschreibung von medizinischem Cannabis auch weiterhin mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Aktuell benötigen Ärzte noch besondere BtM-Rezepte, Apotheken sind zur Verwahrung von Cannabis in gesicherte Wertschutzschränken verpflichtet und auch für Hersteller und Händler sind die Sicherheitsmaßnahmen enorm. Dadurch wird der Zugang zu medizinischem Cannabis erheblich erschwert. Die Ampel ist als Fortschrittskoalition angetreten, um zu entbürokratisieren. Das sollte sie jetzt mit dem CanG auch umsetzen.

Faire Rahmenbedingungen für eine deutsche Cannabisbranche

Zudem konnte sich in den vergangenen sieben Jahren eine eigene Branche aus Produzenten, Importeuren, Großhändlern und auf Cannabis spezialisierten Apotheken entwickeln. An drei Standorten wird in Deutschland mittlerweile medizinisches Cannabis angebaut. Die strikten Auflagen sorgen für höchste Qualität bei der Herstellung von Cannabisarzneimitteln. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren auch Fehlentwicklungen gezeigt. Denn mittlerweile stehen deutsche Produzenten angesichts der Flut ausländischer Importe mit dem Rücken zur Wand. Während die Sorten, die Menge und der Preis von Medizinal-Cannabis aus Deutschland stark reguliert werden, haben Importe freie Hand.

Laut Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dürfen in Deutschland derzeit lediglich drei Hersteller drei Typen von Cannabis mit einem jährlichen Gesamtvolumen von nur 2,6 Tonnen produzieren. Obwohl sie mehr produzieren könnten, dürfen sie es nicht. Für Einfuhren gelten diese Beschränkungen nicht. In der Folge wurden 2023 mehr als 25 Tonnen Medizinal-Cannabis importiert und es befinden sich mehr als 200 unterschiedliche Sorten auf dem deutschen Markt. Dass das nicht fair ist, hat auch die Politik erkannt. Der vorliegende Entwurf des CanG soll deshalb die derzeitige Vergabepraxis durch ein System der Erlaubniserteilung ersetzen. Im Klartext heißt das: gleiche Bedingungen für Importe und deutsches Medizinal-Cannabis. Das ist eine gute Nachricht für den Produktionsstandort Deutschland, aber auch für die Gewährleistung der Qualität von Medizinal-Cannabis im Interesse der Patienten.

Unternehmen brauchen Planungssicherheit

Das Kernproblem, das uns dabei als Unternehmen umtreibt, aber sicherlich auch viele Bürger frustriert, ist die als ewiges Hin-und-Her empfundene Unklarheit. Es muss allen bewusst sein, dass wir als deutsche Hersteller dringend Rechts- und Planungssicherheit brauchen. Denn eine entsprechende Anpassung der Produktionskapazitäten erfordert Investitionen – eigentlich eine gute Nachricht in Zeiten schwächelnder Wirtschaft und knapper Kassen. Im Fall unserer 2022 bei Dresden eröffneten Produktionsstätte war es ein zweistelliger Millionenbetrag, den wir zum Umbau eines über Jahrzehnte leerstehenden Schlachthofes in Europas größten Cannabiscampus investiert haben.

Und natürlich braucht es auch Zeit, um die Kapazitäten hochzufahren. Wir rechnen mit bis zu zwölf Monaten Vorlauf. Wenn wir damit nicht im Sommer beginnen, wird es eng. Denn Ende 2025 laufen die aktuellen Verträge mit dem BfArM zur Produktion von medizinischem Cannabis aus. Was soll dann kommen? Standortschließung ausgerechnet in Sachsen? Verlagerung nach Tschechien, wo die Regierung mutiger ist? Deutschland wäre dann zwar der größte Abnehmer von medizinischem Cannabis, aber keine einzige Pflanze würde im heimischen Markt angebaut werden. Alle Einnahmen flössen damit ins Ausland. Ein Desaster für Industrie und Patientenwohl. Deshalb der dringende Appell an die Ampelparteien und im Besonderen an die SPD-Bundestagsfraktion: Bitte machen Sie jetzt den Weg frei für gerechtes Medizinal-Cannabis „Made in Germany“.

Mit der ersten Säule ist es nicht getan

Aber auch bei Genusscannabis bleiben viele Fragen offen. Die Verhandlungen zum Gesetz haben deutlich gezeigt, dass die Aufspaltung in die Säulen „Eigenanbau“ (Säule 1) und „Regionale Modellprojekte“ (Säule 2) ihre Probleme mit sich bringt. Ich bin davon überzeugt, dass sich durch einen klaren Fahrplan für Säule 2 viele der Kritikpunkte am vorliegenden Gesetzesentwurf ausräumen lassen würden.

Ein prominentes Argument von Kritikern ist beispielsweise die fehlende Kompetenz von Cannabis-Clubs als Anbauer und Abgabestelle. Das ließe sich etwa durch eine frühzeitige Einbeziehung von professionellen Herstellern und lizenzierten Fachgeschäften, die eng mit den Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, einfach adressieren. Deshalb brauchen wir für eine erfolgreiche Cannabislegalisierung jetzt schnellstmöglich konkrete Eckpunkte für Säule 2. Wir müssen aus dem Zustand des ständigen Zögerns, Zweifelns und Blockierens herauskommen und wieder in den Modus der gemeinsamen Gestaltung überzugehen.

Constantin von der Groeben ist Jurist und Cannabisunternehmer. 2017 gründete er mit zwei Freunden Demecan. Das Unternehmen deckt die gesamte Wertschöpfungskette für medizinisches Cannabis ab – vom Anbau über die Weiterverarbeitung und Lagerung bis hin zum Vertrieb an Apotheken.

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