Wie jedes Jahr sind die letzten Tage kurz vor Weihnachten und dem bevorstehenden Jahreswechsel voller Wünsche und guter Vorsätze. Beim Blick auf die aktuelle Situation der Verwaltungsdigitalisierung ist die Liste der Wünsche und vor allem der guten Vorsätze traditionell besonders lang. Zwar gibt es kleine Fortschritte zu vermelden, gleichzeitig wächst aber die Liste mit Defiziten und neuen Aufgaben deutlich. Auch das scheint „gute Tradition“ zu sein. In diesem Jahr wird allerdings besonders genau hingeschaut, denn im Onlinezugangsgesetz (OZG) ist das Jahresende eigentlich als Frist für die Umsetzung des Gesetzes festgeschrieben.
Es erscheint dennoch wenig sinnvoll, jetzt lange Diskussionen zu führen, ob das OZG ein Erfolg ist, ob es noch ein Erfolg werden könnte oder ob (mal wieder) ein Digitalisierungsvorhaben der öffentlichen Verwaltung gescheitert ist. Stattdessen sollten sich alle Akteure der Frage zuwenden, welche Schlüsse aus den fünf Jahren Umsetzung gezogen werden können. Dabei muss endlich die Perspektive der Kommunen eine zentrale Rolle spielen.
Vor Ort in Städten, Gemeinden und Kreisen wird die Verwaltungsdigitalisierung umgesetzt. Gleichzeitig sind sie als bürgernächste Ebene auch stets der erste Adressat, wenn es um Versäumnisse geht – unabhängig davon, ob es sich um die Zuständigkeit des Bundes, der Länder oder der Kommunen handelt. Wie sieht also der „Wunschzettel“ der Kommunen für das kommende Jahr aus? Und welche guten Vorsätze sollten Bund und Länder fassen, um wirkliche Fortschritte bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu erzielen?
Mehr Klasse statt Masse
Um eine wirkliche Entlastung für die Verwaltungen zu schaffen und gleichzeitig durch kürzere Bearbeitungszeiten den Service für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu verbessern, sollten wir uns in Zukunft auf die Etablierung durchgehend digitaler Prozesse konzentrieren. Um rasch positive Effekte zu erzielen, muss mit den stark nachgefragten Verwaltungsprozessen begonnen werden. Das Ziel, 500 Verwaltungsleistungen und mehr zu digitalisieren, führt zwangsläufig zu „halbgarer“ Umsetzung.
Online ausfüllbare Anträge sind ein Indiz dafür, dass die entscheidenden Schritte bei der Digitalisierung noch nicht gegangen wurden. Diese Schritte liegen innerhalb der Verwaltung. Sie sind aufwändig, teuer und erfordern vielfach auch eine Anpassung der Abläufe und der gesetzlichen Vorgaben. Ein Blick auf die kommenden Aufgaben der Kommunen, etwa bei der Bearbeitung von unzähligen zusätzlichen Wohngeldanträgen, macht aber deutlich, dass hier immense Entlastungspotenziale schlummern.
Digitale Kompetenzen in den Verwaltungen stärken
Immer wieder weisen die Kommunen darauf hin, dass es in den Verwaltungen an Personal und Know-how für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben fehlt. Es muss also in den kommenden Jahren darum gehen, Kompetenzen innerhalb der Verwaltungen aufzubauen. In den vergangenen Jahren ist sehr viel Geld auf allen Ebenen für externe Beratung aufgewendet worden.
Abgesehen davon, dass der Erfolg überschaubar geblieben ist, trägt ein solches Vorgehen auch nicht dazu bei, das Know-how in Bundes-, Landes- und kommunalen Verwaltungen nachhaltig zu stärken. Daher sollten wir hier umsteuern und zukünftig einen Schwerpunkt auf die Aus- und Weiterbildung und den Kompetenzaufbau legen. Dies trägt entscheidend dazu bei, die digitale Souveränität zu stärken.
Finanzierung langfristig sicherstellen
Ja, auch Geld gehört auf den Wunschzettel. Die Kommunen müssen zur Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben finanziell deutlich besser ausgestattet werden. Dies ist in den vergangenen Jahren versäumt worden. Dort, wo die größten Aufwände für die Digitalisierung liegen, sollten auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stehen. Nur so kann es gelingen, die inneren Verwaltungsprozesse zu digitalisieren und die notwendigen Anpassungen und Implementierungen vorzunehmen.
Kommunen haben wenig Vorteile von „Einer für Alle“-Leistungen (EfA) auf Marktplätzen, wenn für deren Nutzung hohe Anpassungsaufwände entstehen, die nicht finanziert werden können. Die Mittel für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung dürfen nicht länger nur zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden.
Registermodernisierung ernst nehmen
Derzeit noch weitgehend im Verborgenen haben mit der Registermodernisierung die Arbeiten an einem zentralen Digitalisierungsvorhaben begonnen. Die digitale Nutzbarkeit der verschiedenen Register ist ein wichtiger Baustein für durchgehend digitale Prozesse und das Zielbild einer antragslosen Verwaltung. Allerdings zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Aufwände gerade für die Kommunen immens sein werden. Dennoch steht die Finanzierung dieses großen Umbauprojektes auf tönernen Füßen. Hier sind Bund und Länder gefordert, dieser Großbaustelle den entsprechenden Stellenwert einzuräumen und für eine Finanzausstattung zu sorgen, die der Bedeutung des Vorhabens gerecht wird.
Mehr Transparenz und bessere Kommunikation
Während der OZG-Umsetzung vollzogen sich viele Prozesse im Verborgenen, Einflussmöglichkeiten der Kommunen als umsetzende Ebene waren kaum vorhanden. Wenn keine Transparenz herrscht und keine Kommunikation stattfindet, können auch die Bedarfe der Kommunen als Nutzer nicht berücksichtigt werden. Dies wirkt sich sowohl negativ auf die Qualität der digitalen Angebote als auch auf die Motivation in den Kommunen aus. Gutes Veränderungsmanagement erfordert ehrliche Kommunikation über Ziele und Fortschritte, aber auch über Fehler und Versäumnisse.
Hier liegt ein entscheidender Unterschied zu „Marketing“ oder dem Herausstellen von Erfolgen. Nicht zuletzt muss es auch darum gehen, die politischen Einflussmöglichkeiten der Kommunen deutlich zu stärken. Eine beratende Mitgliedschaft im Bund-Länder-Gremium IT-Planungsrat ist gut, reicht aber mit Blick auf die von Städten, Gemeinden und Kreisen zu bewältigenden Aufgaben bei weitem noch nicht aus. Erfolgreiche Digitalisierung lässt sich nicht mit tradierten Politikmustern gestalten.
Alexander Handschuh, Politikwissenschaftler, ist seit
2006 für den Deutschen Städte- und Gemeindebund tätig. Seit 2015 führt er dort das
Referat für Planung, Politik, Koordination und Kooperationen. Bis 2017
leitete er das Büro des Hauptgeschäftsführers. Seit 2018 ist er als Sprecher unter anderem für die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit, für politische Grundsatzfragen und Grundsatzfragen der
Digitalisierung verantwortlich. Zudem ist
Alexander Handschuh seit 2022 Geschäftsführer des Innovators Club, einer
kommunalen „Ideenschmiede“, in der rund 80 Bürgermeister, Oberbürgermeister und
Landräte an Zukunftsthemen arbeiten.