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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wie die Digitalisierung uns den Weg in eine bessere Mobilität weisen kann

Bernd Buchholz und Daniela Kluckert (beide FDP)
Bernd Buchholz und Daniela Kluckert (beide FDP) Foto: PR

Mit ihrem Vorschlag zur Neufassung des Personenbeförderungsrechts verpasst die Bundesregierung eine Chance, schreiben die FDP-Verkehrspolitiker Bernd Buchholz und Daniela Kluckert. Der ausgehandelte Kompromiss gehe nicht weit genug. In ihrem Gastbeitrag skizzieren die FDP-Verkehrspolitiker eine Alternative – und verlangen unter anderem flexiblere Taxitarife.

von Bernd Buchholz und Daniela Kluckert

veröffentlicht am 25.01.2021

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„Verpasste Chance“, „ökologisch aus der Zeit gefallen“, „Modernisierung im Trippelschritt”. Ein regulatorisches Nischenthema sorgt im politischen Berlin für viel Diskussionsstoff, das Leben der Fahrgäste wird es leider kaum verbessern obwohl das mit etwas Mut möglich wäre und gute Vorschläge dafür auf dem Tisch liegen.

Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) dürfte den wenigsten bekannt sein. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land, ob Schülerinnen oder Bewohner eines Altersheims, millionenfach bewegen sich Menschen in Taxen, Bussen und Straßenbahnen auf der gesetzlichen Grundlage des PBefG.

Bundesminister Scheuer bekam einen Auftrag im Koalitionsvertrag, sich der Modernisierung dieses Gesetzes anzunehmen. Und er hat früh erkannt, dass darin Zündstoff liegt. Im Frühjahr 2019 hatte der Verkehrsminister deshalb zu einer Findungskommission geladen. Dass eine Modernisierung erforderlich ist, da waren wir Teilnehmende uns schnell einig.

Doch wie so oft scheiterte der große Wurf am „Wie“. Herausgekommen ist der kleinste gemeinsame Nenner unterschiedlichster Positionen. Auch wir als stellvertretende Vorsitzende im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags und als Verkehrsminister eines Flächenlandes  setzen bei dem Thema unterschiedliche Schwerpunkte. Aber uns eint, dass wir auf das Thema aus der Perspektive seiner Nutzerinnen und Nutzer blicken.

Eine verpasste Chance

Diesen Blick hätten wir uns als Richtschnur für die PBefG-Novelle gewünscht. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf aber zeigt: Modernisierung ja, aber an Bestehendem rütteln? Lieber nicht! Regelwerk entschlacken ja, aber bitte niemandem Gewohntes nehmen.

Jetzt liegt ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch, der zwar manches verbessert. Aber trotzdem eine verpasste Chance bleibt. Er zementiert die Rückkehrpflicht von Mietwagen (also außerhalb des Taxitarifs beispielsweise über App gebuchte Fahrten in Pkws) zu ihrem Betriebssitz. Das provoziert Leerfahrten und das, obwohl alle sich bemühen, auf unnötige Fahrten zu verzichten. Die Rückkehrpflicht passt einfach nicht in die Zeit und sorgt für Unverständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wir haben deshalb vorgeschlagen, das PBefG an den Fahrgästen auszurichten. Das heißt für uns, die Mobilität des 21. Jahrhunderts abzubilden. Unser Ziel muss sein: Wenn jemand am Hauptbahnhof den ICE verlässt und eine 4 Kilometer lange Strecke zum Zielort hat, in Eile ist und es keine S-Bahn-Verbindung gibt, dann macht der Fahrgast sich die App seiner Wahl auf und wählt aus verschiedenen Angeboten das preislich und zeitlich passende aus.

Niemand unterscheidet vor der Bestellung nach Taxi, Mietwagen oder Poolingverkehrsmittel. Bräuchte es dann jeweils unterschiedliche Regelungen? Nein, denn viele Unternehmer fahren ohnehin als Taxi, als Mietwagen und künftig auch für gepoolte Fahrten, bei denen also mehrere Fahrgäste sich auf einem Routenverlauf zumindest teilweise die Fahrt teilen.

Wie der ländliche Raum profiteren könnte

Was ist das Ziel unseres öffentlichen Verkehrsangebots, das mit viel Steuergeldern direkt und indirekt gefördert wird? Wir wollen es erleichtern, dass der eigene Pkw überflüssig wird, beziehungsweise Mobilität anbieten für diejenigen, die kein eigenes Kfz haben oder nutzen wollen.

Gerade mit den Mitteln der Digitalisierung ließe sich der Fahrtpreis sekundengenau an der Nachfrage ausrichten. Innerhalb kurzer Zeit können sich per App spontane Fahrgemeinschaften zusammenfinden, die Teile der Strecke gemeinsam zurücklegen. Das wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Mobilität aus – die Preise für Verbraucher sinken. Parallel erhöht sich die Klimaverträglichkeit, denn „geteiltes CO2 ist halbes CO2“. Der Verkehr wird effektiver, effizienter, nachhaltiger. Rabatte in Randzeiten oder Abonnements wären für eine gleichmäßige Verkehrsverteilung darüber hinaus denkbar. Das Ergebnis: insgesamt weniger Verkehr, da Fahrten geteilt werden, bei besserer Verfügbarkeit.

Was spräche also dagegen, künftig nur noch eine Konzession auszugeben mit einem Höchsttarif, frei verhandelbaren Tarifen bei geteilten Fahrten und versehen mit einer Aufsichtsbehörde, die sich tatsächlich darum kümmern könnte, schwarze Schafe ausfindig zu machen und aus dem Verkehr zu ziehen. Besonders profitieren könnte auch der ländliche Raum. Denn die internationalen Plattformanbieter werden in Falkensee oder Bosau kaum Angebote wie in Großstädten vorhalten. Hier helfen aber flexiblere Taxitarife oder Pooling den bestehenden Unternehmern.

Bei der Neuerung der Personenbeförderung steht neben der Klimafreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit deshalb vor allem die Fairness am Markt im Vordergrund. Wir brauchen ein Upgrade der Personenbeförderung, die sich an den Anforderungen von Heute und Morgen orientiert und alle Akteure einbezieht. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass alle Marktteilnehmer gleiche Startvoraussetzungen haben und ein Gebot der Cleverness, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit digital zu vereinen. Der große Wurf wird dazu erst in der nächsten Legislaturperiode möglich.

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