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Standpunkte Finden wir den schmalen Grat zwischen Datenhoheit und Geschwindigkeit?

Alexander Wallner, CEO von Plusserver
Alexander Wallner, CEO von Plusserver Foto: Plusserver GmbH

Ein neues Gesetz soll die Digitalisierung in der Verwaltung vorantreiben. Doch wie schnell ist zu schnell, wenn die Datenhoheit und damit das Vertrauen in den digitalen Staat gefährdet wird? Um weiterhin eine transparente Datenverarbeitung zu garantieren, müssen Open-Source-Softwares mehr genutzt werden, sagt CEO von Plusserver Alexander Wallner.

von Alexander Wallner

veröffentlicht am 06.07.2023

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Die Ampelregierung ist mit vielen Versprechen angetreten. Eines davon: Die Digitalisierung der Verwaltung. Allein bis 2022 sollten 575 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert werden. „Sollten“ ist hier das Schlüsselwort. Denn auch weiterhin dominieren hochgradig manuelle Prozesse, Zettelwirtschaft und veraltete Technik. Hinzu kommt der Personalmangel in Verwaltungen, Ämtern und Behörden landauf und landab. Wir alle wissen: Es hakt in den deutschen Behörden. Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist also mehr als überfällig und kann – gut aufgesetzt – Prozesse vereinfachen und beschleunigen.

Wie schnell ist zu schnell?

Nun soll das Gesetz zur Digitalisierung der Verwaltung eine neue Grundlage schaffen, den öffentlichen Sektor technologisch zu modernisieren. Doch ohne die Berücksichtigung der speziellen Anforderungen an die IT in der öffentlichen Verwaltung und den Fokus auf Datenhoheit, droht diese Digitalisierung zu scheitern. Wenn der öffentliche Sektor einfach die üblichen Wege der freien Wirtschaft kopiert und beispielsweise auf Hyperscaler setzt, dann würde die Digitalisierung wohl an Geschwindigkeit gewinnen. Aber dadurch entstehen Abhängigkeiten zu eben diesen Anbietern, die zudem in der Regel nicht aus Europa, geschweige denn Deutschland kommen. Daten von Bürgerinnen und Bürgern könnten dadurch beispielsweise auf US-amerikanischen Servern landen. Das kann und darf also kein Teil der Überlegungen sein.

Der Verantwortung ist sich die Verwaltung auch heute schon mehrheitlich bewusst und meidet daher viel zu oft die technologischen Möglichkeiten. Die Digitalisierung aber aus Angst vor eventuellen Fehltritten kaum bis gar nicht anzugehen, ist schließlich auch keine Lösung. Daher gilt es, die zuvor erwähnte Datenhoheit konsequent strategisch aufzustellen und zum Grundsatz der Digitalisierung des öffentlichen Sektors zu machen. Das bedeutet nicht automatisch, dass alle Schritte inhouse aufgebaut und gemanagt werden müssen. Vielmehr müssen vor allem die wichtigsten und persönlichsten Informationen besonders geschützt werden – also die Informationen zu Bürgerinnen und Bürgern. Denn sollten diese sehr persönlichen Daten nicht ausschließlich dort liegen, wo sie liegen sollten – bei den Behörden und der Verwaltung – dann wird das Vertrauen in den digitalen Staat zerstören.

Open-Source-Software als Lösung

Die Regierung hat dies in ihrem Gesetzesentwurf zur Digitalisierung der Verwaltung schon mit bedacht. In § 4 Abs. 3 des Ende Mai vorgestellten Regierungsentwurfs heißt es: „Bei der Bereitstellung der IT-Komponenten […], soll dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, Open-Source-Software vorrangig vor solcher Software eingesetzt werden, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt.“

Kurzum: Open-Source-Software wird die Grundlage für die Datenhoheit im öffentlichen Sektor. Dies eröffnet viele Vorteile. Ein zentraler Punkt: Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Datenverarbeitung. Die öffentliche Hand behält also die Kontrolle über die Infrastruktur und damit die Datenhoheit.

Die Datenhoheit muss der zentrale Punkt in der Digitalisierungsstrategie der Verwaltung werden und bleiben. Gleichzeitig gilt es, pragmatisch zu denken. „Dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist”, soll Open-Source vorrangig eingesetzt werden, schreibt die Bundesregierung. „Dort, wo es für die Datenhoheit absolut erforderlich ist, muss Open-Source genutzt werden”, sollte es außerdem heißen. Das bedeutet: Informationen und Daten von Bürgerinnen und Bürgern sollten auf keinen Fall unter Einhaltung des Prinzips der Datenhoheit mit wenig bis gar nicht durchsichtigen Software-Strukturen in Berührung kommen. Open-Source wird also in diesem inneren Kreis der Datenhoheit unersetzbar werden.

Wirtschaftlichkeit und Datenhoheit miteinander denken

Gleichzeitig haben aber andere Lösungen absolut ihre Berechtigung im öffentlichen Sektor – und sollten auch aus wirtschaftlicher Sicht eingesetzt werden. Alle Prozesse, die nicht in der Datenverarbeitung von Bürgerinnen- und Bürgerinformationen eingesetzt werden, sollten nicht umständlich umgestellt und in Open Source neu aufgesetzt werden. Zwischen diesen beiden Polen gibt es zahlreiche Anwendungsfälle, bei denen Open-Source- und andere Lösungen gezielt eingesetzt und ineinandergreifen sollten. Auf diese Weise werden Wirtschaftlichkeit und Datenhoheit nicht gegeneinander aufgewogen, sondern miteinander gedacht.

Die Bundesregierung hat mit ihrem Entwurf für das Gesetz zur Digitalisierung der Verwaltung einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Aufnahme des Fokus auf Open-Source-Software ist absolut richtig und wichtig. Wir brauchen als Grundlage für die Digitalisierung eine mutige Politik, wir brauchen Leitlinien und wir brauchen einen pragmatischen Blick auf die Digitalisierung, ohne den Fokus auf Datenhoheit zu verlieren.

Der gezielte Einsatz von Open-Source-Lösungen ermöglicht am Ende einen zukunftsorientierten, nachhaltigen und vertrauenswürdigen digitalen Wandel. Es ist höchste Zeit, dass wir den nächsten Schritt in Richtung einer modernen und bürgernahen Verwaltung gehen.

Alexander Wallner ist seit Juli 2021 CEO der Plusserver-Gruppe. In dieser Position ist er für die operative Geschäftsstrategie, das Go-to-Market der Produkte und Lösungen sowie den Ausbau des starken Partner-Ökosystems verantwortlich. Als CEO konzentriert sich Wallner bei Plusserver darauf, die digitale Transformation des öffentlichen Sektors sowie des deutschen Mittelstands voranzutreiben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Ausrichtung des Cloud-Angebotes des Gaia-X-Gründungsmitglieds Plusserver auf aktuelle Kundenbedürfnisse im Bereich Datensouveränität.

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