Der Gesetzgeber hatte seit den 1990er Jahren die beiden bekannten kritischen Emissionen NOx (NO plus NO2) und Partikel kontinuierlich reduziert. Im Jahr 2005 wurde Euro 4 eingeführt, im Jahr 2009 Euro 5 und im Jahr 2014 Euro 6 der ersten Generation. Die komplizierte Fahrzeugentwicklung bedingt nun, dass rund fünf Jahre vor Serienstart der wesentliche Konstruktionsstand „eingefroren“ werden muss. Es schließt sich danach eine langjährige Applikationsphase mit geringen Designanpassungen an. Somit waren die Fahrzeugkonstruktionen für Euro 4 etwa 2000, Euro 5 2004 und Euro 6 im Jahr 2009 abgeschlossen.
Mit Euro 4 wollte der Gesetzgeber die Einführung des Partikelfilters erreichen. Jedoch waren nicht alle Dieselmotoren mit einem hierfür notwendigen, flexiblen Common-Rail-Einspritzsystem ausgerüstet. Erst mit Euro 5 konnten alle Dieselmotoren die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte bewältigen. Der Betrieb mit einem Partikelfilter ist nun per se nicht sehr herausfordernd. Entscheidend ist jedoch der Sachverhalt, dass der Partikelfilter mit Ruß beladen wird.
Partikelfilter grenzwertig beladen
Je nach Fahrzeugtyp ist die kritische Grenze mit rund 10 bis 20 Gramm erreicht. Kritisch war deshalb die Regeneration des Partikelfilters. Bei Temperaturen um 600 Grad Celsius wird der eingelagerte Ruß circa 20 Minuten zu CO2 oxidiert. Dieser Betriebszustand, der je nach Fahrzeug und Fahrprofil alle 100 bis über 2000 Kilometer auftritt, stellte das Gesamtsystem vor größte Herausforderungen wie Ölverdünnung oder Alterungsverhalten. Erreicht wurden diese hohen Temperaturen, zum Vergleich sei auf einen Backofen mit etwa 200 Grad verwiesen, durch eine Einspritzung von Kraftstoff in den Abgastrakt. Am Oxidationskatalysator erfolgte der Temperaturanstieg.
Im Zertifizierungszyklus NEFZ, der weltfremde Fahrprofile mit geringen Beschleunigungen vorgab, waren nun NOx-Emissionen von 250, 180 und später 80 Milligramm je Kilometer (Euro 4, Euro 5, Euro 6 erste Generation) zu erzielen. In diesem Fahrmodus waren manche Euro-5-Partikelfilter bereits nach 100 Kilometern grenzwertig beladen. Sehr gut entwickelte Fahrzeuge konnten einige 100 Kilometer im NEFZ-Betriebsmodus operieren. Es war der Fachwelt jedenfalls klar, dass die Euro-5-Fahrzeuge im Realbetrieb die niedrigen NOx Emissionen nicht erzielen können. Gelöst wurde der Konflikt, indem bei den Euro-5-Fahrzeugen nur im Referenzzyklus NEFZ niedrige NOx-Emissionen erreicht wurden. Niedrigere Partikelemissionen mit weiteren Produktvorteilen wurden durch erhöhte NOx-Emissionen im Realbetrieb erreicht. Um wieviel und unter welchen präzisen Randbedingungen war eine nicht geregelte Grauzone, deren Freiheiten überstrapaziert wurden.
Nun ist eine weitere wichtige Eigenschaft entscheidend. Ein hoher NO2-Anteil im Abgas oxidiert und eliminiert den filtrierten Ruß im Partikelfilter. Stickoxide waren also lebensnotwendig, um eine zu schnelle Rußbeladung des Partikelfilters zu vermeiden. Auch die vom Staat geforderten und geförderten Partikelfilternachrüstlösungen des letzten Jahrzehnts emittierten deshalb vermehrt NO2.
Die einzige Abhilfe aus dieser Situation der notwendigen Existenz von NO2 ist die zusätzliche Reduzierung dieser Stickoxide durch eine weitere Abgasnachbehandlung, insbesondere die SCR-Technologie. Diese Technologie wurde bei Lkw in den Jahren 2004/2005 ohne Partikelfilter eingeführt. Damals boten Daimler Truck, DAF, Iveco und Volvo als Ergebnis einer circa zehnjährigen Zusammenarbeit diese Technologielösung erstmalig an.
Kombination von zwei Technologien notwendig
Die alternative Technologie zur SCR-Technologie war die Abgasrückführung (AGR), bei der Abgas gekühlt und anteilig dem Verbrennungsmotor wieder zugeführt wird. Lkw-seitig waren Scania, MAN, alle amerikanischen Lkw-Hersteller sowie die gesamte Pkw-Welt auf AGR fokussiert. Es war offen, welche der beiden Technologien AGR vs. SCR am Ende das Rennen macht. Heute wissen wir, dass eine Kombination von beiden Technologien erfolgreich funktioniert.
Die wesentliche Herausforderung der SCR-Technologie ist die Temperaturabhängigkeit. Erst ab rund 180 Grad darf Adblue in den Abgastrakt eingespritzt werden, bei niedrigeren Temperaturen, welche beim Dieselantrieb jedoch typisch waren, ist dies nicht möglich gewesen. Eine korrosive Belagsbildung ist die Folge. Unzählige weitere Herausforderungen wie Stabilität, Robustheit oder systemrelevante Fragestellungen gingen mit der SCR-Technologie einher.
Eingeführt wurde diese Technologie im Pkw mit Adblue-Dosierung 2008/2009 in kleinen Stückzahlen in den USA. Typischerweise 50.000 Fahrzeuge pro Jahr sind ein geeignetes Volumen, um eine anspruchsvolle neue Technologie im Feld zu erproben.
Autohersteller haben Fehler gemacht
Leider haben die Automobilhersteller im Zusammenhang mit der Einführung der SCR-Technologie Fehler begangen. Sehr viele Fahrzeuge sind derartig appliziert, dass das Abgas zu kalt ist, was eine Adblue-Einspritzung nicht ermöglicht. Mit geringem Mehrverbrauch von wenigen Prozent wären deutlich mehr Zeitanteile mit Adblue-Einspritzung möglich gewesen. Die europäischen Euro-6-Fahrzeuge ab 2014 hätten von Anfang an nur circa 200 bis 300 mg/km NOx emittieren können. Die deutliche strengere amerikanische Norm von 50 mg/km wurde vor allem durch ein noch intensiveres Heizen des Katalysators und entsprechenden Mehrverbrauch erkauft. Im Wettbewerb mit dortigen Benzinmotoren war dies vertretbar.
Leider gibt es Datensätze, die zudem die Adblue-Dosierung ohne Not reduzierten, um eine Adblue-Befüllung im Rahmen der Serviceintervalle zu bewerkstelligen. Dies ist nicht legal und verdient klare Kritik.
Dieser Sachverhalt geht mit aktuell zu klärenden eventuellen Absprachen der Industrie einher, die Einführung der NOX-Abgasnachbehandlung gemeinsam zu bestimmen. Auch dies wäre nicht akzeptabel.
Trotzdem muss folgendes zusammengefasst werden. Zu dem Zeitpunkt der technischen Definition der Euro-5-Fahrzeuge im Jahr 2004/2005 war nicht ersichtlich, welche technische Lösung den Durchbruch schafft. Eine flottenweite Einführung der SCR-Technologie war für 2009 nicht umsetzbar. Das System wurde damals noch nicht in Gänze verstanden. Die Euro-5-Entwicklung bereits ohne SCR-Technologie stellte aufgrund der Fahrzeugvielfalt schon eine kaum lösbare Herausforderung dar. Zudem wurde die SCR-Technologie sehr kritisch beäugt, Journalisten beurteilten die Adblue-Lösung äußerst skeptisch als kundenunfreundlich. Der Mehrverbrauch durch Heizmaßnahmen war CO2-nachteilig.
Vorzüge des Dieselantriebes wieder wahrgenommen
Erst in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts gelang der entscheidende Durchbruch in der Entwicklung. Aufgrund des Temperaturbedarfs des SCR-Katalysators und des chronischen Platzmangels im Fahrzeug wanderte dieser vom „kalten“ Fahrzeugunterboden unmittelbar motornah in den Partikelfilter. Ein Substrat teilt sich beide Aufgaben, die Partikelfiltration und zugleich die NOx-Reduzierung. Die Herausforderungen sind jedoch immens, der Partikelfilter verrußt ohne NOx sehr schnell und benötigt niedrigste Motorpartikelrohemissionen, Rußbeladung oder Ascheeinlagerungen beeinflussen das Laufzeitverhalten, Bauraumfragestellungen und Diagnosefunktionen wurden noch komplexer. Die ersten Fahrzeuge dieser zweiten Generation sind seit 2016 erhältlich. Alle deutschen Hersteller bieten diese Systeme heute an. Der Diesel hat seine Hausaufgaben eindrucksvoll gelöst. Die Komplexität ist kaum zu erahnen, das Ergebnis ist jedoch überzeugend.
Wären alle Pkw in Deutschland auf diesem neuesten Stand, so wäre an der höchstbelasteten Stelle in Stuttgart am Neckartor in Stuttgart der dieselseitige NO2-Beitrag entsprechend einem Zimmer, in dem circa eine Minute eine Kerze brannte. Die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit des Diesels war grotesk. Fehler wurden gemacht, die durch Updates behoben werden. Langsam kehrt wieder Vernunft ein, und die Vorzüge des Dieselantriebes werden wieder intensiver wahrgenommen.