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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Diesel und Benziner sind Teil der Lösung

Hildegard Müller, VDA-Präsidentin
Hildegard Müller, VDA-Präsidentin Foto: dpa

Die Autoindustrie ist ein Multiplikator für die Volkswirtschaft und verdient in der Krise besondere Unterstützung, mahnt VDA-Präsidentin Hildegard Müller in ihrem exklusiven Meinungsbeitrag. Alle Verkehrsträger sollten im Wettbewerb ihre Stärken ausspielen, Autos mit Verbrennungsmotor zählen dazu.

von Hildegard Müller

veröffentlicht am 06.05.2020

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Die Corona-Krise hat uns aus heiterem Himmel ereilt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Beim Bruttoinlandsprodukt droht ein Minus von 6,3 Prozent. 10,1 Millionen Beschäftigte sind in Kurzarbeit. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist auf historischem Tiefstand. Das negative Ende ist wahrscheinlich noch nicht einmal erreicht, vieles bleibt ungewiss. Die Schäden und Reparaturkosten sind enorm. Branchen, die sich wie die Automobilindustrie in einer erheblichen Transformation befinden, sind doppelt betroffen. Viele Existenzen sind bedroht. Die Menschen sind verunsichert, Arbeitsplätze in Gefahr. 

Natürlich sind wir gut beraten, aus der Krise zu lernen und tragfähige Zukunftsrezepte zu entwickeln. Wer aber ein deutlich verringertes Mobilitätsaufkommen als absolute Zielgröße setzt und die Chancen und Möglichkeiten des Individualverkehrs ausblendet, der nimmt in Kauf, dass auch der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes Schaden nimmt. 

Gerade diese Krise sollte auch denen zu denken geben, die den Klimaschutz höchste Priorität beimessen. Was passiert, wenn man die richtigen und notwendigen Anstrengungen des Klimaschutzes nicht auch mit wirtschaftlichen Erfolgsmodellen und Zukunftswachstum verbindet, kann man im Moment wie unter einem Brennglas deutlich erkennen. Weltweit dramatische soziale Folgen könnten die Folge sein.

Ohne industrielle Basis kein Ausweg aus der Krise

Vielmehr muss klar sein: Wir werden auch diese Krise nicht ohne das industrielle Fundament, das für unseren Wohlfahrtsstaat existentiell ist, meistern können. Wir müssen in dieser historisch schwierigen Zeit mehr denn je auf unsere industrielle Basis setzen, um Arbeitsplätze zu sichern. Wenn wir dies nicht schaffen, finden wir nicht die Kraft zur Bewältigung der großen Herausforderungen. 

Das sollten wir verinnerlichen, bevor es zu spät ist. Anders wird uns der so dringend ersehnte Ausweg aus der Krise schnurstracks in eine wirtschaftliche, ökologische und soziale Sackgasse führen. Viele unserer Nachbarn kennen diesen Weg bereits, spätestens seit dem Jahr 2008: Es ist der schleichende Verlust wichtiger Industrien. 

Was nicht allen ins Bild passt, aber Realität ist: Die deutsche Industrie ist international erfolgreich und weltweit vernetzt, insbesondere auch die Automobilindustrie mit ihren 833.000 direkten Beschäftigten. Die Wertschöpfungskette ist komplex. Die Zulieferindustrie ist mit einem Anteil von 70 Prozent maßgeblicher Bestandteil. Kleine und mittelständische Unternehmen sichern in vielen Städten und Regionen Beschäftigung und Wohlstand. Sie tragen derzeit eine große Last.

Diese Unternehmen haben ein klares Zukunftsrezept: Innovationen und Investitionen. Sie stehen zu den Pariser Klimazielen und den europäischen CO2-Vorgaben. Um diese zu erfüllen, investieren sie nach besten Kräften: Bis 2024 fließen 50 Milliarden Euro in die Elektromobilität, zudem 25 Milliarden Euro in die Digitalisierung. Weiterhin bauen unsere Unternehmen ihr Angebot an E-Modellen bis 2023 von heute etwa 60 auf über 150 Modelle deutlich aus. Bei der Elektromobilität sind wir Treiber. Die Automobilindustrie ist entschlossen, auch die aktuelle Herausforderung als zentrale Chance zur Weiterentwicklung zu nutzen.

Ausbau der Ladeinfrastruktur muss intensiviert werden

Welche weiteren Maßnahmen sind erforderlich, um die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen zu meistern? Damit der Hochlauf der E-Mobilität nicht nur eine Momentaufnahme bleibt, müssen die richtigen Impulse gesetzt werden. Fördermaßnahmen wie der verlängerte und erhöhte Umweltbonus tragen erste Früchte. Die Anstrengungen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur müssen aber weiter intensiviert werden, und zwar auf allen Ebenen. Ohne eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur wird der technologische Durchbruch nicht gelingen, weil der Kunde kein ausreichendes Vertrauen in die neue Technologie fasst. 

Selbstverständlich müssen wir die Zukunft inter- und multimodal denken – das steht außer Frage. Sämtliche Verkehrsträger sollten im Wettbewerb ihre Stärken ausspielen und sich besser vernetzen. Die unterschiedlichen Bedarfe der Menschen, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben, müssen berücksichtigt werden. Dabei wird insbesondere die Digitalisierung ein wesentlicher Faktor sein. 

Angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gilt es, nun rasch ein Konzept zu entwickeln, das die Gesamtwirtschaft aus der Krise holt, mit positivem Effekt für Klimaschutz und Luftqualität. Jede Branche hat hier verschiedene berechtigte Punkte

Dies gilt auch für die Automobilindustrie. Hier können neben neuen Antriebsformen zum Beispiel auch moderne Diesel-Pkw und Benziner ihren Beitrag leisten und Teil der Lösung sein. Denn moderne Diesel haben das Feinstaub-Problem schon seit Jahren gelöst. Gleiches gilt für das NOx-Thema bei Diesel-Fahrzeugen mit der Euro-Norm 6d temp und den neuen Modellen mit Euro 6d. 

Dass sie besonders effizient sind, zeigt ein Langfristvergleich: Vor zehn Jahren betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß eines Fahrzeuges noch 151,2 Gramm. Heute sind es nur noch 122,7 Gramm, eine Reduktion im Schnitt von 19 Prozent. Die Werte werden sich mit konsequenter Forschung und Entwicklung weiter verbessern.

Autoindustrie als Multiplikator

Der große Vorteil unserer Industrie ist: Sie ist ein wichtiger Multiplikator. An jedem Arbeitsplatz in der Automobilindustrie hängen zwei weitere in anderen Wirtschaftsbereichen. Vorgelagert sind viele weitere Branchen, wie die Chemie- und Stahlindustrie oder der Maschinenbau. Viele benachbarte Dienstleistungsbranchen sitzen mit der Automobilindustrie in einem Boot

93 Milliarden Euro an Steuereinnahmen hängen am Automobil und 100 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr in anderen Wirtschaftsbereichen sind auf die Automobilindustrie zurückzuführen. Dazu kommen 57,5 Milliarden Euro, die Hersteller und Zulieferer in Löhne und Gehälter im Jahr 2019 investierten. Kurzum: Die Automobilindustrie ist eines der wichtigsten Zugpferde für die gesamte deutsche Volkswirtschaft.

Die große Herausforderung der Coronakrise werden wir nur in wertschätzendem Diskurs um die besten Ideen gewinnen, wir alle sollten dazu unseren Beitrag leisten.

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