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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte In autonomen Shuttle-Bussen sicher unterwegs

Dirk Balgheim, Leiter Public Transportation bei T-Systems
Dirk Balgheim, Leiter Public Transportation bei T-Systems Foto: promo

Das autonome Fahren wird langsam vom Zukunftsversprechen zur greifbaren Realität. Lösungen, die den öffentlichen Nahverkehr vor allem im ländlichen Raum ergänzen, müssen das Thema Sicherheit mitdenken.

von Dirk Balgheim

veröffentlicht am 24.01.2023

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Der Sommer 2022 war für viele Menschen verbunden mit einer neuen Form von Freiheit, wenn es um Mobilität ging: Das Neun-Euro-Ticket war in aller Munde, sorgte für volle Regionalbahnen und zeigte deutlich, dass ein unkomplizierter und günstiger öffentlicher Nahverkehr viel Anklang findet. Der Nachfolger, das 49-Euro-Ticket, steht mittlerweile in den Startlöchern. Wer vom Neun-Euro-Ticket allerdings nicht viel hatte und vermutlich auch wenig Vorfreude auf den teureren Nachfolger verspürt: die vielen Menschen in den ländlichen Gebieten Deutschlands, die weder mit dem Bus noch mit der Bahn einen alltagstauglichen Anschluss an das Netz vorfinden.

Ein Versprechen für die Zukunft

Ein Versprechen für eine zukünftige Lösung liefern diverse Marktteilnehmer der autonomen Mobilität. Während viele Unternehmen die technische Entwicklung der Sensoren, ihres Zusammenspiels und der Steuerung über künstliche Intelligenz vorantreiben, werden an anderer Stelle die möglichen Anwendungsfälle schon erprobt. Über 60 teilweise bereits abgeschlossene Projekte mit autonomen Shuttle-Bussen listet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen derzeit auf, von Sylt bis Friedrichshafen. Das Versprechen: Mobilitätslösungen, von denen alle profitieren – auch die, die bisher auf Individualmobilität angewiesen waren.

Seit dem 18. November 2022 beispielsweise sind auf einer 2,7 Kilometer langen Teststrecke im Frankfurter Stadtteil Riederwald elektrische Kleinbusse autonom unterwegs. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) sammelt hier im Rahmen des Projekts Electric Autonomous Shuttle for You (EASY) Erfahrungswerte, wie sich autonome Elektro-Fahrzeuge in den öffentlichen Nahverkehr einbinden lassen.

Die Vorteile liegen auf der Hand

Der autonome Shuttle-Service soll künftig in den Randgebieten des Tarifgebiets zum Einsatz kommen. Also überall dort, wo sich klassische Linienbusse nicht rechnen. Erstmals in Deutschland ist bei dem Projekt ein On-Demand-Angebot via App verfügbar, einige der Haltestellen ermöglichen außerdem die barrierefreie Mitnahme von Rollstühlen.

Die Vorteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand: Sie erweitert nicht nur das Gebiet, in dem Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr zugreifen können. Sie ist darüber hinaus grundsätzlich ein Gewinn an Bewegungsfreiheit für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Auch der zeitliche Rahmen kann prinzipiell erweitert werden, wenn der letzte Bus eben nicht mehr vom Schichtende einer Busfahrerin oder eines Busfahrers abhängt. So sind gerade in Zeiten des Fachkräftemangels autonome Lösungen zusätzlich besonders attraktiv.

Die Idealvorstellung: ein flächendeckendes System von rund um die Uhr fahrenden, barrierefrei zugänglichen autonomen Shuttles, die Zubringerdienste zu Knotenpunkten erbringen.

Künstliche Intelligenz für Sicherheit

In der Diskussion um autonomes Fahren darf das Thema Sicherheit nicht zu kurz kommen. Dabei denkt man zunächst an die Vermeidung von Unfällen und den sicheren Betrieb der kleinen Busse. Für das Sicherheitsempfinden ist allerdings auch der Innenraum entscheidend. Bei einer Umfrage des ADAC nannten 38 Prozent der ÖPNV-Nicht- und -Wenignutzer ein Gefühl der fehlenden Sicherheit als Grund für die Bevorzugung des eigenen Fahrzeugs. Da seit diesem Jahr die Anwesenheit eines „Operators“ im öffentlichen Straßenverkehr für autonom fahrende Fahrzeuge gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben ist, muss für die Fahrgäste, die bisher im Fahrpersonal Ansprechpersonen vorfanden, ein Ersatz her. Eine Lösung bieten Onboard-Kameras mit KI-basierter Personenerkennung.

Sicherheit und Datenschutz im Shuttle

Beim Projekt des RMV sind solche Kameras in den Shuttles installiert. Diese geben Daten an eine KI-basierte, vortrainierte Software von T-Systems namens „Computervision“. Sie wertet die Videobilder aus und erkennt, wie viele Personen im Bus sind, ob sie stehen, Masken tragen und ob ein Fahrgast ein Gepäckstück vergessen hat. Akute Gefahrensituationen erkennt das System ebenfalls automatisch.

Die Datenanalyse findet nicht zentral in der Cloud statt, sondern direkt dort, wo die Daten erfasst werden – also im Fahrzeug. Das beschleunigt nicht nur die Datenverarbeitung, sondern reduziert auch das zu übertragende Datenvolumen. Dadurch stehen die benötigten Informationen nahezu in Echtzeit zur Verfügung. Dabei werden Videodaten zu keinem Zeitpunkt gespeichert. Computervision erkennt nur die Anzahl der Personen und überträgt diese anonyme Zahl auf eine digitale Anzeige im Shuttle und in einen Statusbericht für den RMV. Die Persönlichkeitsrechte werden dadurch gewahrt, der Datenschutz gewährleistet.

Die Kommunikation mit dem Fahrgast erfolgt über die digitale Anzeigetafel im Bus. Trägt ein Fahrgast etwa keine aktuell vorgeschriebene Maske, weist die Anzeigetafel darauf hin. Diese Tafel dient auch als Infomedium, falls ungewöhnliche Verkehrssituationen wie Staus oder Unfälle eintreten.

Künstliche Intelligenz wird die Art, wie wir Mobilität nutzen, in Zukunft grundsätzlich verändern. Autonome Fahrfunktionen sind das beste Beispiel dafür. Wenn sie zusätzlich dazu beitragen, dass mehr Menschen mit einem guten und sicheren Gefühl ihre Fahrt antreten, werden autonome Fahrfunktionen im öffentlichen Nahverkehr zu einem wichtigen Baustein der Mobilitätswende.

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