In den kommenden Wochen und Monaten stehen in Europa bedeutende Weichenstellungen an, die den Digitalstandort EU voranbringen sollen. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen für die Gestaltung einer europäischen Cloud-Infrastruktur, für Rechenzentren und IT-Server und Maßnahmen für langlebige Elektronikprodukte. Es ist gut und notwendig, dass Europa hier vorangeht, dass es gemeinsam handelt. Damit setzen wir weltweit Standards.
Digitale Technologien können dabei helfen, den Klimawandel einzudämmen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und Ressourcen zu schonen. Zum Beispiel durch intelligente Verkehrssteuerung, eine datengetriebene Kreislaufwirtschaft oder durch präzisen Einsatz von Düngemitteln mithilfe von Satelliten- und Geodaten. Digitalisierung kann außerdem für mehr Wohlstand und mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Das geschieht nicht von alleine. Digitalisierung muss richtig programmiert werden. Das erfordert politische Gestaltung.
Die kommenden Wochen und Monate entscheiden
Denn es gibt Schattenseiten. Endgeräte und digitale Infrastrukturen wie Rechenzentren benötigen Unmengen an Rohstoffen und Energie. Die Digitalisierung unserer Arbeits- und Lebenswelt kann zur echten Herausforderung werden für die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele. Deshalb müssen wir diese Risiken in den Griff bekommen. Die Digitalisierung soll immer Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems.In den nächsten Wochen und Monaten entscheidet sich, ob die Weichen für digitale Technologien in Richtung Klimaneutralität und Ressourceneffizienz gestellt werden. In der Vergangenheit haben die Wirtschafts- und Telekommunikationsminister*innen relevante Regelungen viel zu oft allein beraten und entschieden. Obwohl es hier um wichtige umwelt- und klimapolitische Fragen geht. Das ist ein Anachronismus, der überwunden werden muss. Dafür setze ich mich ein, auch im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Für mich ist völlig klar, dass der grundlegende Wandel, den wir erleben, im Interesse von Mensch und Umwelt gemeinsam politisch gestaltet werden muss. Politisch gestalten heißt an dieser Stelle: der Digitalisierung Leitplanken geben.
Zwei Megatrends konsequent zusammen denken
Eine der wichtigsten Leitplanken muss die Nachhaltigkeit sein. Ich will, dass wir die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit konsequent zusammen denken und zusammen nutzen. Wie das gehen kann, habe ich mit der Umweltpolitischen Digitalagenda dargelegt, der ersten ihrer Art in Europa, die mit über 70 politischen Maßnahmen Umwelt- und Digitalpolitik miteinander verbindet. Sie beinhaltet unter anderem:
- einen digitalen Produktpass, der informiert, wo die Rohstoffe herkommen, unter welchen Bedingungen Produkte entstanden sind und wieviel CO2 dabei ausgestoßen wurde.
- dass Informationen zur Nachhaltigkeit von Produkten in die Suchfunktionen der Plattformen integriert werden, um umweltfreundliche Kaufentscheidungen zu ermöglichen.
- Regeln für eine bessere Reparierbarkeit und für verpflichtende Updates, damit IT-Geräte nicht bereits nach kurzer Zeit im Elektroschrott landen.
- Lösungen, die mit Künstlicher Intelligenz Umwelt- und Klimaherausforderungen meistern.
Ich habe die Agenda im Frühjahr vorgestellt, seither kommt die Umsetzung voran und ich bekomme dafür immer mehr Unterstützung. Das äußert sich auch im heutigen Digitalgipfel.
Gerade in der Pandemie hat die Digitalisierung gezeigt, was in ihr steckt. Homeoffice, Homeschooling, Videokonferenzen im Beruf und mit den Verwandten wären sonst nicht möglich gewesen. Es ist an vielen Stellen aber auch deutlich geworden, wo es bei der Digitalisierung noch Verbesserungsbedarf gibt.
Klimafreundliche Digitalisierung als europäisches Markenzeichen
Auch die Künstliche Intelligenz kann Mensch und Umwelt dienlich sein, vom Pflegeroboter bis zu autonom fahrenden Autos. Sie kann die Energiewende beschleunigen, durch die bessere Integration von erneuerbaren Energien und intelligente Netzsteuerung. Das wäre ein enormer Beitrag, damit wir die in Paris vereinbarten Klimaziele erreichen. KI-Methoden können außerdem helfen, den Plastikmüll im Meer zu reduzieren, Verkehrsströme effizienter steuern und zum besseren Verständnis unseres Klimasystems beitragen. Es gibt inzwischen viele solcher guten Beispiele, wie KI der Umwelt helfen kann. Voraussetzung auch hier ist der politische Wille, die Algorithmen auf Nachhaltigkeit zu programmieren.
Europa muss jetzt die weltweiten Standards setzen für eine nachhaltige und demokratische Digitalisierung. Wir können der Digitalisierung ein eigenes europäisches Gesicht geben, mit einer klaren umwelt-, klima- und verbraucherfreundlichen Ausrichtung, bei der jede IT-Anwendung vom Anfang bis Ende im Kreislauf gedacht wird. Das sollte zu einem europäischen Markenzeichen werden.
Konkrete Vorschläge im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft
Weil diese Weichenstellungen von so entscheidender Bedeutung sind, habe ich die Verbindung von „Digitalisierung und Umwelt“ zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gemacht. Wir arbeiten eng mit der EU-Kommission zusammen, die den Handlungsbedarf genauso erkannt hat. Das kann man am European Green Deal und der Digitalstrategie gut erkennen.
Unter deutscher Ratspräsidentschaft werden die Klima- und Umweltminister*innen erstmals konkrete Vorschläge vorlegen, wie IT und KI, wie gute Daten, digitale Innovationen und nachhaltiges Design von Informations- und Kommunikationstechnik zu den EU-Klima- und Umweltzielen beitragen können. Wir werden in Zukunft sicherstellen, dass die entsprechenden Regelungen für Rechenzentren, IT-Server und Elektronikprodukte die europäischen Klimaziele unterstützen und nicht konterkarieren. Die europäischen Klima- und Umweltminister*innen sitzen dann nicht länger am Katzentisch der Entscheidungen. Wir brauchen einen Platz am Steuerpult.
Svenja Schulze wird heute um 12 Uhr beim Digitalgipfel einen Impuls geben mit dem Titel
„Die Digitalisierung zum Wohle von Mensch und Umwelt gestalten.“