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Standpunkte Wird KI zum Treiber für die Verwaltungslandschaft?

Matthias Selle, Vorstandsvorsitzender des Innovationsnetzwerks Kommune X.0
Matthias Selle, Vorstandsvorsitzender des Innovationsnetzwerks Kommune X.0 Foto: Landkreis Osnabrück

Künstliche Intelligenz bietet das Potenzial, die deutsche Verwaltungslandschaft zu verändern und damit zu beschleunigen, meint Matthias Selle vom Innovationsnetzwerk Kommune X.0. Kommunen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Bund und Länder müssen enger mit ihnen zusammenarbeiten und neue rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen.

von Matthias Selle

veröffentlicht am 19.09.2023

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Das aufkommende Zeitalter der Intelligenztechnologie könnte zu einem entscheidenden Wandel in der deutschen Verwaltungslandschaft führen. Die Modernisierung der Verwaltung wird jedoch erst dann an Fahrt gewinnen, wenn wir die Möglichkeiten dieser Technologien speziell für die kommunalen Aufgaben nutzen. Schätzungen von Verwaltungswissenschaftlern zufolge wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts jeder Arbeitsplatz in der öffentlichen Verwaltung mit intelligenten Systemen verbunden sein. Dafür sind jedoch neue gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundesebene dringend erforderlich.

Doch die bisherigen Bemühungen zur Etablierung verbindlicher technisch-organisatorischer Standards und rechtlicher Rahmenbedingungen in der deutschen Verwaltung haben nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Künftig müssen kommunale Kompetenzen viel stärker in die Entwicklung neuer Architekturen für Datenplattformen und die dafür erforderlichen technischen Standards sowie rechtlichen Regelungen einbezogen werden.

Datenplattformen als Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen

Bestehende Barrieren in verfassungsrechtlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht müssen überwunden werden. Die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) erlauben vollkommen neue, organisationsübergreifende Ansätze für Verwaltungsleistungen. In Forschungseinrichtungen, der IT-Wirtschaft und auf allen Verwaltungsebenen wird bereits intensiv daran gearbeitet. Hierbei spielen Ebenen übergreifend organisierte und kompatible Datenplattformen eine zentrale Rolle, um eine effiziente und sichere Verwaltungsmodernisierung zu realisieren.

Die Schaffung solcher Plattformen erfordert die aktive Unterstützung der Kommunen und ein neues Verständnis für ein nachhaltiges Datenmanagement. Künftig werden kommunale Mitarbeiter verstärkt für die Pflege dieser Plattformen und für die Bereitstellung intelligenter Dienste verantwortlich sein. Diese Plattformen dienen nicht nur lokalen Verwaltungszwecken, sondern bilden auch die Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen auf höheren Ebenen. Somit wird die historische Rolle der Kommunen als organisatorischer Grundpfeiler für unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Zeitalter der Intelligenztechnologie an Bedeutung gewinnen.

Aktuell zeigte sich bereits, welch erleichternde Auswirkung eine integrierte Datenplattform für Bürgerinnen und Bürger haben könnte: Die Befragung aller Grundstückseigentümer zur Grundsteuer hätte gar nicht stattfinden müssen, wenn es dazu eine nationale Plattform gegeben hätte – die Daten liegen in den kommunalen Katasterämtern ja in bester Datenqualität bereits vor.

Wie der Übergang ins KI-Zeitalter gelingen kann

Wir müssen zunächst von konkreten, von den Bürgern gewünschten, Wirkungen ausgehen, die sich mit intelligenten Systemen erzielen ließen. Die „Dresdner Forderungen“ von Mitgliedern des Deutschen Städtetags sowie das vom Normenkontrollrat angeregte Gesetz zur Registermodernisierung stellen bereits wichtige Bausteine für die technisch-organisatorische Architektur der digitalen Verwaltungsmodernisierung dar. Für den rechtlichen Aspekt aus Verfassungssicht sind die Thesen des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière, in denen er eine große Staatsreform für Deutschland fordert, relevante Richtungsweiser.

In all diesen Impuls- und Positionspapieren wird deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Bemerkenswert dabei ist, dass sie zugleich relevant sind für eine neue Architektur von KI-gestützten Plattformen. Alle Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen sollten sich also radikal aus der KI-Zukunftsperspektive heraus damit befassen. Sie müssten mit einem veränderten Bewusstsein aufeinander zugehen, mit dem Willen zu einem echten Neustart und der Abkehr von Verhandlungsstrategien aus der analogen Zeit. Die kommunalen Spitzenverbände spielen dabei eine entscheidende Rolle und sollten mit den Landesregierungen intensiv zusammenarbeiten, um Verwaltungsleistungen über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen.

Wie sich die Vorteile von KI bemerkbar machen

Bereits kurzfristig kann es spürbare Vorteile durch den Einsatz von KI geben. Beispiele hierfür sind der Online-Personalausweis der Bundesregierung, der eine digitale Identität schafft und somit die Grundlage für länderübergreifende Verwaltungsleistungen legt. Die etablierte Behördennummer 115 könnte durch intelligente Chatbot-Systeme zu 24/7-Auskunftssystemen weiterentwickelt werden, um Verwaltungsmitarbeiter zu entlasten. Digitale Zwillinge auf der Basis von geografischen Datenplattformen sowie Ratsinformationssysteme werden als Basis für Bürgerbeteiligung sowie für evidenzbasierte Entscheidungsprozesse dienen, und Kooperationsplattformen wie in Stuttgart ermöglichen bereits heute innovative Dienste jenseits traditioneller Verwaltungsleistungen – beispielsweise im Sozial- und Infrastrukturbereich. Diese Lösungen sind in unserem Positionspapier vom Innovationsnetzwerk Kommune X.0 beschrieben.

Matthias Selle ist Vorstandsvorsitzender des Innovationsnetzwerks Kommune X.0 e.V., in dem sich Expert:innen aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Digitalwirtschaft gemeinsam für die Verwaltungsdigitalisierung einsetzen. Außerdem ist Selle Kreisrat und Sozialvorstand im Landkreis Osnabrück, Mitglied im Präsidium und Präsidialausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sowie Vorsitzender des Fachausschusses Soziales, Bildung, Gesundheit der KPV Deutschland.

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