In einem kürzlich erschienenen Whitepaper zum Thema Standardisierung in der öffentlichen Verwaltung des Deutschen Instituts für Normung und des Databund, über das auch der Tagesspiegel Background berichtet hat, werden viele wichtige Aspekte genannt. Zum Beispiel, dass Standards oft eher punktuell und isoliert entwickelt werden: Es entstehen aus fachlicher Sicht Bedarfe für einen standardisierten Datenaustausch und im Rahmen laufender Projekte werden die benötigten Standards entwickelt.
Die Dringlichkeit ergibt sich nicht nur, aber auch aus der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) oder der Registermodernisierung. Das Problem: Die bereits entwickelten Standards sind leider meistens weder mit den Fachverfahrensherstellern noch mit der föderalen IT-Architektur oder sonstigen Stakeholdern abgestimmt. Erschwert wird dies zudem durch das Fehlen eines einheitlichen Repositories für alle existierenden Standards.
Den Aussagen, die in dem Whitepaper getroffen werden, kann also weitgehend zugestimmt werden. Doch einzelne genannte Punkte lassen darauf schließen, dass es einige Informationsdefizite gibt. Das ist keineswegs als Vorwurf gemeint. Jedoch ist es insofern problematisch, als unter Umständen aufgrund dieser Informationsdefizite Schlussfolgerungen gezogen werden, die zu falschen Entscheidungen führen können. Im schlimmsten Fall werden neue Projekte oder Aktivitäten gestartet, obwohl dies vielleicht gar nicht nötig wäre, weil es bereits Lösungen oder zumindest Aktivitäten dazu gibt.
Drei Beispiele für das genannte Informationsdefizit
Erstens hat die Fitko (Föderale IT-Kooperation) Ende vergangenen Jahres das Projekt „Optimierung der Standardisierungsagenda des IT-Planungsrats“ gestartet. Das Projekt soll die Standardisierungsagenda als strategisches Instrument platzieren. Das gezielte Management von Standards wird durch dieses Instrument ermöglicht. Viele der im Whitepaper angesprochenen Punkte werden in dem Projekt bereits adressiert. Das ist erfreulich, denn es zeigt, dass wir auf der richtigen Spur sind. Aber es zeigt auch, dass wir aus dem Projekt heraus besser kommunizieren müssen, was wir tun.
Das Whitepaper spricht zweitens eine vermeintliche Doppelstruktur von Fitko und Koordinierungsstelle für IT-Standards (Kosit) an. Diese Doppelstruktur gibt es jedoch nicht – im Gegenteil: Die Strukturen wurden mit Gründung der Fitko eindeutig und klar geregelt. Demnach ist die Fikto für die Standardisierung auf der föderalen Ebene zuständig. Die Zusammenarbeit mit der Kosit ist etabliert und durch klare Auftraggeber- Auftragnehmer-Beziehungen definiert. Und diese Zusammenarbeit funktioniert gut und reibungslos. In den vergangenen beiden Jahren haben die Fitko und die Kosit zudem intensiv an der Harmonisierung von XÖV (XML in der öffentlichen Verwaltung) und Föderalen Informationsmanagement (FIM) gearbeitet. Die Ergebnisse liegen nun vor und werden nach Ablauf der Review-Phase ab März veröffentlicht, insofern gibt es auch hier große Fortschritte.
Die Autor:innen des Whitepapers äußern ihre Unzufriedenheit darüber, dass im Deutschen Verwaltungsdiensteverzeichnis (DVDV) keine privaten Unternehmen eingetragen werden können. Jedoch können private Unternehmen sehr wohl im DVDV registriert werden. Diese Möglichkeit besteht bereits seit mehreren Jahren.
Wir brauchen einen besseren Wissenstransfer
Diese drei Beispiele sollen ausdrücklich kein „Finger Pointing“ sein, sondern aufzeigen, dass es innerhalb unserer föderalen Gemeinschaft Informationsdefizite gibt. Um erfolgreich zu sein, um effizient zu arbeiten und um die Verwaltungsdigitalisierung vorantreiben zu können, müssen wir gemeinsam auch an diesem Thema arbeiten: Wir müssen noch mehr Wissen teilen und nachvollziehbar dokumentieren.
Wir brauchen verlässliche Informationsquellen, die relevante Daten schnell und einfach nutzbar machen. Ein Beispiel dafür kann das föderale Entwicklungsportal sein. Aktuell müssen Entwickler:innen zum Teil noch aufwendige Recherchen betreiben, wenn sie Lösungen entwickeln und diese zum Beispiel mit Basiskomponenten verknüpfen wollen. Das Entwicklungsportal soll als „Single Point of Truth“ für Entwickler:innen diese Aufwände auf ein Minimum reduzieren. Dort finden sich bereits einige Informationen und Ressourcen zu Standards und Basiskomponenten. Auch neue zentrale Möglichkeiten zur Interaktion mit Produkten des IT-Planungsrates werden dort zur Verfügung gestellt. Doch das föderale Entwicklungsportal kann bei Weitem nicht alle Informationsdefizite beheben. Wir benötigen mehr solcher Informationsquellen und die Verpflichtung, unser Wissen zu teilen.
Wissen muss dokumentiert werden
Viele kennen vielleicht noch das Vorhaben „Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie“: Bis zum Stichtag am 28. Dezember 2009 mussten alle Bundesländer eine technische Lösung bereitstellen, die es EU-Bürger:innen ermöglichte, über das Internet ein Gewerbe in Deutschland zu eröffnen, inklusive der Bereitstellung aller dafür erforderlichen Informationen. Klingt irgendwie nach OZG, oder? Und ist es auch in gewisser Weise, da es im Kern zahlreiche Parallelen gibt.
Nur – wo ist dieses Wissen? Warum konnten wir bei der OZG-Umsetzung nicht auf dieses Wissen zurückgreifen? Zahlreiche Fragestellungen wurden damals behandelt und diskutiert, die auch im Rahmen der OZG-Umsetzung besprochen wurden und teilweise immer noch werden. Dieses Wissen scheint in weiten Teilen verloren zu sein. Wir müssen zukünftig einen stärkeren Fokus darauflegen, aus unseren Erfahrungen zu lernen, unser Wissen zu dokumentieren und es verfügbar zu machen.
Der IT-Planungsrat hat im November Schwerpunktthemen definiert, die er in den kommenden Jahren bearbeiten möchte. Ein Schwerpunktthema ist die „Digitale Transformation“ – ein idealer Raum, um auch das Thema Wissensmanagement zu adressieren.
Jörg Kremer leitet in der Fitko die Abteilung Föderales IT-Architekturmanagement, Projekte und Standards und ist Stellvertreter von Fitko-Präsidentin Annette Schmidt. Vor seiner Zeit in der Fitko leitete er als Projektmanager sowohl in der Landesverwaltung als auch auf föderaler Ebene zahlreiche IT- und Organisationsprojekte. Auf europäischer Ebene war er unter anderem Gründungsmitglied des Netzwerkes Einheitlicher Ansprechpartner.