Weltweit versuchen Gesetzgeber, neue Mobilitätsdienste in bestehende Verkehrsordnungen zu integrieren. Denn in die bisher bestehenden Regelungen fügen sich die digitalisierten Dienste, die auf neuen Technologien basieren, nur schwer ein. Auch Free Now hat bereits mit unterschiedlichsten Regulierungsmodellen Erfahrungen gesammelt – im Guten wie im Schlechten. Als Faustformel lässt sich festhalten, dass diejenigen Länder geeignete Modelle gefunden haben, die für vergleichbare Services gleiche Regeln und Rahmenbedingungen gefunden haben. Beispiele sind Estland, Finnland und Polen.
In Deutschland steht eine Reform der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen noch auf der Agenda der Großen Koalition: Viele haben letztes Jahr erwartungsvoll nach Berlin geblickt, als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ankündigte, den Rechtsrahmen für die Personenbeförderung zu modernisieren. Die Bundesregierung hat sich diesbezüglich ehrgeizige Ziele im Koalitionsvertrag gesetzt: Es werden gleiche und faire Voraussetzungen für alle Mobilitätsanbieter in Aussicht gestellt, vor allem sollen die Bedürfnisse des Verbrauchers in den Mittelpunkt rücken. Doch die Vorfreude wurde enttäuscht. Zuletzt sah es so aus, als ob es nur kleinere Veränderungen geben wird.
Ungleiche Regeln bringen Taxi- und Mietwagenfahrer gegeneinander auf
Bleibt eine mutige Reform aus, gibt es nur Verlierer. Das selbst gesteckte Ziel, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, würde damit verfehlt. Verlierer wären vor allem die Fahrer und Verkehrslizenzinhaber, die aufgrund unterschiedlicher Vorgaben derzeit in einen ungleichen Wettbewerb miteinander treten müssen. Ungleiche Regeln treiben einen Keil zwischen zwei Berufsgruppen, die eigentlich denselben Wunsch haben: ihre Fahrgäste sicher, gut und zu einem auskömmlichen Verdienst auf dem schnellsten Weg an ihr Ziel zu bringen.
Die Spannungen zwischen Mietwagen- und Taxifahrern entladen sich direkt auf der Straße, wie man auf Demos und unschönen Szenen am Flughafen beobachten kann. Beide Seiten beklagen, vom Gesetzgeber ungleich behandelt zu werden: Die Mietwagenfahrer verstehen nicht, weshalb sie mit einer Leerfahrt zum Betriebssitz zurückkehren müssen, sofern sie keinen Folgeauftrag haben. Taxifahrer haben das Nachsehen mit einem starren Tarifsystem und mit der Ortskenntnisprüfung höhere Schwellen für die Erlangung des Personenbeförderungsscheins. Pooling-Dienste wiederum sind im Mietwagenverkehr nur über eine komplizierte Experimentierklausel möglich, beim Taxi-Sharing dürfen Endpreise vorab nur mit einer Sondergenehmigung gezeigt werden.
Fahrgäste nehmen die Unterschiede zwischen den Diensten kaum wahr
Diese Verkehrstypologie war sicher einmal sinnvoll, als man die Dienste je nach Aufgabenfunktion voneinander unterscheiden konnte: Den Mietwagen gab es in der analogen Welt hauptsächlich für ein zahlungskräftiges Klientel in der automobilen Oberklasse. Mit den heutigen technologischen Möglichkeiten verzerrt der veraltete Rechtsrahmen jedoch künstlich den Wettbewerb im Bestellmarkt. Sowohl Taxi- als auch Mietwagen- und Pooling-Anbieter konkurrieren nun zu völlig unterschiedlichen Bedingungen in einem gemeinsamen Markt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, die regulatorischen Vorgaben in ein gemeinsames Regelwerk zu überführen. Ein weiterer Regulierungstyp für Pooling-Dienste rechtfertigt sich ebenfalls nicht. Stattdessen sollte die bessere Auslastung aller Fahrzeuge das primäre Ziel sein und mit weiteren Anreizen versehen werden.
Eine weitere wichtige Gruppe, die in der jetzigen Debatte viel zu kurz kommt, sind die Fahrgäste. Wer heute per App einen Service bucht, nimmt die Unterschiede und Grenzen, die der Gesetzgeber zieht, nicht wahr. Die Services sind nahezu identisch. Verbraucher nutzen immer stärker neue Dienste und Technologien, denn sie bieten ihnen immer mehr Mobilitätsalternativenin verschiedenen Situationen. Die Nutzung des eigenen Autos vor allem im Bereich der Innenstädte wird im Konzert von klassischem ÖPNV, Taxis, Mietwagen, Carsharing und E-Scootern immer unattraktiver. Und das ist politisch auch so gewollt. Digitale Plattformen, auf denen die Services aggregiert werden, bieten dem Verbraucher maximale Transparenz, eine nahtlose Reisekette, vereinfachtes Ticketing und wertvolle Zusatzservices. Zudem wollen Verbraucher sich sicher fühlen.
Ein Preiskorridor mit Unter- und Obergrenze
Zu dem Gefühl der Sicherheit gehört auch, dass der Fahrgast geschützt wird: Am Taxihalteplatz und bei der Taxibestellung am Straßenrand sollen dem Verbraucher keine Verhandlungen zugemutet werden. Es gilt der örtlich festgelegte Tarif und es wird wie bisher nach Taxameter abgerechnet. Der Reformvorschlag von Free Now zielt auf den Bestellmarkt. Digitale Plattformen und klassische Vermittler sollen in der Lage sein, Preise innerhalb eines Korridors flexibel anzusetzen und bargeldlos über die Plattform abzurechnen. Eine Untergrenze schützt das Fahrpersonal, eine Obergrenze den Fahrgast. Die Preissetzung kann unter anderem durch Angebot- und Nachfrage, Fahrzeugklasse und Fahrgastpooling determiniert werden. Innerhalb eines solchen Rahmens wird die Unterscheidung zwischen Taxi und Mietwagen aufgehoben. Im Bereich der Personenbeförderung gibt es nur noch eine Verkehrslizenz.
Die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes bietet folglich große Chancen, die Wünsche von Fahrern und Verbrauchern endlich in einem modernisierten Gesetzesrahmen umzusetzen. Uns ist bewusst, dass eine solche Reform Mut seitens der Politik erfordert. Derzeit lotet eine Findungskommission aus Bund- und Länder-Vertretern Kompromisse zwischen den Parteien aus. Offen ist die Frage, ob die neuen Mobilitätsdienste endlich mehr Fahrt aufnehmen können oder auf der Standspur stehen bleiben. Von dort aus werden wir in Deutschland dann allerdings den internationalen Wettbewerbern hinterherschauen. Daher appellieren wir an die Politik, mutig zu handeln. Eine große Reform muss her, die eine Antwort auf die genannten Spannungsfelder findet.