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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Feststoffbatterie nicht nur für Supersportwagen

Michael Stapelbroek, Vice President Electric Powertrain FEV Europe
Michael Stapelbroek, Vice President Electric Powertrain FEV Europe Foto: FEV

Die Feststoffbatterie muss deutlich kostengünstiger werden. Andernfalls wird sie über Spezialanwendungen wie Hypercars nicht hinauskommen. Michael Stapelbroek vom Entwicklungsdienstleister FEV und Florian Pampel von der RWTH Aachen geben schon vor ihrem Auftritt auf dem Wiener Motorensymposium Einblick in den Stand der Forschung.

von Michael Stapelbroek

veröffentlicht am 14.04.2023

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Die Elektrifizierung unserer Fahrzeuge schreitet voran. Dies führt zu immer ambitionierteren Entwicklungszielen der entsprechenden Batteriesysteme. Für rein batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) ist in der öffentlichen Diskussion neben der Ladezeit die erzielbare Reichweite das entscheidende Kriterium. Heutzutage übliche Reichweiten erfordern dabei enorme Energieinhalte, insbesondere bei einem Oberklasse-SUV.

Deswegen ist es Ziel, die Energiedichte der Batteriezellen bei gleichzeitiger Erhaltung oder Erhöhung der Sicherheit und Leistungsdichte zu erhöhen. Außerdem versucht man, immer mehr Zellen auf engstem Raum unterzubringen. Solid-State-Batteriezellen (SSB) stellen eine interessante Option dar, um diese Ziele zu erreichen.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Feststoffbatterie und einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie (LIB) bestehen im Material der verwendeten Anode und des Elektrolyten. Die Anode ist der „Minuspol“ der Batterie und der Elektrolyt das interne Leitmedium für die Lithium-Ionen. In aktuellen Lithium-Ionen-Zellen kommen Graphitanoden und flüssige Elektrolyte zum Einsatz. In Batteriezellen der nächsten Generation sollen Anoden aus Silizium oder metallischem Lithium genutzt werden. Diese besitzen eine bis zu zehnfach höhere theoretische Kapazität, bergen jedoch verschiedene Herausforderungen und Risiken. 

Hoher Druck von außen notwendig

Beim Entladevorgang der Batterie gibt die Anode Elektronen in den Stromkreis ab, und Lithium-Ionen wandern durch den Elektrolyten in der Zelle von der Anode zur Kathode („Pluspol“). Beim Ladevorgang kehren sich diese Prozesse um. Sowohl durch die Einlagerung in Graphit als auch durch die wiederholte Ablagerung von metallischen Lithium dehnt sich die Batteriezelle aus, im zweiten Fall deutlich stärker.

Die Legierung von Lithium in Silizium verursacht eine rund 300 Prozent stärkere Ausdehnung als die Interkalation in Graphit. Ein Ansatz, die Verwendung metallischer Anoden trotz dieser Herausforderungen zu realisieren, ist der Einsatz von nicht-flüssigen Elektrolyten. Deren Einsatz erfordert jedoch für den zuverlässigen Kontakt zwischen Anode und Elektrolyt einen hohen äußeren Druck für einen optimalen Kontakt.

Auf dem Weg zur reinen All-solid-state Battery (ASSB), also einer Zelle ohne flüssige Komponenten, werden bei aktuellen Zelldesigns häufig noch geringe Anteile Flüssigelektrolyt zugegeben, um die Betriebssicherheit zu steigern und um den Kontaktwiderstand Elektrode/Elektrolyt zu reduzieren. Ziel ist es, den Anteil dieses Flüssigelektrolyten schrittweise zu reduzieren und den Anteil des Siliziums in der Anode zu steigern beziehungsweise durch metallisches Lithium zu ersetzen.

Heute können große Zellen mit einem signifikanten Siliziumanteil in der Anode hergestellt werden. In den nächsten Entwicklungsstufen soll der Siliziumgehalt der Anode schrittweise auf bis zu 100 Prozent erhöht werden. Finales Entwicklungsziel ist der Einsatz einer Anode aus metallischem Lithium statt Silizium, weil hier die Energiedichte noch höher sein kann.

Trotz zahlreicher unterschiedlicher Ansätze im Labor stellt die Herstellung eines Feststoff-Elektrolyten mit optimalen technischen Parametern bei vertretbaren Kosten und guter Anbindung an Anode und Kathode eine der aktuell größten Herausforderungen dar. Unter der Annahme, dass diese Herausforderung gelöst werden kann, hat der Entwicklungsdienstleister FEV eine Konzeptstudie für diese vielsprechende Technologie von der Zelle zu einem gesamten Batteriesystem vorgenommen.

Verschiedene Konzepte für automobile Anwendungen

Um zu untersuchen, inwieweit sich die Eigenschaften der einzelnen Batteriezelle auf die Systemebene auswirken, wurden verschiedene Konzepte für automobile Anwendungen betrachtet. Ausgehend von einer aktuell verfügbaren und vermessenen Solid-State-Zelle mit flüssigen Elektrolytbestandteilen und signifikant viel Silizium in der Anode wurden unterschiedliche Aspekte des Systemdesigns, zunächst ohne Fokus auf die Optimierung der Energiedichte, untersucht.

Erste Evolutionsschritte im Zuge einer initialen technologischen Machbarkeitsstudie, basierend auf konventionellen, modularen Batteriekonzepten, führten aufgrund der notwendigen Designmaßnahmen zur Erfüllung der speziellen Zellbedürfnisse zu einer Energiedichte von 215 Wattstunden je Liter (Wh/l) auf Systemebene. Dies ist zwar nach aktuellen Maßstäben wettbewerbsfähig, aber nicht revolutionär.

Um die Energiedichte auf Systemebene zu erhöhen, wurde im nächsten Schritt das Gesamtdesign der Batterie verändert. Hierzu wurde zum einen das Zellformat optimiert, zum anderen wurden die Zellen enger gepackt, was durch die hohe Eigensicherheit ermöglicht wird. Der Einsatz von Stahl anstatt des bisher verwendeten Aluminiums als Gehäusematerial erlaubt die erforderliche Struktursteifigkeit bei dünneren Wandstärken und eine Reduzierung der Anzahl der Strukturelemente.

Die Bauhöhe des Packs konnte insgesamt um elf Prozent reduziert werden, eine signifikante Verkleinerung. Weitere Volumeneinsparungen wurden unter anderem durch den Einsatz drahtlosen Datenaustauschs in dem Batteriesystem realisiert. Am Ende dieser Entwicklungsschritte entstand ein Batteriesystem aus vier großen Untereinheiten, welche die Zellstapel enthalten. Im Vergleich zum initialen Ansatz basieren hier die Solid-State-Zellen auf der direkten Folgegeneration mit Siliziumoxid-Anode, die ab Ende 2023 verfügbar sein wird. 

Mit der kommenden Zellgeneration sind Energiedichten von rund 460 Wh/l auf Batterieebene realisierbar, unter der Annahme, dass die Zellen die angekündigte Energiedichte in der Praxis erreichen und in das entwickelte Batteriedesign integriert werden können. Hiermit wird etwa eine Verdoppelung der Energiedichte auf Batterieebene erreicht.

Wesentliche Hürde sind derzeit die Kosten

Grundsätzlich verfügen SSB über das technologische Potenzial, der nächste Evolutionsschritt in der Batterietechnik zu werden und somit die Dekarbonisierung des Verkehrs- und Energiesektors deutlich zu beeinflussen. Wie das oben vorgestellte Entwicklungsprojekt zeigt, sind bis dahin jedoch noch verschiedene Herausforderungen zu bewältigen.

Die wesentliche Hürde, neben der Optimierung der Batteriezelle, sind derzeit die Kosten, die primär durch die Rohstoffe und die Produktionsprozesse verursacht werden. Verschiedenste Unternehmen, vor allem Start-ups, haben Durchbrüche für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts angekündigt. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnten Zellen auf den Markt kommen, die revolutionäre Energiedichten erreichen, jedoch auch kostenintensiv sein werden.

Ohne die kostenseitige Konkurrenzfähigkeit wird sich deren Einsatz voraussichtlich auf Nischen- und Spezialanwendungen wie Hypercars beschränken. Für das Erreichen großer Marktvolumina bieten die „noch höhere“ Energiedichte und die thermische Sicherheit allein keinen hinreichenden Mehrwert, denn auch die konventionellen LIB werden stetig weiterentwickelt und ermöglichen vermutlich bereits in naher Zukunft höhere, aber voraussichtlich nicht ganz so hohe Energieinhalte.

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