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Standpunkte Von der Pandemie zur Endemie – was es zu beachten gilt

Gerald Wiegand, Country Director Germany bei Moderna
Gerald Wiegand, Country Director Germany bei Moderna Foto: Moderna

Zum Übergang von der Corona-Pandemie in die Endemie fehle noch viel Klarheit, meint Gerald Wiegand im Standpunkt. Der Country Director Germany bei Moderna warnt davor, im kommenden Jahr eine Monopolstellung bei der Versorgung mit COVID-19-Impfstoffen zu schaffen. Wettbewerb sei von Vorteil für alle Beteiligten – und das nicht nur im Corona-Kontext.

von Gerald Wiegand

veröffentlicht am 21.12.2022

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Nun beginnt sie wieder, die besinnliche Zeit und mit ihr die Rückblicke auf das zu Ende gehende Jahr 2022. Mögliche Schwerpunkte für dergleichen, seien sie politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich oder sportlich, gibt es zu Genüge. Ein Thema wird wahrscheinlich in keiner Jahresrückschau fehlen: das Thema Corona und auch COVID-19-Impfstoffe. Ich weiß nicht, ob Impfstoffhersteller dann eine Rolle spielen werden, das müssen sie auch gar nicht. Aber Fakt ist: Mit ihren mRNA-Plattformen haben sie entscheidend dazu beigetragen, das Pandemiegeschehen im Jahr 2022 weitestgehend in den Griff zu bekommen.

Erfolgreiche Entwicklung, Produktion, Beschaffung und Einsatz von Impfstoffen während der Corona-Pandemie waren die Grundlage, weite Teile der Bevölkerung schnell und niedrigschwellig vor schweren Erkrankungen schützen zu können. Kurzum: Menschen, die sich durch eine Impfung schützen wollten, konnten dies jederzeit tun. Ärzt:innen, Apotheker:innen und die Bürger:innen selbst konnten aus verschiedenen Impfstoffen verschiedener Hersteller auswählen. Manche Expert:innen empfahlen den Menschen sogar die bewusste Impfung mit unterschiedlichen Impfstoffen in heterologer Reihenfolge. Ärztliche Therapiefreiheit eben. Zum Erfolg hat der politische Wille beigetragen, entsprechende Impfkapazitäten schnell aufzubauen. Das hat die erforderliche Planungssicherheit für Hersteller geschaffen und zu massiven Investitionen in Forschung und Produktion geführt. Dies hat den Standort Europa und die Lieferketten gestärkt.

Und nun kommt zum nahenden Jahresende auch noch der beruhigende Ausblick auf das vermeintliche Ende der Pandemie. Wir alle wechseln also bald in die „Regelversorgung“, wie es fachlich heißt. So weit, so gut. Wirklich?

Unsicherheiten werfen Schatten auf die COVID-19 Versorgung im Jahr 2023

Ich hoffe nicht, dass wir am Neujahrsmorgen mit einem gehörigen Kater aufwachen. Aber einiges deutet leider darauf hin, wenn es um diese „COVID-19 Zeitenwende“ geht. Denn noch fehlt zum Übergang von der Pandemie in die Endemie viel Klarheit. Diese können wir aber gemeinsam herstellen. Denn wenn wir eines im Umgang mit SARS-CoV-2 gelernt haben, dann ist es, dass sich das Virus leider nicht an das Tempo politischer Entscheidungen oder gesellschaftlicher Trends für oder gegen das Impfen anpasst. Endemie heißt, das Virus bleibt, und damit Gesundheitsrisiken vor allem für die über 30 Millionen Menschen in Deutschland in den Risikogruppen. Warum ist das überhaupt erheblich, wo doch Impfstoffe zumindest bis zum Frühjahr 2023 in Deutschland ausreichend zur Verfügung stehen sollten? 

Außerordentliche Verordnungen und Verträge der Europäischen Kommission im Auftrag der Mitgliedsländer mit Impfstoffherstellern haben zu der oben beschriebenen hohen Versorgungssicherheit beigetragen. Verordnungen und auch Verträge laufen teilweise bereits zum 31. Dezember 2022 aus.

Wenn aber nun die Perspektive für COVID-19-Impfstoffhersteller in Deutschland schwer planbar ist, was sind dann die logischen Konsequenzen? Die Antwort kennt jeder Unternehmer und jede Unternehmerin. Sie würden einen Markt depriorisieren müssen. Nutzen wir die Zeit der Weihnachtsfeiertage und spinnen diesen Gedanken einmal weiter. Was würde also passieren, wenn dieses Szenario eintreten würde?

Ein unnötiges Bedrohungspotenzial könnte entstehen

Eigentlich benötigt man keine Weihnachtsferien, um sich mögliche Auswirkungen auszudenken. Ich sehe folgenden Fragenkomplex, der politisch beantwortet werden muss, falls ein Anbieter von mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffen nicht mehr im Impfstoffportfolio verfügbar wäre, weil es keine Planungssicherheit gäbe:

1. Ist der Schutz der Bevölkerung gefährdet?

Die mRNA-Technologie war ein Garant dafür, dass Impfstoffe schnell entwickelt werden konnten. Das gilt im Weiteren auch für die zügige Anpassung an neue Varianten. Die Wissenschaft ist sich recht einig, dass sich das Virus auch im „endemischen Setting“ weiterentwickeln wird. Ziemlich sicher werden wir also mit den bisherigen Impfstoffen nicht auskommen. Wir sprechen aber immer noch von Forschung. Manchmal ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Was würde nun passieren, wenn ein mRNA-Impfstoff eines allein im Markt verbleibenden Herstellers aus irgendeinem Grund die Erwartungen nicht erfüllt? Woher würde Deutschland dann einen anderen mRNA-Impfstoff nehmen?

2. Ist die Versorgungssicherheit gewährleistet?

Alle Impfstoffhersteller sind qualitativ hochwertig arbeitende Unternehmen. Keine Frage. Was aber, wenn es Engpässe gibt? Sei es, weil es ein Problem mit der Logistik gibt, sei es, weil Chargen nicht den zu Recht hohen behördlichen Ansprüchen genügen. Manchmal ist es gut zu fragen: „Was wäre wenn …?“ Fatal, wenn dies bei nur noch einem einzelnen verbleibenden Hersteller passieren würde. Wie könnte diese Lücke schnell gefüllt werden?

3. Wäre Therapiefreiheit eingeschränkt?

Das deutsche Gesundheitswesen ist unter anderem deshalb so leistungsfähig, weil alle Beteiligten im Gesundheitswesen und Patient:innen in der Regel aus mehreren Therapien auswählen können. Diese Therapiefreiheit trägt ganz wesentlich zur Qualität der Gesundheitsversorgung in unserem Land bei. Das betrifft mRNA-basierte und andere Impfstoffe gleichermaßen. Wenn es aber nur noch einen Hersteller mit Impfstoffen auf mRNA-Basis geben sollte, wäre dann diese Therapiefreiheit nicht eingeschränkt? 

4. Ist Wettbewerb gegeben?

Während die ersten drei Punkte unmittelbare Auswirkungen auf die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland hätten, bleibt meiner Ansicht nach noch ein weiterer Grundsatz, der das deutsche Wirtschaftssystem so erfolgreich macht: ein funktionierender Wettbewerb. Da macht auch der Arzneimittelmarkt keine Ausnahme. Eine ungleiche Behandlung seitens der Politik – hier vertragliche Sicherheit mit dem einen, keine Planungssicherheit für einen anderen Hersteller, da keine Vertragsbasis mehr besteht – würde diesem Grundsatz zuwiderlaufen. Monopolähnliche Strukturen wären von Nachteil für alle Beteiligten im Gesundheitssystem. Vor allem Wettbewerb treibt Firmen zu Innovationen an; auch – oder gerade – bei der Weiterentwicklung der mRNA-Technologie.

Aus all diesen Gründen ist noch viel zu tun: Der Übergang in die Regelversorgung steht an, aber bitte in einem geordneten Übergang. Es gilt, Verordnungen maßvoll zu überführen und vertragliche Zusammenarbeiten auf die neue Situation auszurichten, ohne diese abrupt zu beenden. Warum jetzt, wo die dramatischsten Herausforderungen der Pandemie überwunden sind, von der Sicherheit des Impfstoffportfolios abrücken?

Auch wenn es überraschen mag, schnelles Handeln ist jetzt erforderlich! Die Gesundheit der Menschen in unserem Lande sollte bei allen politischen Herausforderungen auch im Jahr 2023 eine Priorität sein. Das Virus macht keine Pause.

Gerald Wiegand ist Country Director Germany bei Moderna.

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