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Digitalisierung & KI

Standpunkte OZG 2.0: Wie kann Verwaltungsdigitalisierung gelingen?

Ralf Fischer, Leiter Public Sector DACH, DXC Technology
Ralf Fischer, Leiter Public Sector DACH, DXC Technology Foto: Privat

Selbst wenn der Bundesrat das OZG-Änderungsgesetz morgen annimmt, wird die Verwaltungsdigitalisierung nicht zum Selbstläufer, schreibt Ralf Fischer von DXC Technology. Stattdessen muss für Planungssicherheit gesorgt werden und nicht-staatliche Akteure stärker eingebunden werden.

von Ralf Fischer

veröffentlicht am 21.03.2024

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Morgen soll das Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes, auch bekannt als OZG 2.0, im Bundesrat die letzte Hürde nehmen. Als „ein wichtiges Upgrade für ein digitales Deutschland“ bezeichnete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Gesetz.Die DXC hat in Kooperation mit der Dataport bislang 16 verschiedene Online-Dienste entwickelt, darunter auch der Online-Dienst zur Beantragung und Verlängerung eines Parkausweises in Hamburg. Grundsätzlich wäre es möglich diesen Dienst auch in anderen Bundesländern zur Nachnutzung verfügbar zu machen. Doch jedes Land kämpft gegen das Digitalisierungsmonster meistens immer noch allein. Warum ist das so?

Erfolgreiche Umsetzungsbeispiele, wie das in Hamburg, sind seit Inkrafttreten des ersten Onlinezugangsgesetztes im Jahr 2017 Mangelware: Nur rund 150 Bundes-, Länder- und kommunale Onlineleistungen wurden im Rahmen des OZG umgesetzt. Somit gibt es noch circa 400 „offene“ Verfahren – eine traurige Bilanz und der Grund warum es jetzt OZG 2.0 braucht. Aber wird jetzt alles anders? Was sind die größten Hürden bei der Umsetzung?

Erstens: Fehlende Planungssicherheit

Die Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist ein riesiger Hemmschuh. Oft sind Zuständigkeiten unklar definiert und behindern eine rasche Umsetzung. Für die 16 priorisierten Fokusleistungen (15 davon sind kommunale Leistungen) ist immerhin die Finanzierung durch den Bund und die Länder abgesichert.

Doch bei der Anbindungsfinanzierung von Kommunen hakt es. Grundsätzlich funktioniert die Umsetzung nach dem „Einer für Alle (Efa)“-Prinzip unserer Erfahrung nach gut, das heißt ein Bundesland entwickelt eine Lösung und die anderen Bundesländer können diese dann „nachnutzen“. Doch benötigen Länder und Kommunen eine bessere Unterstützung bei der Integration und Nachnutzung von Efa-Diensten durch den Bund. Dafür müssen die personellen und finanziellen Ressourcen des Bundes zielgerichteter eingesetzt werden und die Finanzierung der kommunalen Anbindung und der Betrieb der Efa-Leistungen zentral auf Landes- oder sogar Bundesebene gesteuert werden. Denn die fragmentierte Finanzierung blockiert langfristige Planungssicherheit für viele Kommunen.

Zweitens: Einbindung von nicht-staatlichen Akteuren

Im ersten Umsetzungsschritt soll der IT-Planungsrat eine IT-Architekturrichtlinie entwickeln mit dem Ziel, eine ganzheitliche OZG-Rahmenarchitektur mit verbindlichen Standards, einheitlichen Schnittstellen und zentralen Basiskomponenten zu schaffen. Bei der Erarbeitung eines Zielbildes für eine OZG-Rahmenarchitektur müssen spätere Umsetzer und Anwender:innen unbedingt mit an den Tisch, denn nur mit Wissen aus der Praxis lassen sich realistische Pläne erstellen. An den Tisch gehören neben den tagtäglich mit den Verfahren arbeitenden Mitarbeiter:innen der Behörden auch nicht-staatliche Akteure, wie Unternehmen und Bürger:innen.

Nach Festlegung der OZG-Rahmenarchitektur gilt es, die Verfahren nutzerfreundlich zu digitalisieren. Unserer Erfahrung nach haben sich dabei zwei Methoden als besonders erfolgreich erwiesen: der Einsatz von (internationalen) SCRUM-Teams und die Organisation von Hackathons. SCRUM-Teams können einzelne Entwicklungsschritte standardisieren, ohne individuelle Kundenanforderungen zu vernachlässigen. Im Rahmen von Hackathons können bürgernahe Digitalisierungsformate weiterentwickelt werden, besonders im Bereich der Front-End-Digitalisierung.

Drittens: Effektive Ende-zu-Ende Digitalisierung

Es ist wichtig, Strategien nicht nur auf dem Papier zu denken, sondern schnell in die Umsetzung zu gehen. Das gilt vor allem für die Registermodernisierung, die bislang nur rudimentär angegangen wurde. Sie bildet den Grundstein für eine effektive Digitalisierung. Aktuell sind wir bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gezwungen, mit stark fragmentierten und nicht vernetzten Datenbeständen zu arbeiten.

Eine Vernetzung der Register ist essenziell, um bestehende Datensätze ressortübergreifend nutzen zu können und dem Once-Only-Prinzip gerecht zu werden. Eine solche Vernetzung kann durch den Einsatz von nationalen souveränen Clouds gelingen. Hybrid- und Multi-Cloud-Modelle bieten hier insbesondere für moderne Registeranwendungen hohe Potenziale, denn sie gewährleisten ein hohes Maß an Sicherheit und digitaler Souveränität.

Viertens: Bekämpfung des Fachkräftemangels

Zusätzlich zu den technischen Rahmenbedingungen, die es zu verbessern gilt, sind derzeit rund 350.000 Vollzeitstellen in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland unbesetzt – bis 2030 könnten es bis zu 800.000 zu werden. Um dem demografischen Wandel zu begegnen, wird die reine Front-End Digitalisierung von Verwaltungsleistungen bis 2028, unter anderem der Aufbau von Verwaltungsplattformen und Digitalisierung von Formularen nicht ausreichen. Bisher liegt der Fokus von OZG zu stark auf dem Front-End. Dabei erfolgt die Bearbeitung der digital eingegangenen Anträge im Backend-Bereich in vielen Fällen nicht medienbruchfrei, manuell und auf Papier.
Der Einsatz von digitalen Software-Robotern ermöglicht eine (Teil-)Automatisierung im Verwaltungsbackend, das heißt das Bearbeiten von Anträgen und Formularen. Dadurch kann die Bearbeitung von sich wiederholenden und regelbasierten Prozessen und Aufgaben erleichtert und deutlich beschleunigt werden.

Die Automatisierung des Verwaltungsbackends kann durch die Nutzung von Low-Code-Plattformen vereinfacht werden, mit deren Hilfe Verwaltungsangestellte selbst Teil des Digitalisierungsprozesses werden. Auf diesen Plattformen können sie selbständig Prozesse digitalisieren. Dabei möchte ich nochmal betonten: Dies soll keine existierenden Fachkräfte ersetzen, sondern dem drohenden Mangel an Fachkräften pragmatisch begegnen.

Doch für diese Lösungsvorschläge braucht es mehr Mut zur Veränderung in der Politik und der Verwaltung. Nur so kann Raum für neue technische Umsetzungsmöglichkeiten und den Einsatz innovativer Technologien geschaffen werden. Dazu gehört es auch, Fehler zu machen. Denn nur wer Mut zu Fehlern hat, kann sich langfristig weiterentwickeln. Denn eines haben wir in den letzten Jahren gelernt: Es können nicht alle Eventualitäten und Ungewissheiten abgesichert werden, bevor die Umsetzung beginnen kann.

Ralf Fischer ist Managing Director der DXC Technology Deutschland und Leiter des Bereiches Public Sector in der DACH-Region. Als Digitalisierungspartner von Bund, Länder und Kommunen setzt er mit seinem Team Digitalisierungsprojekte auf Landes- und Bundesebene um.

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