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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Lkw mit Bio-LNG sind ein Irrweg

Fedor Unterlohner, Lkw-Experte bei Transport & Environment
Fedor Unterlohner, Lkw-Experte bei Transport & Environment Foto: T & E

Bei der Energieagentur Dena wird heute über Bio-LNG im Transportsektor diskutiert. Einer der Teilnehmer, Fedor Unterlohner von der Organisation Transport & Environment, erklärt, warum das keine gute Lösung ist. Weder nachhaltiges Biomethan noch synthetisches E-Methan aus Ökostrom werden ausreichend skalierbar oder erschwinglich sein, um den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren.

von Fedor Unterlohner

veröffentlicht am 19.11.2021

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Die Gasindustrie behauptet, dass mit verflüssigtem Methan (LNG) betriebene Lkw im Vergleich zu herkömmlichen Diesel-Lkw Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen erheblich senken können, und zwar unabhängig davon, ob sie mit fossilem oder erneuerbarem Kraftstoff betankt werden.

Um dies zu testen, hat die Organisation Transport & Environment jüngst die Emissionen eines Diesel- und eines LNG-Lkw von Iveco, dem führenden Hersteller von gasbetriebenen Nutzfahrzeugen, unter realen Fahrbedingungen messen lassen.

Die Ergebnisse sind ernüchternd: LNG-Lkw sind nicht besser für das Klima als Diesel-Lkw, weder bei den Treibhausgasen noch bei den Luftschadstoffen. Basierend auf dem Erderwärmungspotenzial über einen Zeitraum von 100 Jahren reduzierte der LNG-Lkw die Treibhausgasemissionen (THG) im Vergleich zum getesteten Diesel-Lkw nur um 7,5 Prozent. Über einen Zeitraum von 20 Jahren verursachte der LNG-Lkw wegen des über die Zeit zerfallenden Methans sogar 13,4 Prozent höhere THG-Emissionen als der Diesel-Lkw. Eine vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie kam vergangenes Jahr zu ähnlichen Ergebnissen.

LNG-Lkw von Iveco schlechter als Diesel-Lkw von Scania

Selbst wenn man nur die CO2-Emissionen am Auspuff betrachtet, ändert sich das Bild nicht: Als der International Council on Clean Transportation (ICCT) kürzlich die offiziellen Berichterstattungsdaten über neu zugelassene Lkw analysierte, stellte er fest, dass die LNG-Lkw von Iveco schlechter abschneiden als die sparsamsten Diesel-Lkw von Scania.

Und entgegen den Behauptungen des Herstellers, dass seine LNG-Lkw die Feinstaub-Emissionen reduzieren würden, zeigen unsere Praxistests auch, dass die Luftschadstoffe hinsichtlich der Partikelmasse als auch der Partikelzahl höher sein können als bei Diesel-Lkw. Der getestete LNG-Lkw emittierte eine ungewöhnlich große Anzahl an ultrafeinen Feinstaubpartikeln, die zunehmend als besonders gesundheitsschädlich gelten und derzeit unter der Euro VI Norm nicht reguliert sind.

Die Ergebnisse stehen in starkem Kontrast zu den Behauptungen der Industrie: LNG sei eine praktikable „Brückentechnologie“, mit der die Treibhausgasemissionen von Lkw auf der Straße sofort reduziert und die Flotte in Zukunft mit erneuerbarem Methan betrieben werden könnte.

Das Problem ist, dass weder nachhaltiges Biomethan noch synthetisches E-Methan aus erneuerbarem Strom ausreichend skalierbar oder erschwinglich sein werden, um den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren. Fortschrittliches Biomethan ist nur in begrenzten Mengen verfügbar. Unsere Analyse zeigt, dass das inländische Biomethanpotenzial selbst mithilfe extrem hoher Subventionen – bis zum Sechsfachen des Verkaufspreises von fossilem LNG – lediglich 18 Prozent des erwarteten Energieverbrauchs des deutschen Schwerlastverkehrs im Jahr 2050 decken könnte.

Die Ausschöpfung dieses Potenzials käme den deutschen Steuerzahler nicht nur teuer zu stehen, sondern würde auch bedeuten, dass kein Biomethan für den Strom-, Gebäude- und Industriesektor übrig bliebe, wo dessen Vermeidungspotenzial dringend benötigt wird.

Wir müssen uns ehrlich machen: Keine LNG-Tankstelle in Deutschland liefert derzeit verflüssigtes Biomethan an LNG-Lkw. Und nur 17 Prozent der heutigen deutschen Biomethanproduktion, das zumeist verstromt und in Wärme umgewandelt wird, wird aus nachhaltigen Abfällen und Reststoffen gewonnen.

Fossiles LNG käme aus den USA und Russland

In Europa gibt es heute noch keine groß angelegten Gasverflüssigungsanlagen. Die ersten werden voraussichtlich erst ab 2023 in der Lage sein, größere Mengen Bio-LNG für den deutschen Markt zu liefern. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil des LNG für gasbetriebene Lkw auf absehbare Zeit weiterhin aus Übersee importiert werden wird, unter anderem aus den USA und Russland, zwei Ländern, die mit hohen Methanleckagen entlang der Kraftstoff-Lieferkette zu kämpfen haben.

Was E-Methan anbelangt, so werden bis 2030 keine signifikanten Mengen zur Verfügung stehen, und etwaige Mengen, die in den 2030er-Jahren auf den Markt gebracht werden könnten, kämen für die Dekarbonisierung des Lkw-Verkehrs zu spät und wären hinsichtlich der Gesamtbetriebskosten wesentlich teurer als emissionsfreie Antriebe.

Die Fortsetzung der Investitionen in Fahrzeuge und LNG-Tankstellen würde daher aufgrund der Inkompatibilität mit den Klimazielen verlorene Vermögenswerte schaffen und wegen fehlender erneuerbarer Alternativen zu einem fossilen Lock-in-Effekt führen. Solange einige Lkw-Hersteller, Spediteure und Infrastrukturbetreiber weiterhin in diese Technologie investieren, haben sie ein Eigeninteresse daran, diese Investitionen zu schützen.

Da nicht genügend erneuerbares Methan zu wettbewerbsfähigen Kosten zur Verfügung stehen wird, würde die Branche stattdessen auf fossiles Erdgas zurückgreifen (müssen), um den Kraftstoffbedarf einer wachsenden LNG-Flotte zu decken.

Es ist nicht mit dem Ziel der Klimaneutralität vereinbar, Zeit und Geld in eine Technologie zu investieren, die, wenn überhaupt, nur einen geringen Nutzen für das Klima bringt und in den nächsten 20 Jahren sogar höhere Treibhausgasemissionen verursachen kann. Stattdessen sollte sich Deutschland im Schwerlastverkehr auf emissionsfreie Antriebe konzentrieren und schädliche Subventionen für Gas-Lkw abschaffen.

Vier Hebel für schnellen Markthochlauf von E-Antrieben

Dazu zählt, die derzeitige Mautbefreiung für Gas-Lkw unverzüglich zu beenden, auch um nicht weiter gegen geltendes EU-Recht zu verstoßen. Mit der geplanten CO2-basierten Lkw-Maut könnten Gas-Lkw nach der neuen Eurovignetten-Richtlinie von einer limitierten Mautermäßigung profitieren, allerdings erst ab 2023. Bis es soweit ist, muss für Gas-Lkw die gleiche Maut wie für Diesel-Lkw erhoben werden, sonst riskiert die neue Bundesregierung ein Vertragsverletzungsverfahren.

In Deutschland gilt außerdem ein extrem niedriger Steuersatz für im Straßenverkehr genutztes Methan, und zwar unabhängig davon, ob es sich um fossiles Erdgas oder fortschrittliches Biomethan handelt. Zumindest Ersteres sollte nicht mehr von diesem Steuervorteil profitieren. Darüber hinaus sollte sich die neue Bundesregierung dafür einsetzen, die Ziele für CNG- und LNG-Infrastruktur in der EU-Verordnung für den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zu streichen.

Die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs ist eine zentrale verkehrspolitische Aufgabe. Bis 2030 müssen bereits 75 Prozent der Lkw-Neuzulassungen emissionsfrei sein, um die Klimaziele zu erreichen. Dafür hat die Ampelkoalition vier Hebel für einen schnellen Markthochlauf von elektrischen Antrieben: die Einführung einer CO2-basierten Lkw-Maut, eine ambitionierte Revision der Lkw-Flottengrenzwerte auf EU-Ebene, einen Masterplan Hochleistungsladeinfrastruktur sowie einen emissionsfreien städtischen Lieferverkehr bis zum Ende des Jahrzehnts. Umweltschädliche Ablenkungen wie Gas-Lkw sollten dagegen keine Rolle mehr spielen.

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