Auf den ersten Blick mangelt es nicht an Förderprogrammen zum Thema Smart Cities. Städte und Gemeinden haben oft die freie Auswahl zwischen Ausschreibungen der Europäischen Union, des Bundes oder der Länder. Doch auf den zweiten Blick lassen sich aus kommunaler Sicht durchaus Leerstellen erkennen. Gefördert werden meist konkrete „Modellprojekte“ oder „Modellregionen“, seltener kleinere, niedrigschwellige Austauschprogramme oder Vernetzungsprojekte. Es besteht zudem ein Mangel daran, die in den Modellprojekten gemachten Erfahrungen praktisch in der Breite auszurollen.
Europaweit verfolgen Kommunen auf dem Weg zur Smart City dieselben Ziele und stehen genauso oft vor denselben Herausforderungen. Trotzdem bilden moderierte Austauschprogramme zwischen kleinen und mittelgroßen europäischen Kommunen in der Förderlandschaft nach wie vor eine Ausnahme. Dabei ist die Vernetzung europäischer Kommunen nicht nur aus ideellen Gründen von großem Nutzen (Stichwort europäischer Gedanke), sondern auch ganz praktisch bei der Umsetzung von Smart-City-Projekten jeglicher Art – ob bei Open Data, Digitalen Zwillingen, dem Einsatz von Sensoren wie Lorawan oder digitalen Bürgerbeteiligungsformaten.
Erfahrungen aus Hamm
Ein Beispiel dafür, wie der Austausch unter deutschen und vor allem zwischen deutschen und EU-Kommunen aufgelegt werden kann, ist das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) initiierte Smart-City-Programm „Connected in Europe“ (Tagesspiegel Background berichtete). Als Projektpartner dienen das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die Stadt Hamm hatte sich erfolgreich mit fünf weiteren deutschen Städten in einem Auswahlverfahren durchgesetzt und bildet zwischen 2022 und 2024 ein Lerntandem mit der italienischen Stadt Arezzo.
Die Städte wurden entlang ihrer thematischen Smart-City-Schwerpunkte und Präferenzen einer europäischen Partnerstadt zugelost. Moderiert und dokumentiert werden die bilateralen Austausche digital und in Präsenz durch die genannten Projektpartner. In Ergänzung finden alljährlich Netzwerkveranstaltungen statt, auf denen die bisher erzielten Arbeitsergebnisse zusammen mit den übrigen Lerntandems geteilt werden und auf Förderaufrufe der Europäischen Union hingewiesen wird.
Arbeitsteilung durch gemeinsame Projekte
Im Rahmen der bilateralen oder multilateralen (zusammen mit allen zwölf beteiligten Kommunen) Meetings können nicht nur Projektsachstände referiert oder allgemeine Herausforderungen bei der Umsetzung diskutiert, sondern eben auch neue Vorhaben und gemeinsame Projektskizzen für Förderanträge entwickelt werden. Erst durch den Austausch mit anderen Projektpartnern erfährt man von Ausschreibungen, prüft deren formellen Voraussetzungen und entwickelt Ideen für gemeinsame Bewerbungen. Das schafft Arbeitsteilung: Während die eine Kommune die Projektskizze vorformuliert und die Anforderungen des Förderaufrufs abklopft, fokussiert sich die andere Kommune auf die inhaltliche Konkretisierung des gemeinsamen Projekts und wirbt um weitere Projektpartner.
Das schafft auf mehreren Ebenen Synergieeffekte: Damit können nicht nur Kosten und Zeit gespart werden, sondern vielfach auch überhaupt erst die formellen Voraussetzungen zur Beteiligung an EU-Ausschreibungen erfüllt werden. Hamm und Arezzo planen sowohl einen Hackathon, der zeitgleich in beiden Städten ausgerichtet werden soll, als auch die Beteiligung an einer europäischen Ausschreibung. Die Stadt Hamm profitiert hier auch von dem breiten europäischen Netzwerk des italienischen Tandempartnerns, der über ein eigenes Referat für EU-Förderangelegenheiten verfügt und – der im Gegensatz zu Hamm – Teil des Eurocities-Netzwerk ist. Arezzo wiederum profitiert von den Projektschwerpunkten der Stadt Hamm im Bereich Wasserstoff und praktischen Erfahrungen bei der digitalen Beteiligung.
Der Austausch zeigt, dass, zwischen den beteiligten EU-Kommunen aus Bulgarien, Italien, Griechenland, Polen, Rumänien oder den Niederlanden große inhaltliche Schnittmengen bestehen – und eben nicht nur zwischen den beteiligten Städten aus Deutschland. Und auch die Probleme ähneln sich: Viele Kommunen verfügen weder über eigene Teams oder fachlich spezialisiertes Personal, um die große Anzahl und thematisch oft sehr breite, ämterübergreifende Auswahl an EU Calls zu sichten, geschweige denn, sich fristgerecht zu bewerben. Die Umsetzung der Smart-City-Strategien hängt entscheidend davon ab, Fördermittel zu akquirieren.
Der Zugang zu diesen Fördermitteln ist für viele Kommunen auf mehreren Ebenen so voraussetzungsreich, dass eigene Bewerbungen im Zweifelsfall entfallen. Die Netzwerktreffen in großer Runde zeigen aber auch, dass die EU-Förderlandschaft als komplex und unübersichtlich wahrgenommen wird. Oft ist nicht klar, welche Förderprogramme welches Ziel verfolgen, welche Projekte genau gefördert werden oder wer überhaupt antragsberechtigt ist. Viele kleinere Kommunen verfügen zudem weder über die personellen noch finanziellen Ressourcen eigeninitiativ internationale Smart-City-Netzwerke aufzubauen.
Mehr Austauschprogramme wagen
Die „Connected Europe“-Lerntandems schließen eine Lücke und können als Vorbild für weitere Förderprogramme dienen, egal ob es sich dabei um Lerntandems oder Vernetzungstreffen in Kleingruppenform handelt. Dafür sind keine großen Summen nötig. Wichtig sind erfahrene Projektpartner, die die Diskussionen moderieren und dokumentieren, den bilateralen Austausch in Schwung halten und die EU-Förderlandschaft kennen, auf Ausschreibungen aufmerksam machen und bei gemeinsamen Bewerbungen beratend zur Seite stehen.
Gordian Ezazi ist Referatsleiter im Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Hamm. Dort betreut er schwerpunktmäßig Fragen der wirtschaftlichen und digitalen Entwicklung. Zuvor war er wissenschaftlicher Referent der SPD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen.