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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Regulierung bremst Innovationen nicht aus

Alexander Möller, Rechtsanwalt und Senior Partner bei Roland Berger
Alexander Möller, Rechtsanwalt und Senior Partner bei Roland Berger Foto: promo

Eine Reform des Personenbeförderungsrechts sollte vor allem die Regulierung neuer digitaler Mobilitätsanbieter im Blick haben, schreibt Alexander Möller, Senior Partner im Kompetenzzentrum Transportation von Roland Berger. Er schlägt vor, den Konflikt um die Rückkehrpflicht durch städtische Mobilitäts-Hubs zu lösen.

von Alexander Möller

veröffentlicht am 01.10.2019

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Warum wird überhaupt eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) diskutiert? Unmittelbare Lenkungswirkung in Sachen Klimaschutz wird ein reformiertes PBefG auf den ersten Blick kaum entfalten. Dazu sind die Märkte zu fragmentiert und die Lösungen lokal zu unterschiedlich.

Weil eine Verkehrswende aber nur durch eine Mentalitäts- und Verhaltensänderung der Bürger gelingen kann und das PBefG die Alltagsmobilität aller ohne Auto wesentlich regelt, ist die Arbeitszeit der sogenannten Findungskommission des Bundes und der Länder – und dadurch aller Interessenvertretungen der Branche – gut investiert.

Konzentration auf die Regulierung neuer Geschäftsmodelle 

Im Rahmen der PBefG-Novelle sollte sich die Politik vor allem auf die Regulierung neuer Geschäftsmodelle konzentrieren. Insbesondere sollten digitale Innovationen und die Prüfung bestehender Vorschriften auf ihre Alltagstauglichkeit im Vordergrund stehen. Denn mühevolle Genehmigungsverfahren für Anbieter wie Moia in Hamburg, den Berlkönig in Berlin und andere haben gezeigt: Die bestehenden Regelungen reichen für rechtssichere und skalierbare Angebote der Anbieter auf Dauer nicht aus.

Hinzu kommt, dass globale Anbieter wie Uber auf den deutschen Markt drängen und geltendes Recht in Frage stellen. Und schließlich sind Anbieter der Mikromobilität wie E-Roller oder E-Fahrräder vorhanden, die auf die Kommunen zugehen und diese sich dann im Verwaltungshandeln des Einzelfalls verlieren.

Der Miet-Fahrrad-Markt in Berlin ist dafür ein gutes Beispiel. Weder wird Wirtschaftlichkeit ausreichend berücksichtigt, noch Umweltstandards oder praktische Fragen wie Platz auf Straßen und Wegen. Die Folge: Unzureichend geregelte Teilmärkte und ein Überangebot, das beim Verbraucher zu Verdruss führt. Dabei ist auch klar: Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass der Übergang zum nachhaltigen Mobilitätsverhalten länger dauert. In dieser Zeit werden wir viele Angebote gleichzeitig auf der Straße sehen: Busse und Bahnen, weiterhin Pkw, neue Angebote wie E-Tretroller und geteilte Fahrzeuge, Taxen und On-Demand Angebote.

Vor allem die künftige Regulierung des Taxi- und Mietwagengewerbes und die Einordnung sogenannter On-Demand Verkehre muss die PBefG-Findungskommission deshalb im Blick haben. Dabei geht es insbesondere um folgende Themen:

Rückkehrpflicht

Kaum ein Thema wird mit so großer Leidenschaft erörtert wie die sogenannte Rückkehrpflicht. Bisher gilt: Wenn der Mietwagen keinen neuen Auftrag hat, soll er an seine Betriebsstelle zurückkehren. Nun basiert das Geschäftsmodell von Ridesharing-Anbietern darauf, dass es keinen Betrieb gibt. Schon deshalb lehnen diejenigen, die für die Abschaffung der Rückkehrpflicht plädieren, diese ab. Hinzu kommt die Sorge vor unnötigen Mehrverkehren, also unnötiger Umweltbelastung.

Auf der anderen Seite halten das Taxigewerbe aus wettbewerblichen und die Städte aus verkehrlichen Gründen an ihr fest. Die Kommission ist gut beraten, einen Vorschlag zu erarbeiten, der diese unterschiedlichen Interessen berücksichtigt. Wer den ÖPNV in den Innenstädten stärken will, kann vorhandenen Parkraum nicht nur für neuen Wohnraum nutzen. Hier können zum Beispiel Parkhäuser in Mobilitäts-Hubs umgewandelt werden, in denen Mietwagen, Taxen und Sharing-Pkw zur Verfügung stehen beziehungsweise auf den nächsten Auftrag warten. 

Tarife und Preise

Solange feste Preise für den ÖPNV einschließlich Taxi gelten, wird der Wettbewerb über Qualität, insbesondere Verlässlichkeit und Komfort, geregelt. Wenn jetzt wirklich mehr Flexibilität für Preisgestaltungen kommen soll, würde der Wettbewerb härter. Jene, die durch Finanzinvestoren länger einen Preiskampf bestehen können, wären im Vorteil. Das wäre schlecht für das klein- und mittelständische Taxi-Gewerbe und den tarifgebundenen ÖPNV.

Integration in das Angebot und in die Tarife des ÖPNV

Neue Geschäftsmodelle wie On-Demand-Angebote, E-Tretroller oder digitale Taxiangebote sind oftmals deutschen Ursprungs. Offensichtlich steht selbst starke staatliche Regulierung Innovationen nicht entgegen. Jetzt müssen diese Innovationen verlässlich für die Anbieter in den ÖPNV integriert werden. Das gilt für digitale Information und Vertrieb. Das gesamte öffentliche Verkehrsangebot in einer Plattform zu vereinen, worauf die VDV-Initiative „Mobility Inside“ abzielt, ist deshalb der richtige Weg. Voraussetzung wäre allerdings, dass alle Mobilitätsdienstleister mitmachen und die Findungskommission hier als Ultima Ratio einen Zwang zur Datenlieferung vorschreiben würde. 

Integration gilt auch für die Finanzierung: Der Hype um Sharing und On-Demand ist groß. Die Profitabilität spiegelt das nicht wider. Gerade On-Demand-Angebote können aber den klassischen 14-Meter-Bus außerhalb der Hauptverkehrszeit ersetzen oder ergänzen und so Kosten senken. Sie können eine Grundversorgung mit Mobilität rund um die Uhr bundesweit sicherstellen, besonders im ländlichen Raum. Im Innenstadtbereich kann Mikromobilität den ÖPNV entlasten. Zur Entlastung kann die Einordnung in den örtlichen ÖPNV-Tarif helfen.

Innovationen bei Fahrzeugen

Es ist gut, dass der Bund durch starke Programme wie das „Sofortprogramm Saubere Luft“ oder den „mFund“ Innovationen in der Mobilität auch bei Fahrzeugen und ihren Einsatz mit digitaler Technologie fördert. Alternative Antriebe spielen dabei eine besondere Rolle. Wichtig ist nun, dass die entsprechenden Förderungen für alle Verkehrsunternehmen zur Verfügung stehen. Deshalb muss die Findungskommission neben dem PBefG auch andere Vorschriften im Blick haben. Wenn der Aufgabenträger trotz anderslautendem Verkehrsvertrag mit einem kommunalen oder mittelständischen Verkehrsunternehmen statt Diesel- den E-Bus will, darf der Vertrag durch diese Änderung nicht in Gefahr sein. Ähnlich wie beim Schienenpersonennahverkehr muss der Aufgabenträger hier mit Fahrzeugfinanzierung oder -pools agieren können.

Fahrpersonal

Das PBefG ist auch ein Recht, das die Verbraucher schützt. Das gilt insbesondere im Kontext der Regelungen für das Fahrpersonal. Bestmöglich ausgebildet zu sein, auch mit Ortskunde, bleibt für die Qualität zentral. Neue Techniken machen aber viel möglich. Sollte die Ortskundigkeit des Fahrpersonals nicht mehr Voraussetzung sein, müssen sehr klare Vorschriften definiert sein, wie die digitale Navigation aussehen muss. 

Vergabe von Verkehrsleistungen

Noch immer ist die Vergabe von Leistungen viel zu sehr am Verkehrsmittel orientiert und nicht am Verkehrsraum. Dabei gibt es dank Digitalisierung und Innovationen längst die Möglichkeit, Verkehrsgebiete so zu planen, dass Kundenbedürfnisse erfüllt und gleichzeitig die unterschiedlichen Verkehrsmittel effizient eingesetzt werden. Auch hier kann die Findungskommission einen wichtigen Impuls setzen. Sie stärkt damit die Kompetenz der Aufgabenträger und die Innovationskraft der Verkehrsunternehmen.

Noch nie war Mobilität mehr im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und der politischen Diskussion. Jetzt geht es darum, diese Kraft für einen starken Beitrag eines Mentalitätswechsels zu nutzen. Das wäre der größte Beitrag des Verkehrs zum Klimaschutz.

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