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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Blockchain – eine Chance für den Mittelstand?

Sven Reimers, Institut für Logistik und Unternehmensführung TU Hamburg-Harburg
Sven Reimers, Institut für Logistik und Unternehmensführung TU Hamburg-Harburg

In der Logistik eingesetzt, schafft die Blockchain ein neues Maß an Transparenz. Ein Forschungsprojekt hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen herauszufinden, ob die Technologie für sie sinnvoll ist, schreiben Sven Reimers, wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Wolfgang Kersten, Leiter des Instituts für Logistik und Unternehmensführung an der TU Hamburg-Harburg.

von Sven Reimers

veröffentlicht am 23.07.2020

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Die Blockchain-Technologie ermöglicht es nicht nur, dass Geschäftspartner sicher miteinander handeln können, sondern unterstützt auch dabei, die Anzahl an Drittanbietern zu reduzieren. Mithilfe der besonderen Eigenschaft, Geschäftsvorfälle dezentral, signiert und unveränderlich abzubilden, hat diese Technologie das Potenzial, in der Logistik einiges zu verändern. Diese birgt die Möglichkeit, Datenströme in Echtzeit darzustellen sowie Lieferprozesse zu verschlanken und Kosten zu senken. Ganz im Sinne der Logistik.

Momentan ist einer der am häufigsten vorkommenden Anwendungsfälle die Nachverfolgung von Gütern, speziell das Tracking von Nahrungsmitteln. Mithilfe der Blockchain-Technologie wird es möglich, die Nahrungsmittel vom Ort der Erstellung bis zur Filiale und letztendlich zum Verbraucher zu verfolgen. Je nach Konfiguration sind Daten wie der gesamte Verlauf, der aktuelle Standort, Zertifizierungen, Prüf- und Temperaturdaten verfügbar und in Echtzeit vorhanden. Dadurch wird die Lieferkette nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für den Endkunden zuverlässig dargestellt, sodass ein neues Maß an Transparenz entsteht. 

Gefälschte Produkte besser erkennen

Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, liegen auf der Hand: Beispielsweise kann die Herkunft der Produkte sicher offengelegt werden, gefälschte Produkte können besser identifiziert werden oder Weiterverarbeitungsschritte können fälschungssicher dokumentiert werden. Administrative Prozesse können automatisiert und beschleunigt werden, sodass Unternehmensprozesse neu definiert werden können. Potenzielle Endverbraucher können so die gesamte Supply Chain vom Ursprungsort bis zum Händler einsehen und auf Basis dieser Informationen eine fundiertere Kaufentscheidung treffen. Durch diese Verfügbarkeit sämtlicher relevanter Informationen entsteht eine durchgängige Transparenz in der Lieferkette. Sie bietet Ansatzpunkte, um die Leistungsfähigkeit der Supply Chain insgesamt zu optimieren.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob diese Transparenz auch gewünscht ist. Wollen alle beteiligten Unternehmen ihre Daten im Netzwerk preisgeben? Welche Konsequenzen hat diese Transparenz für Unternehmen innerhalb der Lieferkette? In einem typischen Blockchain-Netzwerk haben alle Unternehmen alle Informationen, welche im Netzwerk vorhanden sind – nicht nur die Informationen über den Aufbau der Lieferkette, sondern auch über Häufigkeiten und Inhalte der Geschäftsvorfälle. Ist dies nicht gewünscht, so sind komplexe Maßnahmen zur Verschlüsselung und Anonymisierung erforderlich, die im Design des Blockchain-Netzwerks von Anfang an berücksichtigt werden müssen.

Bei den skizzierten Chancen und Möglichkeiten ist es nicht überraschend, dass mittlerweile eine kaum zu überschauende Anzahl an Blockchain-Projekten im Bereich der Logistik entstanden ist. Auf der einen Seite gibt es Pilotprojekte großer Marktteilnehmer, welche die Bandbreite und mögliche Tragweite von Anwendungen im Bereich der Logistik illustrieren. Auf der anderen Seite gibt es eine steigende Anzahl von Projekten – entwickelt von Start-ups, welche versuchen, auf Basis der innovativen Blockchain-Technologie gänzlich neue kundenorientierte Geschäftsprozesse zu gestalten. Wie allerdings die zwischen diesen Lagern befindlichen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) diese Technologie für sich nutzbringend anwenden können, bleibt weitgehend offen.

Wird die Technologie meine bisherigen Systeme ersetzen?  

Darum stehen schon jetzt häufig bei KMU Fragen wie „Muss ich mich mit der Blockchain-Technologie beschäftigen?“ oder „Wird sich diese Technologie durchsetzen und meine bisherigen Systeme ersetzen?“ im Raum. Wie sich diese Technologie in Zukunft weiterentwickeln wird, hängt jedoch sowohl von unternehmensinternen und -externen als auch von regulatorischen Einflussfaktoren ab. Dabei spielen Faktoren wie der Grad der Digitalisierung der Unternehmen, die in ständiger Weiterentwicklung befindliche Blockchain-Technologie oder auch die Gesetzgebung eine wichtige Rolle.

Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten und von der Bundesvereinigung Logistik betreuten Forschungsprojekt „Identifikation und Bewertung von Einsatzpotenzialen für Blockchains in Logistik und Supply Chain“ (ChainLog) besteht eine Möglichkeit für KMU, sich ressourcenschonend mit der Blockchain-Technologie vertraut zu machen und die Auswirkungen auf das eigene Geschäft besser einschätzen zu können. 

Konkret wird ein Vorgehen entwickelt, welches Entscheidungen rund um die Blockchain-Technologie aus der Perspektive eines KMU greifbar machen soll und wodurch Anwendungspotenziale unternehmensindividuell identifiziert werden können. Des Weiteren wird eine Datenbank zur Sammlung und Charakterisierung bekannter Anwendungsfälle entwickelt und in das Vorgehen integriert. Laufende Erkenntnisse und Ergebnisse sind auf www.chainlog.de verfügbar.

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