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Smart City

Standpunkte Smart Regions sollten mit der Landwirtschaft kooperieren

Brigitte Petersen, Sprecherin Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz
Brigitte Petersen, Sprecherin Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz Foto: Wilhelm Petersen

In Bezug auf Nachhaltigkeitsziele, Daseinsvorsorge und Krisenmanagement sind landwirtschaftliche Betriebe für Smart Regions wichtige Parntner, schreibt Brigitte Petersen von der Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz. Dafür müssten aber Modellprojekte und aktuell entstehende Marktplätze besser vernetzt werden, fordert sie.

von Brigitte Petersen

veröffentlicht am 23.02.2023

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Viele Kommunen in ländlichen Regionen müssen gerade jetzt ihrer Verantwortung im multiplen Krisenmanagement neben vielfältigen Daueraufgaben der Daseinsvorsorge gerecht werden. Eine Mammutaufgabe, die angesichts fehlender personeller und finanzieller Ressourcen kaum allein zu realisieren ist. Gerade in Krisen hat sich gezeigt, wie wichtig hier das grenzübergreifende Engagement aus der Landwirtschaft und den ortsgebundenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ist.

Schon seit Jahren ist es das politische Ziel, europaweit die Voraussetzungen für Smart-Region-Ökosysteme zu verbessern. Deutschland liegt hier leider recht abgeschlagen im Vergleich zu anderen Nachbarländern lediglich auf den mittleren Plätzen. Doch die multiplen Krisenauslöser der vergangenen beiden Jahre wie die historische Flutkatastrophe an der Ahr und an weiteren Nebenflüssen des Rheins, Pandemien sowie die Verknappung von Energie und Lebensmitteln waren das Alarmsignal dafür, Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung ad hoc an einen Tisch zu bringen.

Betroffene Kommunen fordern ganzheitliche Konzepte

Deshalb haben wir mit der Europäischen Dienstleistungsgenossenschaft Education and Qualification Alliance (EQAsce) gemeinsam mit betroffenen Unternehmen, Kommunen und Hilfsnetzwerken zur Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz (Wir-Region) zusammengeschlossen. Außerdem organisiere ich den im November 2022 eingerichteten Runden Tisch „Grenzübergreifende Public-Private-Partnership Strukturen im Krisenmanagement“. Dort konzipieren wir digitale PPP-Strukturen für das Krisenmanagement und diskutieren kurzfristige Finanzierungsmöglichkeiten für grenzübergreifende Modellprojekte.

Die Teilnehmenden am Runden Tisch fordern aufgrund der zu Tage getretenen Unzulänglichkeiten und Versäumnisse im Krisenmanagement von Bund, Ländern und Kommunen, endlich aufeinander abgestimmt zu handeln. Kurzfristig müssen mediale und digitale PPP-Kommunikationsstrukturen zwischen unterschiedlichen Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Bereich zur Krisenprävention und -bewältigung zur Verfügung stehen. Ebenenübergreifendes PPP-Krisenmanagement zukünftig leisten zu können, muss als Daueraufgabe in allen Regionen begriffen werden.

Es braucht daher gesamtheitliche Konzepte für die digitale und effiziente Entwicklung von Regionen und die schnelle Umsetzung neuer PPP-Strukturen. Hierzu ist gerade jetzt die Zeit reif. In Modellprojekten und besonders betroffenen Modellregionen besteht eine große Bereitschaft, den Aufbau von medialen und digitalen Ökosystemen für Wiederaufbau und Krisenmanagement voranzutreiben und dabei die Innovationskraft aus der Wirtschaft zu nutzen.

One-Health-Ansatz setzt auf Synergien

Konzepte für Smart-Region-Modellregionen beinhalten nicht nur technische, sondern gleichzeitig organisatorische, wirtschaftliche und sozioökonomische Innovationen für drängende PPP-Aufgaben. Es handelt sich dabei immer um Aufgaben, die gemeinsam von der öffentlichen Verwaltung mit der Wirtschaft vor Ort übernommen werden.

In den meisten Landkreisen ländlicher Regionen sind dies jeweils ein Bündel von Maßnahmen. Die Vorreiter-Regionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie diese Maßnahmen so geschickt miteinander verbinden, dass bereits bei der Planung und Entwicklung rund um Daseinsvorsorge, Klimaziele sowie Krisenprävention und -bewältigung Synergien entstehen.

Gut beraten sind die Regionen, sich dabei an einem One-Health-Ansatz zu orientieren. Das heißt, ein integratives Management von Gesundheitsrisiken sicherzustellen. Die Heuristik von One Health ist ein kollaborativer, multisektoraler und transdisziplinärer Ansatz, der auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene arbeitet. Das bedeutet, fünf Risikobereiche gemeinsam im Blick zu halten: Gesundheit der Menschen, der Tiere und Pflanzen, der Umwelt (also Boden, Wasser und Luft), der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung sowie des internationalen Handels.

Landwirtschaftliche Betriebe als wichtige Akteure

In allen fünf Feldern der Risikobetrachtung kommt eine besondere Rolle landwirtschaftlichen Betrieben zu. Sie tragen eine hohe Verantwortung bei der Erzeugung sicherer Lebensmittel, Vermeidung der Ausbreitung von Tierseuchen und bei der Wiederherstellung landwirtschaftlicher Bodenwerte nach Schadstoffbelastungen als Folge von Flutkatastrophen.

Als organisatorisch-technische Innovation haben die EQA-Mitglieder im letzten Jahr mit Förderung des Europäischen Innovationspartnerschaft Agri NRW die erste auf landwirtschaftliche Betriebe zentrierte webbasierte Cloud-Plattform im Betreibermodell einer Genossenschaft an den Start gebracht. Über diese Plattform kommunizieren die landwirtschaftlichen Betriebe mit ihren Marktpartnern. Zukünftig soll auch die Kommunikation mit Veterinärbehörden, Umweltämtern und Gesundheitsämtern webbasiert über diese Plattform möglich sein.

Aufgrund der Genossenschaftsstruktur sind die landwirtschaftlichen Betriebe sowohl Nutzer als auch Mitbesitzer und aktive Mitgestalter der IT-Dienstleistungen. Hürden vor Ort in der Implementierung von PPP-Strukturen gilt es dabei mit fokussierter Kraft vor allem dort auszuräumen, wo hohe Nutzungszahlen erreicht werden können. Bundesweit stehen rund 11.000 Kommunen rund 256.000 landwirtschaftlichen Betrieben mit 16,6 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche gegenüber, für die sie verantwortlich sind.

Förderprojekte lassen Landwirtschaft außen vor

Parallel zur Weiterentwicklung der auf landwirtschaftliche Betriebe zentrierten EQA-Plattformgenossenschaft laufen derzeit vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung mit einer Gesamtsumme von fast 34 Millionen Euro geförderte Projekte, bei denen der Begriff „Region“ in den Projektthemen enthalten ist: Die Smarten Landregionen und die Zukunftsregionen Nord, Ost, West und Süd.

Bei beiden Fördermaßnahmen sind landwirtschaftliche Betriebe entweder von der Förderung aus- oder nicht direkt in die Entwicklung eingeschlossen. Wir erwarten trotzdem wertvolle Synergie-Effekte, weil die EQA-Plattformgenossenschaft sich mit den koordinierenden Stellen der insgesamt 12 Teilprojekten in den nächsten Jahren intensiv über das Format des Runden Tischs austauschen wird. Denn ohne die Einbeziehung innovativer landwirtschaftlicher Betriebe in neue „Verantwortungsgemeinschaften“ wird die Vision der Smart Region scheitern.

Geplant ist deshalb eine engere Zusammenarbeit der beiden genossenschaftlichen Organisationen Govdigital und EQAsce. Auf diese Weise könnten zwei Marktplätze digitaler Lösungen entstehen: Bei Govdigital für Kommunen orientierte IT-Lösungen der öffentlichen Seite und bei EQAsce für auf landwirtschaftliche Betriebe orientierte IT-Dienstleistungen auf privatwirtschaftlicher Seite. Aufeinander abgestimmt können sie das Fundament für den Aufbau neuer grenzübergreifender PPP-Strukturen bilden.

Eins ist klar: Smart Region braucht ein schlüssiges Konzept und weitere aufeinander abgestimmte Modellprojekte, um maßgeschneiderte digitale Dienste sowie die gewünschten Lern- und Multiplikatoren-Effekte zu erzielen.

Brigitte Petersen ist die Vorstandsvorsitzende der Europäischen Dienstleistungsgenossenschaft Education and Qualification Alliance. Sie hat die Funktion der Sprecherin der Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz und Organisatorin des im November 2022 eingerichteten Runden Tischs „Grenzübergreifende Public-Private-Partnership Strukturen im Krisenmanagement“. An der Landwirtschaftlichen Fakultät der Exzellenz Universität Bonn lehrt sie im Fach Krisen-,Risiko- und Qualitätsmanagement in Wertschöpfungsketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft.

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