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Smart City

Standpunkte Den ländlichen Raum nicht vergessen

Herbert Daschiel, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Herbert Daschiel, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Foto: Marianne Träger, StMELF

Der ländliche Raum wird im Gegensatz zu Großstädten und Metropolregionen bei der Digitalisierung immer noch oft vernachlässigt. Wie man dem im Freistaat Bayern entgegenwirken will, erklärt Herbert Daschiel vom dortigen Landwirtschaftsministerium. Mit Modellprojekten in die Fläche zu kommen, sei zwar wichtig, es brauche aber dennoch passgenaue Lösungen für einzelne Kommunen.

von Herbert Daschiel

veröffentlicht am 22.03.2022

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Der ländliche Raum ist Heimat für mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Auch die Menschen dort erwarten attraktive Lebens-, Wohn- und Arbeitsbedingungen, die denen der Großstädte und Metropolregionen nicht gleichen, aber gleichwertig sind. Der ländliche Raum steht jedoch vor großen Herausforderungen. Dazu zählen der demografische Wandel, der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der Klimawandel und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Gleichzeitig gilt es, die vorhandenen Potenziale zu entwickeln, die Eigenkräfte zu stärken und die neuen Chancen, wie die der Digitalisierung, zu nutzen.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Digitalisierung ist die Errichtung einer flächendeckenden und leistungsfähigen Breitband-Infrastruktur und Mobilfunkversorgung. Um die so genannten „Grauen Flecken“ zu schließen, sind noch größere Kraftanstrengungen des Bundes, der Länder und Kommen notwendig.

Die Digitalisierung stellt gerade kleinere Kommunen vor neue Herausforderungen. War früher noch eine Webseite ausreichend, so sind heute eher Instagram, Snapchat und Open Data seitens der jüngeren Bürgerinnen und Bürger gefragt, während sich die ältere Generation oft abgehängt fühlt durch die rasante Entwicklung immer neuer digitaler Angebote. Viele Kommunen sehen sich daher zunehmend dem Druck ausgesetzt, digitale Technologien und Lösungen zu nutzen, sind aber oft fachlich und personell nicht in der Lage, dies geeignet umzusetzen. Zu oft wird das Rad neu erfunden, in ungeeignete und teure Technologien investiert und die gleichen Fehler wie in anderen Kommunen wiederholt.

Unser Ansatz in Bayern

Im Rahmen des Projekts „Digitales Dorf“ wurden die Potenziale, die sich durch Digitalisierung eröffnen, in fünf Regionen Bayerns untersucht. Ziel der Digitalen Dörfer war es, die Möglichkeiten der Unterstützung gleichwertiger Lebensverhältnisse in strukturschwachen ländlichen Regionen mittels digitaler Technologien und Dienste im Rahmen eines Feldversuchs zu testen und am Konkreten und heute bereits Machbaren anzusetzen. Der Fokus lag in einer synergetischen, ganzheitlichen Umsetzung in verschiedenen Lebensbereichen (Medizinische Versorgung, Arbeit, Bildung, Mobilität, Nahversorgung mit Lebensmitteln etc.) und der Entwicklung und Bereitstellung digitaler Lösungen und Services. Die Lösungen wurden bewusst lizenzkostenfrei, einfach bedienbar, modular aufbauend und so an die individuellen Bedürfnisse anpassbar und personalisierbar konzipiert sowie in einem Bottom-up-Ansatz gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt.

In den Digitalen Dörfern konnten aus unserer Sicht wesentliche regionale Impulse für einen erfolgreichen digitalen Wandel generiert werden. In der Projektumsetzung zeigten sich Synergien mit hohem Potenzial. Erste Kosten-Nutzen-Rechnungen erlaubten die Prüfung der Übertragung der entwickelten Lösungen und Services. Allerdings wurde auch deutlich, dass die „Plug & Play“-Bereitstellung der Lösungen nicht zielführend ist und dass diese in die auf die Kommune zugeschnittene Digitalisierungsstrategie eingebettet sein müssen. Zudem müssen die Beschäftigten der Verwaltung befähigt werden, die entwickelten digitalen Lösungen zu nutzen und mit Informationen zu befüllen.

Wir müssen in die Fläche kommen

Damit aber die Lösungen und Services bei den Nutzern, den Bürgerinnen und Bürgern, auch angenommen werden, ist es erforderlich, diese in einem Bürgerdialog intensiv zu beteiligen und mit Informations- und Weiterbildungsangeboten bedarfsgerecht zu begleiten. Erst wenn eine „kritische Masse“ an Nutzern erreicht ist, werden der Nutzen offensichtlich und die Lösungen nachhaltig etabliert. Gerade kleine Kommunen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten sind bei der Digitalisierung auf externe Begleitung und Förderung angewiesen.

Wie können nun möglichst viele Kommunen und sonstige Akteure vor Ort von den Erfahrungen der Digitalen Dörfer profitieren und der weitere Roll-out verstärkt werden? Dazu hat die Bayerische Verwaltung für Ländliche Entwicklung das Modellprojekt „Smarte Gemeinde“ gestartet und insgesamt zehn Kommunen in einem Teilnahmewettbewerb ausgewählt, die jeweils mit anderen Gemeinden in Integrierten Ländlichen Entwicklungen in verschiedenen Handlungsfeldern zusammenarbeiten und darin eine Multiplikatorenrolle bei der Digitalisierung einnehmen. Zunächst entwickeln die Modellkommunen mit externer Begleitung jeweils eigenständige Digitalisierungsstrategien, ehe Lösungen und Services aus dem Projekt Digitales Dorf angepasst und bedarfsgerecht eingeführt werden. Ergebnis des Modellprojekts ist ein Digitalisierungs-Leitfaden, der zusammen mit Lern- und Multiplikatoreneffekten die Grundlage für eine möglichst eigenständige digitale Transformation in den ländlichen Kommunen bilden soll.

Die Digitalisierung ist ein zentraler Zukunftsfaktor, der neue Chancen und Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Es liegt an uns, diese zu nutzen und damit den ländlichen Raum zu stärken sowie die Lebensqualität nachhaltig zu steigern.

Herbert Daschiel leitet seit 2015 das Referat Vermessung und Informationstechnik, Qualitätsmanagement im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in München. Zuvor war er mehrere Jahre als Projektleiter Land- und Dorfentwicklung im Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern tätig. Am Donnerstag spricht er bei den „22. Münchner Tagen für nachhaltiges Landmanagement“ über die „Rolle der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung bei der digitalen Transformation“.

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