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Werkstattbericht Nun sag', wie hast du's mit den E-Scootern?

David Weber berichtet aus dem Alltag der Smart City Zürich.
David Weber berichtet aus dem Alltag der Smart City Zürich. Foto: privat

Städte wissen noch viel zu wenig über die Mobilitätsbedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger, schreibt David Weber. Die Stadt Zürich nutzt deshalb geteilte Bewegungsdaten, um ihre Wissensbasis zu verbreitern. Auch im Umgang mit E-Scootern erweist sich das als nützlich.

von David Weber

veröffentlicht am 09.05.2023

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Nach den europaweiten Schlagzeilen zum Verbot in Paris könnte man versucht sein, die E-Scooter und den E-Scooter-Verleih zur Gretchenfrage für die Mobilität in Smart Cities zu machen. Wer ist dafür? Wer ist dagegen? Und wie können neue, smarte Verkehrsträger überhaupt in ein städtisches Mobilitätssystem eingebunden werden? Vermutlich ist die Antwort – genau wie in Goethes Original – eher ausweichend und vage, statt präzise und klar. Denn eine überzeugende Strategie, wie smarte Mobilität in Städten aussehen sollte, gibt es aktuell noch nicht.

Dürftige Fortschritte bei der smarten urbanen Mobilität

Was urbane Mobilität angeht, sehen die Konzepte und Lösungen in Smart Cities noch überraschend dürftig aus. Die bisherigen Ergebnisse bleiben hinter den Erwartungen zurück. Das ist überraschend. Denn der Verkehr ist ein Hauptproblem im urbanen Raum. Seitdem im Jahr 1999 die erste strukturierte und umfassende Bevölkerungsbefragung in Zürich stattgefunden hat, nennen die Zürcherinnen und Zürcher den Verkehr als größtes Ärgernis in der Stadt – immer klar an erster Stelle. Eine smarte Stadt, die den Anspruch hat, die Lebensqualität ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zu verbessern, müsste entsprechend bestrebt sein, dieses Problem schnell und gründlich zu lösen.

Tatsächlich haben aber alle bisherigen Versuche, das Verkehrsproblem in Städten mit smarten Ansätzen zu beheben, zu mindestens gleich vielen neuen Problemen geführt: Bei den oben erwähnten E-Scootern halten sich die Bedenken zur Sicherheit, zur Ästhetik im Stadtbild und zur Nachhaltigkeit den Vorteilen einer unkomplizierten und schnellen Nutzung die Waage. Gleiches gilt für die ortsunabhängigen Fahrradverleihsysteme. Die verschiedenen Transportdienste von Uber mögen der Bevölkerung einen Mehrwert bieten.

Die Bedingungen hingegen, die das Unternehmen seinen Fahrerinnen und Fahrern bietet, wurden diesen Frühling bereits zum zweiten Mal vom Schweizer Bundesgericht gerügt. Hoffnungsträger für die Zukunft wie selbstfahrende Autos werden das Verkehrsproblem in den Städten der Zukunft aller Voraussicht nach auch nicht automatisch lösen. Eine Studie des Osloer Verkehrsverbunds Ruter prognostiziert für den unregulierten Einsatz individuell genutzter, selbstfahrender Automobile eine Verkehrszunahme in der Stadt um 100 Prozent. Stellen wir uns also vielleicht die falschen Fragen?

Smarte Mobilität ist keine Frage der Technologie

Tatsächlich ist urbane Mobilität – wie bei vielen Themen der Smart City – kein Technologieproblem. Der Schluss, den wir in Zürich gezogen haben: Städtische Mobilität ist in erster Linie ein Platzproblem, es geht um räumliche Aspekte. Technische Lösungen gibt es viele. Sensoren können messen, welche Parkplätze belegt sind und welche gerade frei. Systeme, die auf Kameras basieren und durch Künstliche Intelligenz gestützt werden, können dabei helfen, den motorisierten Individualverkehr zu steuern.

Diese und ähnliche Ansätze helfen aber auch nicht wirklich weiter. Der in einer Stadt verfügbare Raum lässt sich nämlich auch durch neue Technologien und mehr Effizienz im bestehenden System nicht erweitern. Wir können die Häuserzeilen nicht auseinanderschieben, um Platz zu schaffen und die Mobilitätsbedürfnisse einer weiterhin wachsenden Einwohnerzahl zu befriedigen.

Besseres Verständnis dank geteilten Mobilitätsdaten

Wie die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung in einer smarten Stadt konkret aussehen und wie sie sich durch neue Angebote verändern, darüber wissen wir trotz unseren Erhebungen und Zählungen nicht genug. Vor allem aber nicht so viel, wie wir wissen könnten. Denn in diesem Bereich können uns smarte Lösungen helfen. Bewegungsdaten bringen zum Beispiel einen Mehrwert. In Zürich versuchen wir sie zu nutzen, um das Mobilitätsangebot besser zu steuern und planen. Im Fall der E-Roller hat die Stadtverwaltung die hier aktiven Anbieter deshalb dazu verpflichtet, die Bewegungsdaten ihrer Fahrzeuge auf einer Plattform mit der Stadtverwaltung zu teilen.

Dadurch sind uns nun die durchschnittliche Zahl der täglichen Fahrten, die zurückgelegten Distanzen und die Dauer dieser Fahrten sowie die bevorzugten Abstellorte der Fahrzeuge im Detail bekannt. Die zuständigen Stellen in der Stadt erhalten so die Möglichkeit, an neuralgischen Orten mittels Geo-Fencing Fahrverbotszonen umzusetzen oder in Fußgängerzonen die automatische Verlangsamung der Fahrzeuggeschwindigkeit auf Schritttempo zu veranlassen.

Wo die Daten Probleme beim wilden Abstellen der Scooter und Roller erkennen lassen, kann mit Bodenmarkierungen oder Informationstafeln interveniert werden. Beschwerden aus der Bevölkerung können wir als Verwaltung über die Plattform direkt an die Anbietenden weiterleiten. Zudem lässt sich mit dem Portal die maximale Flottengröße einfach und zeitnah überprüfen, die mit den Anbietern vereinbart wurde. Damit haben wir die grundsätzlichen Probleme rund um die E-Scooter zwar noch nicht gelöst. Aber wir schaffen eine Grundlage, auf der wir aufbauen und Erfahrungen sammeln können. Nur so können wir einen dritten Weg für die Stadt der Zukunft finden – zwischen unreguliertem Laissez-faire und strikten Verboten.

David Weber ist Leiter Smart City Zürich und hat diesen Teilbereich der Abteilung Stadtentwicklung in der Zürcher Stadtverwaltung ab 2020 aufgebaut. Zuvor war er Projektleiter der Wirtschaftsförderung der Stadt und beschäftigte sich dort unter anderem mit Sharing-Economy-Modellen. Weber organisierte zudem Open-Innovation-Projekte in der Schweiz und international. Er studierte in Zürich, Monterrey, Madrid und New York Geschichte, Wirtschaft, Politik und Innovationsmanagement.

Bisher von ihm in dieser Rubrik erschienen: „Die Arbeit an der smarten Stadt beginnt erst so wirklich“

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