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Werkstattbericht Informationspolitik ölt die Umsetzungsmaschine

Basanta Thapa gibt Einblicke aus der Verwaltungsforschung.
Basanta Thapa gibt Einblicke aus der Verwaltungsforschung.

Die Informationswege der meistens Verwaltungen beschränken sich heute immer noch auf E-Mail-Verkehr und Online-Veranstaltungen, die einzelnen Mitarbeiter:innen vorbehalten sind. Die restlichen tausend Kommunen kommen dabei zu kurz. Als Lösung schlägt Basanta Thapa sogenannte Single Points of Truth vor. Dafür braucht es vor allem gemeinsame Zielrichtungen und klare Anweisungen.

von Basanta Thapa

veröffentlicht am 18.04.2023

aktualisiert am 28.06.2023

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Das Wimmelbild des Normenkontrollrats zur Steuerung der Verwaltungsdigitalisierung ist immer für einen Lacher gut. Gleiches Urteil beim Blick auf das Poster der föderalen IT-Landschaft: So ein Gewusel – kein Wunder, dass das alles nicht funktioniert! Kompliziertheit, also die Zahl der Elemente und ihrer Beziehungen zueinander, drängt sich hier als Problemquelle auf.

Doch das ist ein Trugschluss. Das Meistern komplizierter Systeme ist eine zivilisatorische Kernfertigkeit. So besteht ein moderner Verbrennungsmotor aus mehr als tausend Einzelteilen, die dank klarer technischer Vorgaben, Bauplänen und Steuerungsschnittstellen beim Tritt aufs Gaspedal nur in Ausnahmefällen in Chaos zerbersten. Der Schlüssel ist dabei, dass die Informationen zur Konstruktion allen beteiligten Ingenieur:innen und Monteur:innen zur Verfügung stehen.

Ineffiziente Informationswege

Zu meiner Überraschung hakt es in der deutsche Verwaltungsdigitalisierung häufig an dieser Bereitstellung von Grundinformationen beziehungsweise der Art und Weise, wie diese Informationen zugänglich gemacht werden. Immer wieder höre ich Geschichten, dass Umsetzungshandbücher nur per E-Mail bei einzelnen Referent:innen zu erfragen seien. In vielen Umsetzungsprogrammen sind E-Mail-Newsletter das zentrale, bisweilen sogar das einzige Informationsinstrument. Dies wird spätestens dann problematisch, wenn neue Kolleg:innen hinzukommen. Selbst, wenn die Newsletter online archiviert sind, ist das Durchwühlen alter Rundbriefe keine effiziente Art der Wissensrecherche.

Ein weiteres beliebtes Informationsmittel sind Online-Veranstaltungen. Vor Kurzem gab es für Kommunen eine Info-Session zur Registermodernisierung. Stolz berichteten die Verantwortlichen von 1000 teilnehmenden Kommunalvertretenden. Aufgezeichnet und online bereitgestellt – heutzutage wirklich nicht mehr als ein paar Klicks Aufwand – wurde diese Veranstaltung jedoch nicht. Wie also erreichen diese Informationen die restlichen zehntausend Kommunen? Auf meine Nachfrage in einer Kommentarspalte hin, bot mir ein freundlicher Kommunalbeamter seine Mitschrift an. Das hat mich ehrlich gerührt. Aber auch mit der Frage hinterlassen, ob das Teilen von Mitschriften nicht-aufgezeichneter Online-Veranstaltungen wirklich die Informationsform der Wahl ist.

Den Wert von Videomitschnitten erlebte ich, als ich mich vergangenes Jahr nach einigen Monaten Elternzeit für eine Paneldiskussion auf den neuesten Stand zur Deutschen Verwaltungscloud-Strategie bringen wollte. Als alter Hase verschwendete ich nur wenig Zeit mit der Recherche auf offiziellen Internetseiten, sondern fragte direkt jemanden, der sich qua Job damit auskennen muss. Als Antwort erhielt ich Deeplinks zu Aufzeichnungen einer Online-Konferenz zur Verwaltungscloud-Strategie, welche die anschaulichste frei verfügbare Informationsquelle zu den aktuellen Umsetzungsüberlegungen seien. Zu meiner Überraschung – und Erleichterung – schienen mich diese Videos tatsächlich auf ähnlichem Informationsstand wie meine Ko-Panelisten aus der Privatwirtschaft gebracht zu haben. Im Vorgespräch erklärte der zuständige Ministerialreferent zudem eine Reihe von Umsetzungskonkretisierungen, von denen ich weder in Dokumenten gelesen, noch in den mir empfohlenen Videos gehört hatte. Diese Details mögen bereits auf diversen Panels der einschlägigen Konferenzen verkündet worden sein: Doch kann nur ein Bruchteil der an der Verwaltungsdigitalisierung Beteiligten diesen Bühnen lauschen.

Begrenzte Präsenzschulungen statt frei skalierender MOOCs

Kurios erscheint mir die Wahl des Informationsmittels zu FIM, dem Föderalen Informationsmanagement mit Präsenzschulungen zertifizierter FIM-Coaches. Warum man hier Trainings mit begrenzten Plätzen gegenüber beliebig skalierenden MOOCs (Massive Open Online Courses) bevorzugt, um zumindest grundlegende FIM-Kenntnisse in die Breite der Umsetzenden zu tragen, konnte mir noch niemand schlüssig erklären.

Persönlichen Schulungen kann man zugutehalten, dass sie den Wert informellen Wissens schätzen. In der Verwaltungsdigitalisierung geht es hier etwa um praktizierte Abweichungen vom in offiziellen Dokumenten festgelegten Vorgehen. Beispielsweise: An welchen der zahlreichen Digital-Strategie-Dokumente sollte ich mein Handeln ausrichten? Welche kann ich ignorieren? Uneingeweihte landen beim Versuch, sämtliche niedergeschriebene Vorgaben zu erfüllen, unweigerlich in der Überlastung. Doch im akteursreichen Feld der Verwaltungsdigitalisierung kann es nicht nur Eingeweihte geben.

Dass es sich nicht nur um mein persönliches Problem als in vielen Themen dilettierender Thinktanker handelt, bestätigte mir die Frühjahrstagung des N3GZ Nachwuchsnetzwerk Digitale Verwaltung im April in Frankfurt. In der offenen Atmosphäre fällt es leicht, mangelnden Durchblick zu gestehen. So fanden etwa meine verwirrten Fragen zum Verhältnis von Katalogen und Standards wie LeiKa, FIM und XÖV an unsere Gastgeber:innen von der FITKO rege Zuhörerschaft. Und selbst Umsetzenden, die das Wie und Was sicher beherrschen, ist das Wozu nicht immer ganz gewahr.

Ironisch und problematisch

Nun mögen sich verbesserungswürdige Informationswege in allen Politikfeldern finden. In der Verwaltungsdigitalisierung ist dies jedoch besonders ironisch und problematisch. Ironisch, weil das Kernversprechen der Digitalisierung ja gerade ist, elegante Lösungen für Informations- und Koordinationsprobleme anzubieten. Und problematisch, weil es in der Digitalisierung oft um technische Vorgaben geht, die präzise sein müssen, um Kompatibilität zu schaffen.

Was sind die Wundermittel der Informationstechnologie? Single Points of Truth, also etwa eine zentrale Internetseite, auf der autoritativ der aktuelle Stand der Vorgaben vorliegt. Und zwar für alle frei zugänglich. Dabei können mithilfe von Filterfragen Informationen zielgruppengerecht zusammengestellt werden, um den Einstieg zu erleichtern. Offen einsehbare Diskussionsorte wie Foren oder Chats lassen Suchende bereits gestellte Fragen und Antworten durchforsten, ehe sie mit eigenen Fragen Ressourcen strapazieren. Und den Vorschlag eines Wikis zur gemeinschaftlichen Informationspflege für die deutsche Verwaltungsdigitalisierung habe ich schon öfter gehört, als ich zu zählen vermag. Das macht den Gedanken aber nicht falsch.

Natürlich mag die Offenheit langstehenden Verwaltungstraditionen entgegenlaufen, da die Arbeit in Wikis und Online-Foren nicht zu typischen Tätigkeiten der Ministerialbürokratie zählen und eine restriktive Informationspolitik der Schaffung von Machthebeln und der Verschleierung eigener Unzulänglichkeiten dienen. Dies sind in meinen Augen soziologische Erklärungen und keine Argumente gegen bessere Informationsmechnismen.

Zugang zu Umsetzungsinformationen ist erfolgskritisch

Leicht auffindbare Umsetzungsinformationen sind gerade in einem Vorhaben wie der Verwaltungsdigitalisierung erfolgskritisch. Denn die zahllosen beteiligten Akteure wie Gemeinden, Berater:innen, öffentliche IT-Dienstleister oder Körperschaften der Selbstverwaltung brauchen nicht nur eine gemeinsame Zielrichtung, in die sie arbeiten sollen. Nur mit klaren Anweisungen zu Standards, Vorgehensmodellen und Schnittstellen fügen sich die Myriaden Einzelanstrengungen am Ende zu einem funktionierenden Ganzen. Diese möglichst effizient bereitzustellen, dazu sollten wir uns des erprobten Instrumentenkastens der Informationstechnologie bedienen. Damit auch aus dem NKR-Wimmelbild eine wohlgeölte, surrende Umsetzungsmaschine wird.

Basanta Thapa forscht und kommuniziert als Geschäftsführer des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums e.V. in Berlin, einem Fachnetzwerk und Denkfabrik zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Sein Forschungsschwerpunkt ist die datengesteuerte Verwaltung. Er hat unter anderem am Kompetenzzentrum Öffentliche IT des Fraunhofer Fokus, an der Hertie School of Governance, am European Research Center for Information Systems und an der Technischen Universität Tallinn geforscht.

Bisher von ihm in dieser Rubrik erschienen: „Blind durch die Verwaltungsdigitalisierung“.

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