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Smart City

Standpunkte Nanopayments als Chance für smarte Kommunen

Jens Tiemann & Dorian Grosch, Kompetenzzentrum Öffentliche IT
Jens Tiemann & Dorian Grosch, Kompetenzzentrum Öffentliche IT Foto: Foto: Kompetenzzentrum Öffentliche IT

Kryptowährungen haben nicht das beste Image. Doch die Technologie dahinter könnte im Bereich der kommunalen Digitalisierung neue Möglichkeiten eröffnen, argumentieren Jens Tiemann und Dorian Grosch vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT. So könnten etwa Kommunikationskanäle zwischen der Verwaltung und Bürger:innen über sogenannte Nanopayments aufgemacht werden.

von Jens Tiemann und Dorian Grosch

veröffentlicht am 08.04.2023

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Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether stoßen nach wie vor auf reges Interesse. Digitale Transaktionen dieser Währungen basieren auf dezentralen Datenbanken, welche verifizierbare Zahlungen mit vergleichsweise geringer Latenz ermöglichen. An dieser Stelle sollen nicht die viel diskutierten Wertschwankungen aufgrund von Spekulation oder der Energieverbrauch von Blockchains betrachtet werden, sondern allein die praktische Nutzbarkeit für die Bezahlung kleinster Beträge in Form von Mikropayment. Mehr noch: Auch der Wert einer Zahlung steht hier nicht im Mittelpunkt, sondern vielmehr wird der Zahlungsvorgang als Möglichkeit einer Kommunikation in der Smart City betrachtet, weshalb wir im Folgenden von Nanopayment sprechen.

Fallbeispiele in einer Smart City

Zwei fiktive Szenarien sollen die Idee von Mikrokommunikation durch Nanopayment im öffentlichen Raum verdeutlichen und im Folgenden auf ihre technische Realisierbarkeit untersucht werden. Im ersten Fall kann durch eine Zahlung ein Angebot im öffentlichen Raum aktiviert werden, beispielsweise ein Springbrunnen, oder eine Effektbeleuchtung für eine Sehenswürdigkeit. Mittels einer sehr kleinen „Schutzgebühr“ kann hier das Interesse der Bürger:innen an dem Angebot ausgewertet und Nutzungszeiten können detailliert erfasst werden.

Im zweiten Fall könnte mittels einer pseudonymen Zahlung ein Rückkanal für eine nachgelagerte Kommunikation zu Bürger:innen aufgebaut werden. Beispielsweise könnten an einem smarten Fahrradstellplatz über die Kryptozahlung als Kommunikationskanal die Besitzer:innen von Fahrrädern aufgefordert werden, einen Stellplatz nach längerer Zeit wieder frei zu machen, ohne dass zuvor personenbezogene Daten erhoben werden mussten. Kommunikation durch Nanopayment ist also entsprechend den beiden Szenarien uni- beziehungsweise bidirektional vorstellbar.

Zahlung steht nicht im Vordergrund

In diesen Ideenskizzen geht es also nicht primär um die Zahlung an sich, wie sie heutzutage beispielsweise über einen Münzeinwurf realisiert wird. Vielmehr geht es im Sinne des „Internet der Dinge“ um die Automatisierung und Nutzendenzentrierung von Prozessen und die Erhöhung der Qualität von Nutzungsdaten. Eine komfortable Form, die Beispiele in die Praxis zu überführen, ist die Integration einer entsprechenden Zahlungsfunktion in eine Tourist:innen- und/oder Bürger:innen-App, welche auch für Kommunikationsbeziehungen entsprechend des zweiten Szenarios genutzt werden könnte.

Ein Blick auf die Landschaft der Kryptowährungen zeigt eine breite Vielfalt von Lösungen, die für spezifische Einsatzzwecke geschaffen sind. Beispielsweise spezialisieren sich einige Krypto-Coins auf dezentrale Applikationen, andere hingegen wollen Wertschwankungen möglichst minimieren. Für das Anwendungsfeld Nanopayment kommen nur Kryptowährungen in Frage, die für massenhafte Transaktionen von kleinen Beträgen entworfen sind. Bekanntere Systeme wie Bitcoin oder Ethereum eignen sich wegen ihrer zu hohen Transaktionsgebühren von vornherein nicht für diese Szenarien – in diesem Bereich profilieren sich also eher alternative Systeme.

Wo es haken könnte

Doch auch bei den auf Mikropayment ausgerichteten Systemen sind Herausforderungen zu erkennen. Der Einsatz von Kryptowährungen im Bereich von kleinen Beträgen, beispielsweise zwischen Maschinen, steht vor dem prinzipiellen Dilemma zwischen Offenheit und Verhinderung von Missbrauch, weil der Missbrauch nur minimalen Mitteleinsatz erfordert und Angreifer:innen hinter einem Pseudonym verstecken können.

Ein Beispiel der Spam-Problematik lässt sich die Überlegung verdeutlichen. Auf öffentlichen Krypto-Netzen verbreitet sich durch Transaktionen auch Spam: zusammen mit einem Kleinstbetrag erhält der Empfänger etwa Werbe-Links. Die Entwickler:innenteams entscheiden bei diesem Dilemma oft zugunsten von Verhinderung von Missbrauch – die eingesetzten Schutzmechanismen machen Nanopayment für die oben genannten Anwendungsszenarien deshalb nur bedingt möglich.

Die Entwicklung von Kryptowährungen ist generell immer noch sehr unstet. Oft werden bestimmte Eigenschaften zwar versprochen, die tatsächliche Einführung kann sich aber hinziehen. Weiterhin führen Umstellungen des Programmcodes gelegentlich zu Migrationen, die zusätzlichen Konfigurationsaufwand erzeugen. Für den Einsatz in der Smart City lohnt es sich deswegen, genau auf die Reife des Systems zu schauen – auch, weil einige Kryptowährungen in Bezug auf ihre Fähigkeiten oder ihr Geschäftsmodell zu optimistisch sind.

Positiv ist, das die Kryptowährungen naturgemäß über offene und gut dokumentierte Schnittstellen verfügen und auch die Unterstützung durch Softwarebibliotheken eine einfache Anbindung an IT-Prozesse ermöglicht. Die derzeit große Anzahl von Kryptowährungen kann zumindest teilweise auch als Zeichen dafür gesehen werden, dass ganz unterschiedliche Mechanismen und Konzepte zum Einsatz kommen. Nach einer Konsolidierungsphase könnte also zukünftig für verschiedene Nutzungsszenarien in der Smart City aus einer kleineren Zahl ausgereifter Lösungen eine besonders geeignete Kryptowährung ausgewählt werden.

Jens Tiemann befasst sich im Kompetenzzentrum Öffentliche IT (Öfit) mit den technischen Grundlagen der Digitalisierung, Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich Internet/Vernetzung und neue Technologien. Er hat Elektrotechnik an der TU Berlin studiert.

Dorian Grosch arbeitet im Öfit an den Themenschwerpunkten Nachhaltigkeit, Technikgestaltung, Künstliche Intelligenz, Internet of Things und Funknetze. Er absolvierte ein Masterstudium der Informatik mit Anwendungsbereich Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Mehr Infos zu der Forschung der beiden im Bereich Nanopayments in der Smart City finden Sie hier.

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