Das Deutschland-Ticket (D-Ticket) erfreut sich einer großen Beliebtheit. Nutzer des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) werden finanziell entlastet, diese Maßnahme erscheint auch Nichtnutzern gut und richtig. Politiker aller Parteien klopfen sich auf die Schultern und bezeichnen das Ticket als großen Erfolg. Allerdings sind bislang nur wenige Daten zu Effekten und Wirkungen bekannt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, der für den Bund die Daten auswertet, veröffentlicht nur häppchenweise Informationen.
Mit der Einführung des D-Tickets waren vielfältige Erwartungen verbunden, in erster Linie eine Verkehrsverlagerung durch die Preissenkung. Entsprechend hat das Verkehrsministerium das D-Ticket in den Maßnahmenplänen zum Klimaschutz als zentralen Baustein benannt. Drei bis vier Millionen Tonnen Emissionen sollen damit eingespart werden.
Daneben bietet das D-Ticket den Vorteil, dass der Ticketkauf vereinfacht wird, insbesondere für Fahrten in unterschiedlichen Regionen. Schließlich äußerte Verkehrsminister Volker Wissing die Erwartung, dass das D-Ticket die komplexen und teuren Verwaltungsstrukturen bei Tarifverbünden und Aufgabenträgern vereinfachen würde.
Mit der Einführung des D-Ticket begann sofort eine Diskussion zu dessen Ausgestaltung. Kritisiert wurde, dass viele Elemente traditioneller Monatskarten, zum Beispiel die Übertragbarkeit und die Mitnahme von Fahrrädern, nicht enthalten waren. Zudem sank die Preisdifferenz zu den bestehenden Sozialtickets. Viele Bundesländer reagierten auf die Kritik und ergänzten das D-Ticket, sodass heute zahlreiche Varianten bestehen. Für den Kunden sind die Varianten noch überschaubar, in der Abrechnung entsteht jedoch, anders als erwartet, erheblicher Mehraufwand.
CO2-Einsparung von nur 0,5 Millionen Tonnen
Bislang hat der VDV nur eine einigermaßen nutzbare Zahl zur verkehrlichen Wirkung des D-Tickets genannt. Danach sind fünf Prozent der Fahrten mit dem D-Ticket verlagert, also Fahrten, die sonst mit dem Pkw durchgeführt worden wären. Daraus ergibt sich eine CO2-Einsparung in der Größenordnung von 0,5 Millionen Tonnen, weit weniger als prognostiziert.
Die tatsächlichen Kosten des D-Tickets sind ebenfalls nicht bekannt. Die Länder nennen gegenüber dem Bund einen Jahreswert von circa vier Milliarden Euro, allerdings ist das ein Verhandlungswert, dessen faktische Unterlegung unklar ist. Zudem subventionieren einige Bundesländer und Unternehmen das D-Ticket für ihre Mitarbeiter, diese Kosten sind in der Rechnung nicht enthalten. Schließlich enthält der Wert noch keine Lösung für das Semesterticket. Derzeit ist der Erwerb eines verbilligten Tickets für fast alle Studierenden obligatorisch, aus rechtlichen Gründen wird dies nicht mehr möglich sein. Es zeichnet sich ab, dass hierfür ein weiterer dreistelliger Millionenbetrag erforderlich sein wird.
Der wichtigste Baustein bei der Bewertung des D-Tickets ist sicherlich der Verlagerungseffekt. Wenn sich der oben genannte Wert von fünf Prozent bestätigt, wäre das eine Nachfragesteigerung für den ÖV im Bereich von vier Prozent oder vier Milliarden Personen-Kilometer jährlich. Der sich ergebende Preis je Tonne eingesparter Emissionen läge damit bei fast 10.000 Euro, üblich ist ein CO2-Preis im Bereich von 40 bis 100 Euro.
Überfüllung auf Pendlerstrecken und bei Ausflugsverkehren
Die durchschnittliche Auslastung im ÖV in Deutschland beträgt rund 25 Prozent. Dabei gibt es eine gravierende Streuung. Einige Verkehre, zum Beispiel Pendlerstrecken in die Metropolen und saisonale Ausflugsverkehre, sind schon heute überlastet. Genau dort verursacht das D-Ticket weiteren Nachfragedruck. Interessanterweise gibt es keine Daten, in wie vielen Fällen Fahrgäste wegen Überfüllung am Bahnsteig zurückbleiben müssen. Anekdotische Berichte legen nahe, dass die Zahl solcher Fälle steigt.
Auch das ergänzend oft vorgebrachte Argument, das D-Ticket ermögliche auch wirtschaftlich Benachteiligten mehr Mobilität, ist bei genauerer Betrachtung nicht schlüssig. Für die Mehrheit der Nutzer, die in Städten oder Ballungsräumen leben, ist das D-Ticket kaum günstiger als die bisherigen Monatskarten, die Sozialtickets lagen preislich unterhalb des D-Tickets. Die größte Entlastung betrifft Pendler aus dem Umland, die bisher 100 bis 200 Euro für eine Monatskarte zahlten. Diese Gruppe, die überwiegend der Mittelschicht zuzurechnen sind, erhält die meisten Subventionen.
Einheitliches Ticketsystem wäre günstiger
Ein positiver Aspekt des D-Tickets ist die problemlose bundesweite Nutzung. Diese Vereinfachung muss aber nicht zwingend über die Flatrate erfolgen, sondern könnte, deutlich günstiger, mit einem einheitlichen Ticketingsystem realisiert werden.
Das D-Ticket birgt weitere Probleme und Nachteile: Es ermöglicht Freizeitreisen ohne weitere Kosten. Dies ist für jeden Einzelnen attraktiv, allerdings werden dabei überwiegend attraktive Zielen angefahren, sodass sich das Überlastungsproblem verschärft. Zudem entsteht dadurch Mehrverkehr, der aus ökologischen Gründen eigentlich vermieden werden soll.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass durch den Einheitspreis jede Möglichkeit entfällt, das Nutzungsverhalten über Preise zu lenken. Schließlich haben die Verkehrsunternehmen bislang rund zwei Drittel ihrer Erlöse von Fahrgästen erhalten und ein Drittel vom Staat. Dieses Verhältnis dreht sich jetzt um. Entsprechend werden sie sich künftig vermehrt darauf konzentrieren, ihren Anteil am Subventionskuchen zu sichern und mehr Lobbyisten beschäftigen.
Lieber Geld in Ausbau der Infrastruktur stecken
Die Hauptkritik am D-Ticket besteht also darin, dass mehr als vier Milliarden Euro Steuergelder für eine Subvention bereitgestellt werden, die verkehrlich und ökologisch einen geringen Nutzen erzielt. Was ist die Alternative? Die Mittel sollten stattdessen in den Ausbau der Infrastruktur gesteckt werden, um mehr Kapazität dort zu schaffen, wo eine hohe Nachfrage besteht, insbesondere in den Ballungsregionen.
Trotz aller Argumente gegen das D-Ticket ist es unwahrscheinlich, dass es abgeschafft wird. Viele Politiker haben sich frühzeitig und faktenfrei darauf festgelegt, es sei ein großer Erfolg. Zudem zeigt die internationale Erfahrung, dass es schwierig ist, einmal eingeführte Subventionen wieder abzuschaffen. Richtig wäre es trotzdem.