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Werkstattbericht Datenlabore in der Verwaltung? Nur mit dem richtigen Ökosystem.

Faruk Tuncer über die Voraussetzungen für erfolgreiche Datenlabore.
Faruk Tuncer über die Voraussetzungen für erfolgreiche Datenlabore. Foto: Polyteia

Um Datenlabore erfolgreich zu etablieren, muss die Verwaltung die Technologien, Expertise und Kapazitäten externer Partner nutzen, schreibt Polyteia-CEO Faruk Tuncer in seinem Werkstattbericht. So könne es gelingen, effizient und einrichtungsübergreifend zu arbeiten und Datensilos zu überwinden.

von Faruk Tuncer

veröffentlicht am 27.06.2023

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Experten ranken das Thema Datenmanagement im Themenradar des Kompetenzzentrums Öffentliche IT seit Jahren immer höher. Aktuell gehört es zu den drei Top-Themen. Das hat auch die Bundesregierung erkannt. Im Jahr 2021 hat sie in allen 14 Bundesministerien und im Kanzleramt Datenlabore eingerichtet. Diese gelten als fachlich unabhängige Kompetenzzentren, in denen Daten unter Aufsicht eines Chief Data Scientists erhoben und analysiert werden. Und nicht nur dort. Auch in vielen Landesbehörden und Kommunen gibt es neben IT-Verantwortlichen immer mehr Chief Data Officer oder Scientists, die den Datenbedarf der fachlichen Abteilungen decken sollen.

Kein leichtes Unterfangen. Es gibt viele Datensilos in Fachverfahren und Registern. Darüber hinaus sind die Erwartungen an die Datenlabore und deren Verantwortliche hoch. Evidenzbasierte Entscheidungen sollen getroffen werden. Mit Hilfe von KI sollen Antragsprozesse beschleunigt und automatisiert werden oder die Kommunikation mit Bürgern erleichtert. Daten werden überall gebraucht. Der schwierigste Job ist es, die Daten aus den Silos zu befreien und zu bereinigen für die unterschiedlichen Use Cases. Dafür benötigt man Datenplattformen, technische Infrastruktur sowie das entsprechend geschulte Personal, wie etwa Data Analysts und Engineers.

Das gesamte Tech-Ökosystem einbinden

Blickt man auf die aktuellen Projekte in Bund, Ländern und Kommunen, dominieren vor allem große Entwicklungsprojekte mit Unterstützung von Fördermitteln das Geschehen. Es sollen Datenplattformen gebaut und Use Cases erarbeitet werden. Vor 20 Jahren wäre das die richtige Strategie gewesen. Heute ist das jedoch in den meisten Fällen ein Ansatz mit kurzer Halbwertszeit. Denn es fehlt an Personal. Schon heute mangelt es auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung an etwa 39.000 IT-Experten. Und dieser Mangel wird auch in Zukunft bestehen. Mit Blick auf Tarifstruktur und Gehalt ist der öffentliche Sektor im Anwerben von Daten- und IT-Fachkräften nicht wettbewerbsfähig.

Damit der Aufbruch in die datenbasierte Verwaltung über Datenlabore erfolgreich gelingt, bedarf es der Einbindung des gesamten Tech-Ökosystems in Deutschland. Datenlabore sollten die Technologien, Expertise und Kapazitäten externer Partner souverän orchestrieren und für sich nutzen, um Use Cases nachhaltig zu realisieren. Es beginnt dabei mit der Technologie. Auf Landes- und Bundesebene werden Softwareprogramme oft parallel entwickelt. Dies ist sehr zeit- und ressourcenaufwendig. Denn nicht jede öffentliche Verwaltungseinrichtung benötigt eine eigene Datenplattform.

Individualsoftware-Projekte führen nicht nur dazu, dass Daten nicht zentral zugänglich sind, sondern auch dazu, dass die Plattformen nicht von externen Anbietern genutzt werden können. Eine zu hohe Diversität und Heterogenität erzeugen einen zu großen Schulungsaufwand – sowohl für externe als auch für Behörden, die diese nutzen wollen.

Standard-Baukästen etablieren, um Externe einzubinden

Um Externe effizient und bestmöglich zu schulen, bedarf es einiger weniger Standard-Baukästen. Die Nutzung ausgewählter staatlicher und privatwirtschaftlicher Plattformen, die klare Standards bieten, kann von internen Datenlaboren sowie externen Dienstleistern schnell erlernt werden. Sie müssen nicht immer wieder in neue Softwareprojekte eingearbeitet werden – stattdessen können sie sich als Experten für eine einheitliche Software etablieren und diese nutzen, um Datenprodukte zu entwickeln.

Auf diese Weise wird ein effizientes, einrichtungsübergreifendes Arbeiten ermöglicht. Deshalb nutzen beispielsweise alle Kommunen und Landesbehörden im Saarland die Datenplattform von Polyteia, um mit dem öffentlichen IT-Dienstleister verschiedene Use Cases abzubilden. Würden einzelne Kommunen oder Landesbehörden eigene Software-Entwicklungen starten, würde dies enorme Ressourcen und Zeit binden. Zudem wäre kein optimales Ergebnis garantiert, da Fachkräfte und Knowhow in diesem Bereich weltweit rar sind.

Öffentliche Verwaltungen stehen oft vor dem Problem, dass rechtliche Hürden die Konsultation externer Experten erschweren. Die Vergabe von Technologien und personeller Unterstützung erfordert ausgearbeitete Verträge, die gewisse Rahmenbedingungen einhalten. Um jedoch nicht gänzlich mit der Herausforderung des Aufbaus eines Tech-Ökosystems allein zu bleiben, kann der öffentliche Verwaltungssektor auf bereits bestehende Rahmenverträge von etablierten Dienstleistern zurückgreifen, um mit neuen Partnern zusammenzuarbeiten.

Privatwirtschaft hat Tech-Ökosysteme bereits erfolgreich etabliert

Auf diese Weise wird ein einfacher Zugang zu notwendigen Dienstleistungen für die Erstellung von Datenprodukten sowie zu etablierter Technologie und Software gewährleistet. Zudem flexibilisieren die Gesetzgeber die Rahmenbedingungen gerade in Richtung Start-ups zunehmend. Beispielsweise pilotiert das Land Baden-Württemberg die freihändige Vergabe an Start-ups für Vertragsvolumina bis 100.000 Euro im Rahmen einer mehrjährigen Pilotphase.

Erfolgreiche Tech-Ökosysteme um verschiedene Technologien und Sektoren herum zu schaffen ist im Datenmanagement kein Novum. Im Privatsektor haben große Tech-Plattformen wie Snowflake oder Databricks offene De-facto-Standards geschaffen, an die sich sehr große etablierte und mittelständische Unternehmen angeschlossen haben. Ohne diese wäre der Einsatz von KI im Bankensektor oder Online-Handel undenkbar.

Was Banken oder komplexe Logistik-Unternehmen geschafft haben, das schafft der öffentliche Sektor unter hohem Personaldruck ebenfalls. Dafür braucht es seitens der Führungsebene eine klare strategische Ausrichtung sowie Rückendeckung für die vielen Chief Data Officers und Datenverantwortlichen im öffentlichen Sektor.

Faruk Tuncer ist CEO und Gründer des Start-ups Polyteia. Er beschäftigt sich mit einem modernen Datenmanagement in Kommunen und schreibt an dieser Stelle regelmäßig über das Trennende und Gemeinsame aus der Welt der Start-ups und der Verwaltung.

Bisher von ihm in dieser Rubrik erschienen: „Die Angst vor dem Kontrollverlust“„Agilität auf die harte Tour“„Schluss mit Excel-Tabellen!“„Deutschland denkt zu kompliziert“„Alles selber machen ist keine Lösung“„Die Energiewende braucht digitale Kommunen“, „Mehr Standards, mehr Souveränität“„Tschüss Excel, hallo Datenmanagement“ und „Mit Low-Code/No-Code gegen den Fachkräftemangel“ und „Warum On-Premise-Software bald ins Museum gehört.“

Transparenzhinweis: Polyteia ist eine Beteiligung der DvH Ventures, die ebenso wie der Tagesspiegel zur Mediengruppe Dieter von Holtzbrinck gehört.

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