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Smart City

Standpunkte Marktplätze für ein digitales Deutschland

Foto: Paul Probst/Fraunhofer IESE

Bei der Beiratssitzung für den Smart-City-Stufenplan ging es auch wieder um einen möglichen Marktplatz für Smart-City-Lösungen. Was genau auf diesem Marktplatz angeboten werden soll, ist noch strittig. Gerald Swarat und Steffen Stess vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) fordern einen offenen Marktplatz, auf dem Lösungen aus Förderprogrammen, Forschung und der Privatwirtschaft Platz finden.

von Gerald Swarat und Steffen Hess

veröffentlicht am 20.03.2024

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Frei zugängliche, öffentliche Plätze spielen als das politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Herzstück seit der Antike eine bedeutende Rolle im städtischen Leben. Deshalb eignen sich Marktplätze gut als Metapher einer digitalen Distributionsplattform für kommunale „Software-as-a-Service“. Sie sind ein integraler Baustein einer deutschlandweit flächendeckenden Bereitstellung digitaler Verwaltungsleistungen und der Daseinsvorsorge, die über Fachverfahren hinausgehen, um auch nicht zuletzt im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse, Teilhabe und Chancengleichheit in Stadt und Land anzustreben.

Sie sind auch nötiger denn je, denn insbesondere die Stellungnahme des Normenkontrollrates unterstrich als Konsequenz des „ernüchternden Ergebnisses“ einen „fortschreitendem Vertrauensverlust in den Modernisierungswillen und die Handlungsfähigkeit von Verwaltung und Politik“ sowie eine zunehmende Überforderung der Verwaltungen. Der Normenkontrollrat fordert außerdem, dass EfA-Prinzip aufzugeben und stattdessen das Augenmerk auf EfA-Standards und EfA-Basiskomponenten zu lenken, „um föderal verteilte IT-Systeme und Softwareprodukte interoperabel zu machen und einen innovationsförderlichen Wettbewerb im Bereich öffentlicher IT abzusichern“. Das sollte auch die Motivation für einen Marktplatz von Lösungen der Daseinsvorsorge sein.

Braucht Deutschland einen Marktplatz für Smart-City/Region-Lösungen?

Zurecht wird also immer häufiger die Frage aufgeworfen, ob Deutschland einen Marktplatz für Smart City und Region-Lösungen benötige. Wir bejahen das aus oben genannten Gründen, da ein Marktplatz ein wesentliches Element zur Verbreitung von Smart City und Region Lösungen in der Fläche sein sollte.

Allerdings scheint bei einigen Stakeholdern eine Angst vor offenen Marktplätzen umzugehen, eine digitale Platzangst, die zu „closed shops“ in der Verwaltungsdigitalisierung führt. Aber warum? Bauen nicht alle Ministerien gemeinsam mit Unternehmen und Forschung in Förderprogrammen Softwarelösungen, die prinzipiell in den Bereich der Daseinsvorsorge fallen? Häufig stehen die geförderten Lösungen sogar als Open-Source-Software zu Verfügung. Parallel entstehen aber auch gute Lösungen, die unabhängig von Förderprogrammen rein aus dem Markt heraus entstehen.

Warum sollten aber dann diese Lösungen nicht ebenfalls auf Marktplätzen anderen Kommunen zur Verfügung gestellt werden? Einerseits wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Tech-Unternehmen und Start-ups ebenso wie die Skalierung in die Breite gefordert, andererseits will man die Lösungen dann aber nicht verbreiten – selbst, wenn diese unter Einsatz von Steuergeldern entwickelt wurden?

Der Marktplatz soll seine Regeln selbst festlegen

Dabei ist die Lösung gar nicht schwer, denn ein Marktplatz kann seine Spielregeln selbst bestimmen. So gingen auch die Athener im antiken Griechenland vor: Dort wurde der Markt durch Grenzsteine umfasst, um ein ungehindertes Bebauen zu verhindern. Verbrechern und anderen unerwünschten Leuten wurde der Zutritt auch verwehrt.

In unserer zunehmend digitalisierten Welt müssen die Spielregeln zwar nun angepasst werden, aber das Prinzip bleibt dasselbe: Es werden Anforderungen definiert, die in einem Auditierungsprozess abgefragt und kontrolliert werden, wie zum Beispiel Sicherheitsmechanismen, Qualitäten, Interoperabilitätsindex, Barrierefreiheit, Bürger- und Unternehmenskonto, eID, Datenaustauschinfrastruktur, Bezahlfunktionen und viele mehr.

Doch vorab sollte überlegt sein, was ein Marktplatz leisten müsste, um Bedürfnisse von Kommunen zu erfüllen. Er sollte unserer Erfahrung nach zumindest folgendes darstellen:

  • Übersicht über Angebote und Dienstleistungen
  • Vergleich von Lösungen
  • Unterstützung bei der Durchführung des Vergabeverfahrens
  • Beschaffung und Betrieb von Lösungen (auch im Sinne von Software-as-a-Service)
  • Berücksichtigung sämtlichen Lösungen (Open Source und proprietäre Lösungen)
  • Über Rahmenverträge den Bezug von Lösungen der Daseinsvorsorge erleichtern
  • Transparente und neutrale Bewertung der Angebote

Aus Sicht von Bund & Ländern sollte ein Marktplatz folgende Funktionen erfüllen:

  • Nachhaltiges Fördern unterstützen: Verbreitung und damit Nachnutzung von geförderten Lösungen und der Fragmentierung entgegenwirken
  • Stärkung schwächerer Kommunen im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse und Stärkung der ländlichen Räume durch den einfacheren Bezug von Lösungen der digitalen Daseinsvorsorge über Rahmenverträge
  • Schaufenster-Charakter nach außen über die Erfolge

Wir wollen an dieser Stelle einen Vorschlag unterbreiten und mit der Community in den Austausch darüber treten, was das Beste für die Kommunen ist: Wir stellen uns ein Szenario vor, bei dem ein bundesweiter Marktplatz mit dezentraler Verantwortlichkeit in den Ländern realisiert wird. Dies hätte das große Potential, bereits existierende Bausteine und regionale Kompetenzzentren auf Landesebene zu integrieren. Essenziell ist dabei auf der anderen Seite aber auch, dass die bundesweite Lösung als übergeordnete Orchestrierung von Marktplatzfunktionalitäten fungieren kann.

Im „Marktplatz Deutschland Digital“, der im durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Forschungsvorhaben “Smarte.Land.Regionen” entstanden ist, sind viele dieser Grundlagen schon gelegt und Funktionalitäten vorhanden, die eine Anschlussfähigkeit für die Länder bieten. Durch die gemeinsame Umsetzung mit den beteiligten Kommunen konnten auch so schon früh auf die dortigen Bedürfnisse eingegangen werden. Diese Vorarbeiten können ein Baustein der Lösung sein und machen nicht die Vorarbeiten beispielsweise des Marktplatzes in Hessen obsolet oder stehen in Opposition zu den Marktplätzen der Verwaltungsdigitalisierung. Wir müssen es nur gemeinsam anpacken, damit Kommunen an einem Ort Zugang zu sämtlichen Lösungen erhalten.

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