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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Masern-Impfpflicht: Für den Herdenschutz

Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Ein Kinder- und Jugendarzt vergleicht die ab 1. März geltende Masern-Impfpflicht mit der Anschnall- und Helmpflicht. Das Recht auf Selbstbestimmung werde hier berechtigt durch den Staat ausgesetzt. Abzuwarten bleibt, wie streng kontrolliert wird, meint der Kinderdok.

von Kinderdok

veröffentlicht am 28.02.2020

aktualisiert am 02.03.2020

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Ab kommenden Sonntag, dem 1. März, gilt die Masern-Impfpflicht in Deutschland. Der Bundestag beschloss sie zum Schutz des Einzelnen, insbesondere der Kinder, die nicht geimpft werden können, etwa weil sie eine Immunschwäche haben oder an einer chronischen Krankheit leiden. Sie sind angewiesen auf den so genannten Herdenschutz: Je mehr Menschen gegen eine Erkrankung geimpft sind, desto weniger Übertragende gibt es, weil weniger Erreger zirkulieren. Da Deutschland im internationalen Vergleich unterhalb der benötigten Prozentzahl Geimpfter liegt, erhofft sich die Bundesregierung durch die Impfpflicht eine Erhöhung dieser Zahl und damit eine Eliminierung der Masern.

Kinder nach dem ersten Geburtstag müssen ab dem 1. März 2020 eine erfolgte Masernimpfung vorweisen, bevor sie in einer Gemeinschaftseinrichtung wie Kindergarten, Kita oder Heim aufgenommen werden. Ab dem zweiten Geburtstag sind es zwei Impfungen. Bei Kindern, die bereits in einer Einrichtung versorgt sind, verlängert sich die Nachweispflicht bis zum 31. Juli 2021. Hatten die Kindern bereits die Masern oder besteht eine Kontraindikation gegen die Impfung, braucht es ein ärztliches Attest. Ohne Nachweis erhält ein Neuzugang keinen Platz, bei bereits Betreuten kann ein Ausschluss aus der Einrichtung erfolgen. Die Verantwortung für die Kontrolle des Impfschutzes obliegt der Kitaleitung, die einen fehlenden Nachweis namentlich dem Gesundheitsamt melden muss.

Prinzipiell gilt das Gleiche für Schulkinder, allerdings ist wegen der Schulpflicht ein Ausschluss nicht so einfach möglich. Die Schulen müssen eine Meldung an das zuständige Gesundheitsamt veranlassen, dieses wird auf ein Nachholen der Impfung drängen, ansonsten drohen den Eltern Bußgelder bis 2500 Euro.

Noch eine andere Gruppe fällt unter die Impfpflicht: Mitarbeitende in Gesundheitsberufen und betreuenden Einrichtungen, Erzieher und Lehrerinnen, aber auch Hebammen, Heilpraktiker und Ärztinnen. Ebenso deren Mitarbeitende, wie MFAs, Hausmeister, Personal in Reinigung, Küche und Transport. Wir wissen noch nicht, wie streng die Auflagen kontrolliert werden, ebenso wenig, welche Schlupflöcher geöffnet werden, um die Impfpflicht im Allgemeinen zu umgehen. Gefälschte Atteste zu abgelaufenen Infektionen oder angeblichen Kontraindikationen kursieren bereits. Impfgegner-Gruppen planen eine Verfassungsklage.

Erstmals nach Aussetzen der Pockenimpfung und dem Ende der DDR wird mit der Masernimpfpflicht das Recht des Einzelnen durch die Fürsorge des Staates gestützt. Beim Einführen der Anschnallpflicht und der Helmpflicht für Motorradfahrer wurde ebenso entschieden. Der gesundheitliche Schutz des Individuums obliegt dem Staat so sehr, dass hier das Recht auf Selbstbestimmung ausgesetzt wird. Bei einer Impfpflicht geht der Staat noch weiter: Das neue Gesetz schützt Personen, die ihr Recht nicht selbst einfordern können: Wenn Eltern ihrem unmündigen Kind eine Impfung verweigern, gibt eine Impfpflicht dem Kind das Recht auf präventive Gesundheit zurück. Der Bundestag zeigt damit auch, dass er wissenschaftliche Erkenntnisse über die falschen Informationen von Impfgegnern stellt.

Der Kinderdok ist Kinder- und Jugendarzt und Kolumnist beim Tagesspiegel.

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