Warum wird überhaupt eine Reform
des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) diskutiert? Unmittelbare
Lenkungswirkung in Sachen Klimaschutz wird ein reformiertes PBefG auf den
ersten Blick kaum entfalten. Dazu sind die Märkte zu fragmentiert und die
Lösungen lokal zu unterschiedlich.
Weil
eine Verkehrswende aber nur durch eine Mentalitäts- und Verhaltensänderung der
Bürger gelingen kann und das PBefG die Alltagsmobilität aller ohne Auto
wesentlich regelt, ist die Arbeitszeit der sogenannten Findungskommission des
Bundes und der Länder – und dadurch aller Interessenvertretungen der Branche –
gut investiert.
Konzentration auf die Regulierung neuer Geschäftsmodelle
Im Rahmen der PBefG-Novelle sollte
sich die Politik vor allem auf die Regulierung neuer Geschäftsmodelle
konzentrieren. Insbesondere sollten digitale Innovationen und die Prüfung
bestehender Vorschriften auf ihre Alltagstauglichkeit im Vordergrund stehen.
Denn mühevolle Genehmigungsverfahren für Anbieter wie Moia in Hamburg, den
Berlkönig in Berlin und andere haben gezeigt: Die bestehenden Regelungen
reichen für rechtssichere und skalierbare Angebote der Anbieter auf Dauer nicht
aus.
Hinzu kommt, dass globale Anbieter wie Uber auf den deutschen Markt drängen und geltendes Recht in Frage stellen. Und schließlich sind Anbieter der Mikromobilität wie E-Roller oder E-Fahrräder vorhanden, die auf die Kommunen zugehen und diese sich dann im Verwaltungshandeln des Einzelfalls verlieren.
Der Miet-Fahrrad-Markt in Berlin ist dafür ein gutes Beispiel. Weder wird Wirtschaftlichkeit ausreichend berücksichtigt, noch Umweltstandards oder praktische Fragen wie Platz auf Straßen und Wegen. Die Folge: Unzureichend geregelte Teilmärkte und ein Überangebot, das beim Verbraucher zu Verdruss führt. Dabei ist auch klar: Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass der Übergang zum nachhaltigen Mobilitätsverhalten länger dauert. In dieser Zeit werden wir viele Angebote gleichzeitig auf der Straße sehen: Busse und Bahnen, weiterhin Pkw, neue Angebote wie E-Tretroller und geteilte Fahrzeuge, Taxen und On-Demand Angebote.
Vor allem die künftige Regulierung des Taxi- und Mietwagengewerbes und die Einordnung sogenannter On-Demand Verkehre muss die PBefG-Findungskommission deshalb im Blick haben. Dabei geht es insbesondere um folgende Themen:
Rückkehrpflicht
Kaum ein Thema wird mit so großer
Leidenschaft erörtert wie die sogenannte Rückkehrpflicht. Bisher gilt: Wenn der
Mietwagen keinen neuen Auftrag hat, soll er an seine Betriebsstelle
zurückkehren. Nun basiert das Geschäftsmodell von Ridesharing-Anbietern darauf,
dass es keinen Betrieb gibt. Schon deshalb lehnen diejenigen, die für die Abschaffung der
Rückkehrpflicht plädieren, diese ab. Hinzu kommt die Sorge vor unnötigen
Mehrverkehren, also unnötiger Umweltbelastung.
Auf
der anderen Seite halten das Taxigewerbe aus wettbewerblichen und die Städte aus
verkehrlichen Gründen an ihr fest. Die Kommission ist gut beraten, einen
Vorschlag zu erarbeiten, der diese unterschiedlichen Interessen berücksichtigt.
Wer den ÖPNV in den Innenstädten stärken will, kann vorhandenen Parkraum nicht
nur für neuen Wohnraum nutzen. Hier können zum Beispiel Parkhäuser in
Mobilitäts-Hubs umgewandelt werden, in denen Mietwagen, Taxen und Sharing-Pkw
zur Verfügung stehen beziehungsweise auf den nächsten Auftrag warten.
Tarife und Preise
Solange feste Preise für den ÖPNV
einschließlich Taxi gelten, wird der Wettbewerb über Qualität, insbesondere
Verlässlichkeit und Komfort, geregelt. Wenn jetzt wirklich mehr Flexibilität
für Preisgestaltungen kommen soll, würde der Wettbewerb härter. Jene, die durch
Finanzinvestoren länger einen Preiskampf bestehen können, wären im
Vorteil. Das wäre schlecht für das klein- und mittelständische
Taxi-Gewerbe und den tarifgebundenen ÖPNV.
Integration in das Angebot und in die Tarife des ÖPNV
Neue Geschäftsmodelle wie On-Demand-Angebote, E-Tretroller oder digitale Taxiangebote sind oftmals deutschen Ursprungs. Offensichtlich steht selbst starke staatliche Regulierung Innovationen nicht entgegen. Jetzt müssen diese Innovationen verlässlich für die Anbieter in den ÖPNV integriert werden. Das gilt für digitale Information und Vertrieb. Das gesamte öffentliche Verkehrsangebot in einer Plattform zu vereinen, worauf die VDV-Initiative „Mobility Inside“ abzielt, ist deshalb der richtige Weg. Voraussetzung wäre allerdings, dass alle Mobilitätsdienstleister mitmachen und die Findungskommission hier als Ultima Ratio einen Zwang zur Datenlieferung vorschreiben würde.
Integration
gilt auch für die Finanzierung: Der Hype um Sharing und On-Demand ist groß. Die
Profitabilität spiegelt das nicht wider. Gerade On-Demand-Angebote können aber
den klassischen 14-Meter-Bus außerhalb der Hauptverkehrszeit ersetzen oder
ergänzen und so Kosten senken. Sie können eine Grundversorgung mit Mobilität
rund um die Uhr bundesweit sicherstellen, besonders im ländlichen Raum. Im
Innenstadtbereich kann Mikromobilität den ÖPNV entlasten. Zur Entlastung kann
die Einordnung in den örtlichen ÖPNV-Tarif helfen.
Innovationen bei Fahrzeugen
Es
ist gut, dass der Bund durch starke Programme wie das „Sofortprogramm Saubere
Luft“ oder den „mFund“ Innovationen in der Mobilität auch bei Fahrzeugen und
ihren Einsatz mit digitaler Technologie fördert. Alternative Antriebe spielen
dabei eine besondere Rolle. Wichtig ist nun, dass die entsprechenden
Förderungen für alle Verkehrsunternehmen zur Verfügung stehen. Deshalb muss die
Findungskommission neben dem PBefG auch andere Vorschriften im Blick haben.
Wenn der Aufgabenträger trotz anderslautendem Verkehrsvertrag mit einem
kommunalen oder mittelständischen Verkehrsunternehmen statt Diesel- den E-Bus
will, darf der Vertrag durch diese Änderung nicht in Gefahr sein. Ähnlich wie
beim Schienenpersonennahverkehr muss der Aufgabenträger hier mit
Fahrzeugfinanzierung oder -pools agieren können.
Fahrpersonal
Das
PBefG ist auch ein Recht, das die Verbraucher schützt. Das gilt insbesondere im
Kontext der Regelungen für das Fahrpersonal. Bestmöglich ausgebildet zu sein,
auch mit Ortskunde, bleibt für die Qualität zentral. Neue Techniken machen aber
viel möglich. Sollte die Ortskundigkeit des Fahrpersonals nicht mehr
Voraussetzung sein, müssen sehr klare Vorschriften definiert sein, wie die
digitale Navigation aussehen muss.
Vergabe von Verkehrsleistungen
Noch immer ist die Vergabe von
Leistungen viel zu sehr am Verkehrsmittel orientiert und nicht am Verkehrsraum.
Dabei gibt es dank Digitalisierung und Innovationen längst die Möglichkeit,
Verkehrsgebiete so zu planen, dass Kundenbedürfnisse erfüllt und gleichzeitig
die unterschiedlichen Verkehrsmittel effizient eingesetzt werden. Auch hier
kann die Findungskommission einen wichtigen Impuls setzen. Sie stärkt damit die
Kompetenz der Aufgabenträger und die Innovationskraft der Verkehrsunternehmen.
Noch nie war Mobilität mehr im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und der
politischen Diskussion. Jetzt geht es darum, diese Kraft für einen starken
Beitrag eines Mentalitätswechsels zu nutzen. Das wäre der größte Beitrag des
Verkehrs zum Klimaschutz.