Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen – was eine Binsenweisheit für unser tägliches Leben ist, trifft ganz ähnlich auch auf die Güterverkehrspolitik zu. Die Politik erwartet von den Güterbahnen mehr Leistung, um den Treibhausgas-Ausstoß zu senken. Um das politische Ziel zu erreichen, den Marktanteil von heute 18,5 auf 25 Prozent bis 2030 zu steigern und die Straßen zu entlasten, müssen die Tonnenkilometer um 60 Prozent anwachsen.
Die Branche hat erst kürzlich wieder dieses Ziel bestätigt. Allerdings unter der Voraussetzung, dass der Bund seine grundgesetzliche Verantwortung wahrnimmt und die dafür nötige Schieneninfrastruktur baut. Leider, leider, raunt es aus den Ministerien, müsse aber künftig die Schuldenbremse beachtet werden. Will heißen: Das Budget für Neu- und Ausbau würde weiter unterhalb des Ausgabenniveaus von Österreich liegen, für neue Stellwerke und Leit- und Sicherungstechnik fehlt das Geld, ebenso für die zusätzlichen Vorhaben aus dem Deutschlandtakt-Konzept.
Der Ampel fehlt ein politischer Kompass
Die überfällige Elektrifizierung, schnellere Sanierung überalterter Strecken und die zur Kapazitätssteigerung dringend notwendigen „kleinen und mittleren Maßnahmen“ sind ebenfalls unterfinanziert. Der Verweis auf die Schuldenbremse ist jedoch irreführend, da wir es nicht mit einem Geld-Problem, sondern einem Prioritäten-Problem zu tun haben. Der Ampel fehlt es an einem Kompass, der die Richtung im Verkehrsbereich vorgibt.
Wohin das führen kann, hat sich auf fatale Weise im Verkehrshaushalt 2022 gezeigt: Es wurde der Kabinettsbeschluss der alten Regierung übernommen, Änderungen waren eher kosmetischer Natur. Die Devise muss aber lauten, durch Umschichtung und Abbau von Subventionen den Pfad eines klimaschonenden Güterverkehrssystems zu beschreiten.
Mehr Geld für die Straße als für die Schiene
Allen Beteuerungen von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Trotz, man werde im Jahr 2022 erstmalig mehr in die Schiene als die Straße investieren: Wer genau hinsieht, stellt fest, dass der Bund mit knapp 3 Milliarden Euro nach wie vor etwa 50 Prozent mehr für neue Straßen als für seine neuen Schienenwege ausgibt, für die nur knapp 2 Mrd. Euro bereitstehen. Bei einer konsequenten Fokussierung auf den Erhalt müssen diese 3 Milliarden Euro weg vom Straßenneu- und -ausbau und stattdessen vollständig für den Ausbau der klimafreundlichen Schiene umgeschichtet werden. Dort wären für die Erfüllung der Bedarfsplanprojekte in 2023 mindestens 3 Milliarden Euro nötig, die bis zum Ende des Jahrzehnts auf 6 Milliarden Euro jährlich ansteigen müssen.
Mangels Baurechts kurzfristig nicht verbaubare Mittel sollten zudem langfristig gesichert werden und als Grundstock für einen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild dienen. Durch zurückhaltende Planungstätigkeit der DB Netz wurden in den vergangenen Jahren selbst die zu geringen Mittel häufig nicht komplett verbaut. Dies ist jedoch nicht als Signal an die Politik zu verstehen, dass die Mittel ausreichen, sondern dass mit wenig geplant wird, da die Planungssicherheit fehlt. Ein klassisches- Henne-Ei-Problem, dem man durch einen überjährigen Infrastrukturfonds abhelfen könnte – wenn man denn will.
Subventionen für die Straße abbauen
Das Festhalten am Dieselsteuerprivileg – der künstlichen Verbilligung des Diesels gegenüber Benzin – sorgt für einen Steuerausfall von jährlich etwa 4,9 Milliarden Euro allein im Güterverkehr. Dieses Geschenk an den fossilen Straßengüterverkehr wird in diesem Jahr mit dem Tankrabatt sogar auf circa sechs Milliarden Euro erhöht. Das ist teuer und unlogisch angesichts der Klimaziele. Nach dem grotesken Tankrabatt heißt die Devise daher: Einstieg in den Ausstieg des Dieselsteuerprivilegs.
Zusätzlich könnten nach dem neuen Europarecht bereits die durch die beabsichtigte „kleine“ Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes erwirkten Mehreinnahmen für zusätzliche Investitionen in die Schiene nach dem Schweizer Vorbild eingesetzt werden. Dass in Deutschland nur auf dem Fernstraßennetz (6 Prozent des Gesamtnetzes) Lkw-Maut erhoben wird, während die Schiene für jeden Meter Trassenentgelte zahlen muss, verzerrt nicht nur den Wettbewerb, sondern bedeutet auch einen Verzicht auf Einnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro.
Klimafonds nutzen
Außerdem sollte der Klima- und Transformationsfonds als Finanzierungsquelle erschlossen werden. Ein Teil der neu übertragenen 60 Milliarden Euro könnte als zusätzliche Investition für die Eisenbahninfrastruktur den Zweck der „Förderung [der] kohlendioxidneutrale[n] Mobilität“ besonders gut erreichen und damit helfen, das Ziel der Verringerung des Imports fossiler Kraftstoffe zu unterstützen.
Die aktuell katastrophale Kapazitätsknappheit im Netz der DB duldet keinen Aufschub. Die schnelle Ertüchtigung der Ausweichrouten durch kleine und mittlere Maßnahmen ist entscheidend, um trotz Bauaktivitäten Fahrzeiten und Umläufe nicht zu gefährden. Für neue, „schnelle“ Weichen, Verdichtungen der Signalabstände, zusätzliche Abstellanlagen, Beschleunigungsgleise oder höhenungleiche Ein- und Ausfädelungen ist eine deutliche Erhöhung der Mittel dringend erforderlich.
Digitalisierung vorantreiben
Die beschleunigte Ausrüstung des Schienennetzes sowie vorlaufend der Schienenfahrzeuge mit digitaler Leit- und Sicherungsstechnik ist zusammen mit der Erneuerung der Stellwerke ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem leistungsfähigen, grenzüberschreitenden europäischen Eisenbahnraum. Das Ziel lautet, das gesamte Netz bis 2035 vollständig umgerüstet zu haben. Die Güterbahnen teilen den einstimmigen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom Mai, dass nun endlich die benötigten Mittel – insbesondere für die bundesweite Ausrüstung von fahrzeugseitigen ETCS-Komponenten – vom Bund bereitgestellt werden müssen.
Die Bundesregierung leistet sich Milliardensubventionen für den klimaschädlichen Lkw-Verkehr. Mitnichten fehlt also das Geld, sondern der Mut, an diesen althergebrachten Verteilungsstrukturen zu rütteln. Genau das muss sie aber tun, wenn sie die Ziele ihres mit „Mehr Fortschritt wagen“ überschriebenen Koalitionsvertrages erreichen will.