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Smart City

Standpunkte Kommunen müssen BIM aktiv angehen

Cornelius Preidel, Professor für Digitales Planen und Bauen
Cornelius Preidel, Professor für Digitales Planen und Bauen Foto: Karoline Glasow

Für Kommunen stelle sich nicht mehr die Frage, ob sie BIM nutzen sollten, sondern nur noch wie, schreibt Cornelius Preidel. Denn die Vorteile der Methode seien mittlerweile offenkundig. Ein Blick ins Ausland zeigt, welches Potenzial in BIM steckt. Doch auch in Deutschland gehen einige Städte bereits voran.

von Cornelius Preidel

veröffentlicht am 09.05.2023

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Die Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche steht seit Jahren auf den Agenden von Wirtschaft und Politik, wenn es darum geht, mehr Kosten- und Zeitsicherheit, mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Transparenz in die Branche zu bringen. Verbunden wird das Erreichen dieser Ziele vor allem mit der Kollaborations- und Digital-Methode Building Information Modeling, kurz BIM. Und das zu Recht. Denn mit BIM wird im Idealfall bereits mit Start der Planungen ein digitaler Zwilling des zu erstellenden Bauwerks modelliert, in dem unterschiedlichste Informationen über den gesamten Lebenszyklus des Bauprojekts digital abgebildet werden, also von der Planung über den Bau und Betrieb bis hin zum Abriss.

Neben der dreidimensionalen Darstellung des Bauwerks können Zeiten und Kosten, Nachhaltigkeit und Effizienz sowie Informationen für das Facility Management in das digitale Modell integriert werden. Durch Simulationen wird es somit möglich, die Bauwerke mitsamt der dazugehörigen Prozesse zu optimieren. Oder anders ausgedrückt: Es wird besser gebaut – im Hoch- und Tiefbau, im Industrie- oder im Infrastrukturbau. Oder aber, um im noch größeren Kontext zu denken, um smarte Städte zu entwickeln, die zugleich den Erfordernissen Leistungsfähigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit entsprechen.

Doch die Einführung von BIM kommt in Deutschland bislang nur schleppend voran. Das liegt auch an der Vielzahl von Akteuren, die an jedem Bauprojekt beteiligt sind. Diese an digitalen Modellen zusammenzuführen, ist eine enorme Herausforderung. Arbeitet dann noch jedes Unternehmen mit eigener BIM-Software, macht dies eine flächendecke BIM-Nutzung nicht einfacher. Standards, Schnittstellen und offene Software-Produkte sind daher eine der Grundvoraussetzungen für die digitale Transformation – alles Punkte, für die sich Building Smart Deutschland (BSD) seit Jahrzehnten mit konkreten Standards und Lösungen einsetzt.

Finnische Gemeinden vergeben 95 Prozent der Bauanträge papierlos

Eines der Projekte bei Building Smart Deutschland, das konkrete Mehrwerte, insbesondere auf kommunaler Ebene, mit sich bringen wird: die Digitalisierung der Musterbauordnung, an der BSD federführend mitarbeitet. Bauprojekte werden immer komplexer, dazu kommt der Fachkräftemangel: BIM ist geradezu dafür prädestiniert, diese Herausforderungen zu bewältigen. Heute müssen die Konsequenzen und der Einfluss eines jeden Bauwerks auf seine Umwelt deutlich detaillierter und sorgfältiger betrachtet werden, als dies früher noch der Fall war.

In anderen Ländern führte dies bereits zu konkreten Maßnahmen und Vorgaben. Das Beispiel Finnland zeigt, dass die digitale Baugenehmigung funktioniert. Dortige Städte und Gemeinden vergeben inzwischen 95 Prozent aller Baugenehmigungen im Rahmen eines webbasierten und papierlosen Antrags- und Prüfungsverfahrens. Auch andere Länder, wie zum Beispiel Japan, planen konkret in diese Richtung. Und was ist mit Deutschlands Kommunen? Hierzulande gibt es Initiativen auf unterschiedlichsten Ebenen. Meist sind diese vom Bund initiiert, wie zum Beispiel der „Masterplan für die Digitalisierung im Bundesfernstraßen-Bau“ des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr oder die „Umsetzungsstrategie BIM für Bundesbauten“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.

Nur vereinzelt existieren Initiativen auf regionaler und kommunaler Ebene. Ein Beispiel hierfür ist BIM Ruhr. In dem Projekt erprobten Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft BIM modellhaft anhand von Pilotprojekten aus den Bereichen Hoch-, Tief- sowie Infrastrukturbau im Mittleren Ruhrgebiet. Ein Ergebnis des im März 2023 abgeschlossenen Projekts: ein Leitfaden, der Kommunen als Grundlage dienen kann, um regionale Projekte mit digitalen Methoden im Sinne von BIM bewerkstelligen zu können – angereichert mit zahlreichen Mustervorlagen.

Stuttgart will bis 2030 Bauwerke digital planen und bewirtschaften

Noch einen Schritt weiter ist Stuttgart. Der Gemeinderat der baden-württembergischen Landeshauptstadt hat im Februar 2023 beschlossen, Bauwerke bis zum Jahr 2030 digital planen, errichten und bewirtschaften zu wollen. Durch die Verwendung von BIM will die Stadt Entscheidungen verbessern, Fehler frühzeitig identifizieren und Änderungen während der Bauausführung reduzieren. Außerdem will sie damit das Energiekonzept, die Wartungs- und Instandhaltungsprozesse sowie die CO2-Bilanzierung und Rückführung von Baustoffen optimieren.

Damit sind gleichzeitig maßgebliche Herausforderungen der Städte und Gemeinden angesprochen, die allesamt auch Bestandteil einer Smart City sind: zukunftsfähige Energiekonzepte, Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten, Abfall und Recycling. Und auch bei den dringend benötigten Mobilitätslösungen unterstützt BIM, können doch Schienen- und Straßeninfrastrukturprojekte mit der Methode nachhaltiger sowie zeit- und kosteneffizienter zum Abschluss gebracht werden.

BIM bietet großes Potenzial für Klimaanpassungsmaßnahmen

Für Städte und Kommunen stellt sich daher nicht mehr die Frage nach „BIM, ja oder nein?“, sondern nach „Wie BIM?“. Zahlreiche Anwendungsbeispiele und Pilotprojekte geben auf diese Frage Antwort, ebenso Netzwerke wie das von Building Smart Deutschland, dessen Mitglieder aus allen Bereichen des Planens, Bauens und Bereibens kommen, aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft. Auf dieses Wissen lässt sich auf unterschiedlichsten Wegen zugreifen.

Ebenso hat das Kompetenznetzwerk zusammen mit dem VDI einen Standard für BIM-Weiterbildungen entwickelt, nach dem Schulungsanbieter zertifiziert werden. Die Hürde „mangelndes Know-how“ lässt sich so überwinden. Und ansonsten gilt mein Appell: Vorbereitet zu sein, ist viel Wert – denn immerhin sind 75 Prozent der bis 2050 benötigten Infrastruktur noch nicht gebaut. Kommunen bietet sich damit die einmalige Gelegenheit, sich mit der Anpassung an den Klimawandel und dem Klimaschutz zu befassen und den Bedarf an Wohnraum, gerade auch an sozialem, zu decken. Mit BIM ist das möglich.

Cornelius Preidel lehrt und forscht an der Hochschule München im Bereich Digitales Planen und Bauen mit einem Schwerpunkt auf modellbasierter Zusammenarbeit und Qualitätssicherung. Über das Institut für angewandte Bauinformatik (Iabi) ist er sowohl an internationalen Forschungsprojekten im Bereich der Digitalisierung des Bauwesens sowie an der von Building Smart International durchgeführten Softwarezertifizierung beteiligt. Im Mai 2023 übernimmt Preidel die Position des Vorstandsvorsitzenden bei Building Smart Deutschland von Rasso Steinmann.

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