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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Eine Fortschrittskoalition muss elektrisieren

Christian Levin, CEO von Traton
Christian Levin, CEO von Traton Foto: promo

CO2-Neutralität ist im Transportsektor batterieelektrisch erreichbar, sagt der neue Chef der VW-Nutzfahrzeugtochter Traton. Doch dafür muss die Ampelkoalition die richtigen Rahmenbedingungen setzen, fordert Christian Levin. Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Pkw sollten Megawatt-Charger für Lkw gleich mitgedacht werden.

von Christian Levin

veröffentlicht am 13.12.2021

aktualisiert am 06.01.2023

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Die wichtigste Volkswirtschaft in der Europäischen Union wird nun von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen in einer selbst ernannten Fortschrittskoalition geführt. Der Koalitionsvertrag weist den Weg: Ein vorgezogener Kohleausstieg, der Ausbau der Erneuerbaren, Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung, all das klingt vielversprechend, auch weil die neue Bundesregierung sich klar zum 1,5-Grad-Ziel bekennt.

Wir unterstützen diesen Kurs ausdrücklich und sind bereit mit der neuen Bundesregierung die Extrameile zu gehen. Denn die Gebote der Stunde in unserer Branche lauten Transformation und Dekarbonisierung. Wenn wir es nicht schaffen, signifikante CO2-Einsparungen im Transportsektor zu erreichen, wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Viel zu lange, und das meine ich genauso selbstkritisch, wie es klingt, ist zu wenig passiert. Und das heißt für unseren Konzern, bei dem in Augsburg der Diesel-Motor erfunden wurde, dass wir den fossilen Antriebskraftstoff in den Ruhestand verabschieden werden.

Unsere hauseigene Fortschrittskoalition aus den Marken MAN und Scania setzt aus ökonomischen und ökologischen Gründen im Fernverkehr voll auf die Batterie. Jetzt ist die Zeit, auch die politischen Weichen für den Transport der Zukunft zu stellen. Denn: Die Technologie ist da, wir müssen sie jetzt nur gemeinsam mit der Politik auf die Straße bringen.

Auch im Fernverkehr setzt sich der E-Lkw durch

Bei Bussen haben wir viel erreicht. Hier ist die Batterie nicht mehr wegzudenken. Auch im lokalen Verteilerverkehr werden bald elektrische, CO2-effiziente, fast lautlose und lokal emissionsfreie Lkw zum Alltag gehören. Der Fernverkehrs-Lkw, da bin ich mir sicher, ist als nächstes an der Reihe. Schließlich ist er – anders als ein Pkw –ein Investitionsgut, das nahezu dauerhaft bewegt wird, wodurch die Energiekosten viel stärker dominieren als der Anschaffungspreis. Entsprechend massiv fällt der Vorteil aus, die Batterie kostengünstig und hocheffizient mit grünem Strom zu laden.

Die gesetzliche Pflicht zu 45-minütigen (Lade)-Pausen und perspektivische Reichweiten von bis zu 1.000 Kilometern werden den E-Lkw im Fernverkehr bereits Mitte des Jahrzehnts nicht nur bei den Gesamtkosten auf ein Preisniveau mit dem Diesel-Lkw bringen. Beim Wasserstoff sehen wir hingegen einen signifikant geringeren Wirkungsgrad, hohe Kosten und eine ungewisse Vefügbarkeit. Branchen wie Schifffahrt, Stahlerzeugung und Luftfahrt werden ihn zudem prioritär benötigen.

Ampelkoalition muss Signal setzen

Ja, wir sind technisch in der Lage, die rechte Spur auf der Autobahn zu dekarbonisieren. Aber dazu braucht es ein starkes Signal der neuen Bundesregierung, diesen Weg gemeinsam mit der Nutzfahrzeugindustrie zu gehen. Die Fortschrittskoalition sollte also schnell elektrisieren. Dabei stimmen viele Aussagen aus dem Koalitionsvertrag hoffnungsvoll: Die Koalitionäre wollen die Ladeinfrastruktur massiv ausbauen, man will Leitmarkt für die Elektromobilität werden und hat dabei sogar das bidirektionale Laden im Blick.

Aus Lkw-Sicht heißt das: Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sollten gemeinsam alles daran setzen, damit im Rahmen der neuen Legislaturperiode ein leistungsfähiges Ladenetz für E-Lkw entsteht. Beim Pkw geschieht dies bereits mit dem Deutschlandnetz. Warum wird im Rahmen dieses Programmes nicht schon an die Lkw-Ladebedarfe gedacht? Noch ist es nicht zu spät, und es hätte den großen finanziellen Vorteil, nicht zweimal planen und bauen zu müssen. Auch brauchen wir zeitnah einen Aktionsplan Megawatt-Charging für E-Lkw.

Die Hersteller investieren bereits in Ladeinfrastruktur

Und weil die Koalitionäre auf den Vorrang privater Investitionen bei der Ladeinfrastruktur setzen, gehen wir selbst bei der Ladeinfrastruktur für Fernverkehrs-E-Lkw voran und arbeiten mit unseren Partnern Daimler Truck und Volvo Group an einem gemeinsamen Ladeinfrastruktur-Joint-Venture. 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte sollen EU-weit für batterieelektrische Fernverkehrs-Lkw entstehen. Das allein wird aber nicht reichen. Es braucht mehr Ladepunkte und weitere Anreize und Vorteile wie etwa die Zulassung für Nachtlogistik mit lautlosen Elektrofahrzeugen, Ausnahmen beim Sonntagsfahrverbot für elektrische Lkw oder die zügige Umsetzung einer CO2-basierten Lkw-Maut.

Wir wollen eine klimaneutrale Zukunft, die es nicht zum Nulltarif geben wird. Wir sind bereit, alles zu tun, um Ziele früher zu erreichen, den Umstieg schneller zu schaffen, die Transformation als Chance zu begreifen. 2030 muss der Verkehrssektor sprichwörtlich liefern. Dafür wollen wir unseren Beitrag mit batterieelektrischen Produkten leisten. Wir brauchen nur geeignete Rahmenbedingungen.

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