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Smart City

Standpunkte Kein Open Data ohne Datenhoheit

Thomas Werner, Open-Data-Koordinator der Stadt Münster
Thomas Werner, Open-Data-Koordinator der Stadt Münster Foto: Thomas Werner

Offene Daten bereitzustellen, ist für Kommunen aus diversen Gründen nicht einfach. Helfen könnten mehr Leitfäden, Vorgaben und Standards von Bundes- und Landesebene, glaubt Thomas Werner, Open-Data-Koordinator der Stadt Münster. Er argumentiert, das Thema müsste schon bei Auftragsvergaben stärker mitgedacht werden.

von Thomas Werner

veröffentlicht am 04.05.2023

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Man kann wohl sagen, dass sich inzwischen alle darüber einig sind, dass die proaktive Veröffentlichung kommunaler Daten als Open Data nur positive Seiten für unsere Gesellschaft hat und eigentlich Standard sein sollte. Auf Landes- und Bundesebene gibt es bereits Datenportale zum Sammeln und Verteilen von kommunalen Daten, und auch in den Kommunalverwaltungen selbst gibt es viele Fürsprecher für die Bereitstellung von Daten als Open Data.

Allerdings ist das „Wie und Wo“ der Datenbereitstellung ansonsten nicht geklärt: Kommunen sind bei den juristischen Detailfragen bisher allein gelassen und müssen für jeden Datensatz selbst klären, ob sie die Daten überhaupt veröffentlichen dürfen. Bei Infrastrukturinformationen könnte es Sicherheitsrisiken geben, bei Geo- sowie Bevölkerungsinformationen besteht das Risiko von Personenbeziehbarkeit und bei zugekauften Daten müssen die vertraglichen Regelungen passen.

Auch gibt es in den meisten Fachbereichen keine technischen oder inhaltlichen Standards für Open-Data-Veröffentlichungen. Fachanwendungen ohne Open-Data-Schnittstellen sind die Regel und die Datenbereitstellung muss in Kommunen oft händisch geschehen. Das macht den Open-Data-Start für Verwaltungen schwierig und kostenaufwendig. Daher ist es wichtig, dass im Bereich Open Data für Kommunen deutschlandweit einheitliche Vorgehensweisen und Standards festgelegt werden.

Muster-Vertragsklauseln können helfen

Eine sehr gute Initiative ist zum Beispiel der Leitfaden „Datensouveränität im Kontext von Open Data“ vom Land NRW, der viele juristische Aspekte der Datenbereitstellung klärt: Darin enthalten sind unter anderem Mustervertragsklauseln, die von Kommunen nach Bedarf in IT-Verträge eingesetzt werden können, um sicherzustellen, dass sowohl rechtlich als auch technisch Zugriff auf die Daten besteht, die zum Beispiel in einer kommunalen Anwendung verarbeitet werden.

In Münster nutzen wir seit 2021 solche Klauseln in einem Musterlastenheft für Neuanschaffungen von IT-Verfahren. Das rückt diese Themen bei der Beschaffung von Fachanwendungen in den Blick und macht sie vergleichbar. Es ermöglicht uns, im Vorfeld zu prüfen, ob Produkte Datenschnittstellen besitzen und die Möglichkeiten zur Weiternutzung von Daten bestehen. Erfreulich ist, dass spezielle Open-Data-Schnittstellen in bestimmten Anwendungskategorien wie Politik, Statistik oder Mobilität bereits vereinzelt angeboten werden. Allerdings funktionieren diese Schnittstellen je nach Anwendung nur mehr oder weniger gut und die Weiterentwicklung ist schwierig, da Open Data für viele IT-Verfahrenshersteller noch ein Nischenthema ist und solche Entwicklungen nicht priorisiert werden können, nur weil eine Handvoll Kommunen das gern hätte.

Daher sind auch Initiativen wie „The New Hanse“ in der Stadt Hamburg oder das Data-Governance-Modellprojekt in Berlin sehr wichtig. Dort wird das Thema Datenbereitstellung ganz konkret an Pilotprojekten durchgespielt. In Zusammenarbeit von Verwaltung und externen Akteuren werden dabei nicht nur die rechtlichen Themen, sondern auch technische Fragen im Zusammenspiel erprobt. Genau das braucht es und neben der notwendigen Beachtung, die diese Projekte dem Thema Daten geben, sind wir auch sehr gespannt auf die Blaupausen für andere Städte, die dort entstehen.

Kommunen müssten an einem Strang ziehen

Aber wie kommen wir dahin, dass solche Blaupausen und Mustervertragsklauseln flächendeckend eingesetzt werden? Die Kommunen müssten überhaupt erstmal davon erfahren und dann müssten sie es auch lokal umsetzen. Denn nur wenn Standards überall eingesetzt werden, können sie ihre Wirkung entfalten. Die Hersteller werden erst gut funktionierende Datenschnittstellen anbieten, wenn genügend Kommunen diese Forderung stellen. Und auch auf der juristischen Seite können Kommunen zum Beispiel in Verhandlungen mit großen amerikanischen Konzernen erst etwas bewirken, wenn alle mit einheitlichen Vertragsklauseln an einem Strang ziehen.

Die Lösung könnte in einer Überarbeitung der EVB-IT Vertragsbedingungen liegen, den sogenannten „ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“. Diese sind im kommunalen Bereich als Standard-Vertragswerk quasi Pflicht. In diese Vorlagen eingebracht, könnten entsprechende Klauseln, die die kommunale Datenhoheit sicherstellen, schnell auf breiter Basis ihre Wirkung entfalten. Gerade kleinere Kommunen besitzen in diesem Bereich wenig Know-How und verlassen sich darauf, dass die IT-Dienstleister das richtige tun und dass die EVB-Standardverträge die wichtigsten Dinge regeln.

Auch andere Themen, die in der freien Wirtschaft längst Standard sind, könnten bei der Gelegenheit in den EVB-IT-Verträgen einen Platz bekommen, wie zum Beispiel „Service Level Agreements“, mit denen die Leistungsqualität vertraglich festgeschrieben wird. Ich habe keinen allzu tiefen Einblick in dieses Thema und hoffe, dass es nur Ausnahmen sind, aber ich war überrascht, dass überhaupt noch versucht wird, IT-Verträge zu schließen, in denen weder Reaktionszeiten noch Vertragsstrafen definiert sind, falls der IT-Dienstleister die Leistungsqualität nicht erfüllt. Das sind wichtige Dinge und hier liegt in der Erweiterung der EVB-IT-Vertragsklauseln sehr großes Potenzial, sowohl für Open Data als auch allgemein für die Qualität der IT-Services der Verwaltung.

Thomas Werner ist seit 2019 Open-Data-Koordinator der Stadt Münster, als Mitglied im Team Digitalisierung beim städtischen IT-Dienstleister Citeq. Er betreut die kommunalen Datenveröffentlichungen und leitet aktuell das Smart-City-Projekt Digifarm MS zur Förderung von Open-Source-Software. Der Wirtschaftsinformatiker engagiert sich außerdem ehrenamtlich in der Open-Data-Szene.

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