Was wir ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in den letzten Monaten erlebt haben, hat das Thema Energieverbrauch und Energieeinsparungen in ein bisher ungekanntes Licht gerückt. Kaum ein Thema war bis dato so unerkannt wichtig und gleichzeitig abstrakt wie dieses. Energie – Strom und Gas – war für die Bevölkerung halt einfach da. Klar, Rechnungen mussten bezahlt werden, aber das lief zum Großteil einfach so mit. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat das geändert.
Angst ist durchaus ein starker Treiber, um die Mehrheit der rund 40,7 Millionen Haushalte in Deutschland dazu zu bringen, sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Allerdings auch ein punktueller, der dank Entlastungspakten und Energiepreisbremse bereits sichtbar abflacht. Aber genau hier liegt eine große Chance, Energiesparen nicht im Sinne einer einmaligen Krisensituation zu verstehen, sondern eine grundsätzlich neue, nachhaltige Achtsamkeit und Haltung zu formen. Das ist vor allem auch eine Chance für die Kommunen.
Veränderungen des Energiemarktes sind disruptiv – und bleibendWir sehen aktuell eine wahrhaft disruptive Veränderung des Energiemarktes, die mit großer Sicherheit bleibt. Die nachhaltige Versorgung Deutschlands mit Energie muss gänzlich und dauerhaft neu gedacht und realisiert werden. Wenn wir jetzt – auch dank des milden Winters – wider Erwarten gut über die Runden gekommen sind, ist das zum Großteil den im Sommer noch halbwegs stabilen Lieferungen aus Russland zu verdanken. Pipelines, auf die wir nächstes Jahr nicht mehr zurückgreifen können. Auch vor dem Hintergrund der hoffentlich wieder anlaufenden Wirtschaft ist also zu erwarten, dass das dicke Ende uns erst im nächsten Winter erreicht. Neue Technologien, die wir jetzt konsequent einsetzen müssen, bieten Chancen, die Situation jetzt möglichst positiv zu nutzen.
Gamification als GamechangerZiel muss es sein, Energiesparen nicht als punktuellen Kostenregler, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit als essenziellen Teil der Energiewende zu verstehen und langfristig zu verinnerlichen. Was es dazu braucht, sind im Wesentlichen Transparenz und Vergleichbarkeit. Erste Ansätze dazu gibt es bereits: Energiebetreiber liefern beispielsweise mit der Jahresabrechnung eine Einschätzung und einen Vergleich zum durchschnittlichen Verbrauch anderer Haushalte.
Dieser zaghafte Versuch einer Einordnung ist allerdings wenig zielführend. Zum einen liegt einer jährlichen Einschätzung ein viel zu großer Zeitraum zu Grunde, um schnell aktiv werden zu können. Gleichzeitig bleibt der Vergleich abstrakt und ausredefreundlich – „Naja, ich habe halt zwei Kühlschränke“, lässt sich leicht sagen. Auch gibt es erste transparenzbringende Digitalisierungsansätze wie Vergleichsplattformen. Ziel hier ist aber nicht etwa der Ansatz, wie Energie gespart, sondern lediglich, wie Kosten optimiert werden können.
Ein gänzliches neues Anreizsystem kann durch Gamification-Ansätze geschaffen werden. Ermöglicht über die zunehmende Digitalisierung, sorgt Gamification in der Energiewirtschaft dafür, Sparen für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur transparent, sondern attraktiv zu machen. Gamification nutzt den inhärenten Spieltrieb und setzt gänzlich neue Anreize, aktiv und dauerhaft unser Verhalten zu verändern. Über Benchmarking, Ranglisten und Siegertreppchen werden abstrakte Kilowattstunden und Verbräuche auf einmal konkret und fast greifbar. Durch Transparenz und Begeisterung. Diesen Gedanken sollten auch die Kommunen aufgreifen.
Denn der Gedanke ist ausbaufähig – 800 Stadtwerke versorgen in Deutschland Haushalte mit Energie. Jedes einzelne von ihnen hat den direkten Kontakt mit Verbrauchern und gleichzeitig ein Interesse an einer ganzheitlichen kommunalen Daseinsversorgung. So sind Energiesparanreize auch über Bonusprogramme weiter ausbaufähig. Warum nicht das Ticket fürs Museum vergünstigen oder den Eintritt ins Schwimmbad schneller und leichter gestalten für diejenigen, die dank eines Gamification-Ansatzes zu den Top 10 Prozent Energiesparhaushalten der Kommune gehören? Ja, Energie ist oftmals der Geldbringer der Stadtwerke.
Mit Blick auf die Energiekrise, die Energiewende, begrenzten Netzkapazitäten und die steigende Elektromobilität, machen Energiesparanreize aber auch und gerade für Stadtwerke Sinn. Ein solches System sollte als ganzheitliches Kundenbindungsprogramm mit Fokus auf nachhaltigem Energiesparen konzipiert sein. Bei allem Spieltrieb muss aber auch der Datenschutz intensiv mitgedacht und -geplant werden. Denn erfolgreich kann ein solches Tool nur sein, wenn es volles Vertrauen genießt.
Um derartige Anreizsysteme flächendeckend implementieren und damit einen Hebel an den privaten Verbrauch zu setzen, der in Deutschland rund ein Viertel des gesamten Endenergiebedarfs ausmacht, braucht es aber auch Anreizsysteme für die Betreiber. Und es braucht die politische Ebene, die aktiv auf ihre Energiepartner zugehen muss, um zu sehen, was gemeinsam erreichbar ist. Denn nur gemeinsam können wir nachhaltig dafür sorgen, dass jede nicht verbrauchte Kilowattstunde als gute Stunde empfunden wird.
Mirco Pinske ist Gründer, Ideengeber und geschäftsführender Gesellschafter der Dipko GmbH. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der kommunalen Wirtschaft und war als Mitglied der Geschäftsführung sowie Vertriebsverantwortlicher bei verschiedenen Energieversorgern tätig. Die Dipko stellt eine digitale Plattform für kommunale Services dar und will Stadtwerken und Kommunen eine ganzheitliche Digitalisierung ihres Produktportfolios ermöglichen.
Michael Dusch ist Vorsitzender der Geschäftsführung der M3 Management Consulting GmbH. Die M3 ist der führende Transformationspartner für Unternehmen mit netzbasierten Geschäftsmodellen im Energie- sowie Telekommunikationssektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als Mitglied der MSG Advisors, des Beratungsnetzwerks der MSG-Gruppe, will die M3 Unternehmen bei der Entwicklung und der Gestaltung branchenübergreifender Ökosysteme unterstützen.