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Standpunkte Muss das Cannabisgesetz in den Bundesrat?

Peter Homberg ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dentons
Peter Homberg ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dentons

Die Cannabislegalisierung soll möglichst nicht an EU oder Bundesrat scheitern. Aber ist das mit dem aktuellen Entwurf zum Cannabisgesetz möglich? Peter Homberg, Head of European Cannabis Group bei der Kanzlei Dentons, dekliniert die Szenarien durch, in denen das Gesetz die Zustimmung der Länderkammer bräuchte.

von Peter Homberg

veröffentlicht am 24.07.2023

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Nun ging es doch schneller als angenommen: Nachdem die Regierungskoalition 2021 die Legalisierung von Cannabis im Koalitionsvertrag verankerte, schien zunächst etwas Ruhe eingekehrt zu sein. Das Gesetzesvorhaben, das ursprünglich als vollständige Legalisierung durch Etablierung eines staatlich kontrollierten Genussmittelmarkts anvisiert war, wurde nach einem intensiven Konsultationsprozess mit Experten aus der Industrie, Wissenschaft und Politik, sowie Gesprächen mit der EU-Kommission in weiten Teilen zurückgenommen. Teilweise wurde, aufgrund zahlreicher akuter politischer Krisen, über eine Umsetzung in der aktuellen Legislaturperiode gezweifelt.

Im April 2023 präsentierten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir nun doch noch einen Weg in Form des sogenannten „2-Säulen-Plans“ zur Cannabislegalisierung zu Genusszwecken. Nach der „ersten Säule“ soll der individuelle sowie, im Rahmen sogenannter „Anbauvereinigungen“, kommunaler Selbstanbau bestimmter Mengen von Cannabispflanzen legalisiert werden. Zeitlich verlagert soll die „zweite Säule“ anschließend den Kauf von Cannabis für den Freizeitkonsum im Rahmen örtlich begrenzter Modellprojekte, die durch wissenschaftliche Studien begleitet werden sollen, ermöglichen

Anfang Juli 2023 veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium nun den ersten offiziellen Referentenentwurf. Der Zeitrahmen, wann das Vorhaben umgesetzt wird, hängt nun auch maßgeblich davon ab, ob das neue Gesetz im Bundesrat zustimmungsbedürftig ist.

Was bedeutet zustimmungsbedürftig?

Grundsätzlich sind Bundesgesetze in Deutschland Einspruchsgesetze, sodass der Bundesrat die Möglichkeit hat, Einspruch zu erheben und ein gesondertes Verfahren einzuleiten, das das Inkrafttreten Gesetz noch einmal verzögern kann. Allerdings: Ein finales „Veto“ kann der Bundesrat nicht einlegen. Nur wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht, ist ein Gesetz zustimmungsbedürftig. Dies betrifft Gesetze, die das Grundgesetz ändern, Gesetze, die in bestimmter Weise Auswirkungen auf die Finanzen der Länder haben und Gesetze, für deren Umsetzung in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingegriffen wird.

Der Entwurf des 2017 von der Grünen-Fraktion eingebrachten und von der Linksfraktion unterstützten „Cannabiskontrollgesetzes“, das bereits im Bundestag scheiterte, wurde seinerzeit im Gesetzesentwurf selbst als zustimmungsbedürftig klassifiziert. Tatsächlich zustimmungsbedürftig wäre das neue Cannabisgesetz nur, wenn es unter eine der vorgenannten Kategorien fallen würde.

Das CannG in der aktuellen Version des Referentenentwurfs vom 5. Juli könnte der dritten Fallgruppe angehören. Geplant ist nämlich, dass die Landesbehörden für die Zulassung und Überwachung der Cannabis-Anbauvereinigungen zuständig sind. Das Gesetz nennt hier auch Vorgaben hinsichtlich der konkreten Ausführung. Hier ist jedoch zu beachten, dass den Ländern bei der Ausführung von Bundesgesetzen grundsätzlich ein Abweichungsrecht zusteht. Schließt der Bund ausnahmsweise dieses Abweichungsrecht aus und nimmt damit den Ländern die Möglichkeit, das Gesetz an ländereigene Strukturen anzupassen, ist das Gesetz im Bundesrat zustimmungsbedürftig. Ein solcher Ausschluss ist aber dem Referentenentwurf vom Juli 2023 nicht zu entnehmen.

Wenn der Gesetzesentwurf in bestimmter Form Einfluss auf die Finanzen der Bundesländer hätte, könnte das Gesetz unter die zweite Fallgruppe zu fassen sein. Auf der Einnahmeseite fielen hierunter alle Gesetze über Steuern, an deren Aufkommen die Länder oder Gemeinden beteiligt sind. Auf der Ausgabenseite sind alle Gesetze mit inbegriffen, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen begründen. Dies wäre der Fall, wenn die Finanzen der Länder auf Einnahme- oder Ausgabenseite betroffen wären. Final kann dies anhand des aktuellen Referentenentwurfs noch nicht beurteilt werden.

Neben dem CannG als Ganzes könnte sich aber eine andere Einschätzung mit Blick auf Artikel 2 des Gesetzes ergeben. Mit der dort vorgesehenen Bestimmung würde nun Cannabis auch nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft und aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) herausgelöst werden. Dies hätte auch ausdrückliche Auswirkungen auf das seit 2017 eingeführte Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG). Um die Änderung des BtMG, wie es in Artikel 2 des Gesetzesentwurfs geregelt ist, als zustimmungspflichtig zu klassifizieren, müsste das Gesetz unter eine der genannten Ausnahmen zum Einspruchsgesetz fallen, von denen sich momentan jedoch keine aufdrängt.

Abspaltung aus Ausweichlösung

Sollte die Änderung des BtMG als zustimmungspflichtig eingestuft werden, käme noch infrage, den Artikel im Vorhinein abzuspalten und als eigenen Gesetzentwurf einzubringen, um das CannG nicht zu gefährden. Denn: Wenn ein Gesetz auch nur eine einzige zustimmungsbedürftige Regelung enthält, ist das Gesetz als Ganzes, also einschließlich seiner zustimmungsfreien Bestandteile, zustimmungspflichtig.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gibt sich allerdings zuversichtlich und geht davon aus, das Gesetz als nicht zustimmungsbedürftig ausgestaltet zu haben. So ist der Website des BMG zu entnehmen: „Dem Deutschen Bundestag obliegt die abschließende Beschlussfassung des Gesetzes. Das Gesetz ist nicht zustimmungsbedürftig im Bundesrat. Das Inkrafttreten ist für Ende 2023 vorgesehen.“ Dass es rechtspolitisch im Interesse der Bundesregierung liegt, dieses Gesetz möglichst als nicht zustimmungsbedürftig auszugestalten, liegt in Anbetracht der politischen Zusammensetzung des Bundesrates und der dadurch vermeidbaren Verzögerung auf der Hand. Ist der Bundesrat hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes jedoch anderer Auffassung, so müsste das Bundesverfassungsgericht final über die Zustimmungsbedürftigkeit entscheiden. Die Diskussionen hierüber haben erst begonnen und es bleibt abzuwarten, wie sich die im Bundesrat vertretenen Bundesländer hierzu stellen werden.

Peter Homberg ist Partner und Head of European Cannabis Group bei der Wirtschaftskanzlei Dentons sowie Hauptautor eines Gutachtens zur zweiten Säule der geplanten Cannabislegalisierung.

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