Nach Berechnungen der Nichtregierungsorganisation „Health Care Without Harm“ emittiert das Gesundheitswesen mit 4,4 Prozent der Emissionen weltweit mehr als etwa der Flugverkehr oder die Schifffahrt. Allein in Deutschland gehen jährlich rund 57,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent und damit 5,2 Prozent der gesamten nationalen Emissionen auf das Konto des Gesundheitswesens.
Es sind also nicht nur Branchen, die den meisten beim Thema Umweltschutz sofort in den Sinn kommen, allen voran die Automobil- oder Energiewirtschaft, die spürbar zum Klimawandel beitragen. Es ist in erheblichem Maße auch eine Branche, die sich doch eigentlich der Gesundheit des Menschen verschrieben hat – ein Widerspruch, den es aufzulösen gilt.
Gesellschaftliche Akzeptanz durch Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist ein Grundelement gesellschaftlicher Akzeptanz. Für viele Branchen ist das nichts Neues, für die Gesundheitswirtschaft aber schon, die traditionell davon ausgehen konnte, allein durch ihr Kerngeschäft zu den positiv beleumundeten gesellschaftlichen Akteuren zu gehören. Angesichts des ökologischen Fußabdrucks und daraus resultierenden Handlungsbedarfs wird diese Einstellung aber nicht mehr ausreichen, um den generalistischen Anspruch der Medizin einzulösen, Menschen zu helfen und zu heilen.
Nur in einer intakten Umwelt können Menschen gesund leben. Wer also den Menschen und sein Wohlergehen konsequent in den Mittelpunkt seines Handelns stellt – und wer, wenn nicht die Medizin, sollte das tun –, der muss Nachhaltigkeit und Klimaschutz strukturell in seiner Organisation verankern.
Klar ist, dass damit ein Spagat zwischen hohem Technisierungsgrad, notwendigen Investitionen in ressourcenschonende Technologien und der angespannten finanziellen Lage der Krankenhäuser auf uns zukommt. Vor dieser Aufgabe stehen allerdings viele Branchen und nicht zuletzt die Gesellschaft als Ganzes, nämlich den Erhalt von Wohlstand zu gewährleisten und zugleich die Reduzierung von Emissionen zu erreichen. In Deutschland sind etwa 5,65 Millionen Menschen im Gesundheitswesen tätig, 1,17 Millionen davon in Krankenhäusern. Angesichts dieser gesellschaftlichen Relevanz wünsche ich mir, dass Krankenhäuser diese große Aufgabe annehmen und eine Vorbildfunktion übernehmen – bei der Digitalisierung, aber auch beim Umweltschutz. Wer anders als die Medizin könnte diese Rolle glaubwürdiger ausfüllen?
Green Hospital entsteht nicht über Nacht
Gute Ansätze gibt es: Dazu zählt die Nationale Klimaschutzinitiative KLIK green. Mit vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) geförderten Maßnahmen sollen Treibhausgase und Betriebskosten eingespart werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) vergibt ein Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“. In Bayern ist bereits 2011 eine Green Hospital-Initiative gestartet.
An Handlungsfeldern mangelt es nicht. Dass Energiemanagement, Beschaffung und Abfallwirtschaft, Mobilität und Logistik sowie Speisenversorgung enorme Einsparpotenziale bieten, dürfte nicht überraschen. Weniger offensichtlich ist, dass zum Beispiel auch im OP über das Recycling von Narkosegasen nachgedacht werden kann und Klinikgelände oft viel Raum zur Steigerung der Biodiversität bieten.
Ein Green Hospital als Antwort auf die ökologischen Herausforderungen kann nicht über Nacht entstehen. Der Anspruch, ein solches zu werden, muss strukturell im Unternehmen verankert werden. An der Universitätsmedizin Essen haben wir nicht nur die Position eines Klimamanagers geschaffen, der unternehmensweit alle Aktivitäten koordiniert – wir haben auch an allen wesentlichen Schnittstellen des Unternehmens und an allen Standorten 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte eingesetzt, die konkrete Umweltschutzmaßnahmen in ihrem Arbeitsumfeld identifizieren, initiieren und begleiten. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es für derartig tiefgreifende Transformationsprozesse einer intrinsischen Bewegung und Begeisterung bedarf, die die notwendigen Veränderungen von innen heraus forciert. Die Beschäftigten müssen nicht nur von Beginn an mitgenommen werden, sondern auch die Möglichkeit haben, den Prozess aktiv zu begleiten.
Pflicht zum konkreten Handeln
Das zeigen uns auch die Erfahrungen, die wir an der Universitätsmedizin Essen mit der Digitalisierung gemacht haben. 2015 haben wir die Entwicklung zum Smart Hospital zu unserem Ziel erklärt. In unserem Verständnis vom Smart Hospital geht es darum, mithilfe digitaler Lösungen und Prozesse den Menschen deutlich stärker als bisher in den Mittelpunkt zu rücken. Neben einer besseren, sichereren und maximal patientenorientierten Krankenversorgung geht es um die Entlastung unserer Beschäftigten, indem die Pflege und medizinisches Personal von sich wiederholenden, administrativen Tätigkeiten entlastet werden. Das Green Hospital ist keine neue Erfindung, sondern die logische Konsequenz und Weiterentwicklung auf dem Weg zum Krankenhaus der Zukunft.
Dieses wäre unvollkommen, wenn es „nur“ um Digitalisierung und medizinisch geprägte Aufgaben gehen würde. Das Krankenhaus von morgen muss größer und ganzheitlicher gedacht werden – als Anbieter medizinscher Leistungen mit einem hohen Anteil an Prävention, als zentrale Steuerungsplattform des Gesundheitssystems, aber eben auch als relevanter Akteur bei der Schaffung einer gesunden, auf das Wohlergehen der Menschen ausgerichteten Umwelt. Der Weg zum Smart Hospital war der notwendige erste Schritt. Jetzt geht es darum, den erreichten Grad der Digitalisierung, die effizienten Strukturen, aber auch die Erfahrungen zu nutzen, in einem zweiten Schritt mit dem Green Hospital einen maßgeblichen Beitrag der Medizin zu Klimaschutz und Ressourcenschonung zu leisten.
Prof. Dr. Jochen A. Werner ist Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen.