Moderne Pkw sind in immer stärkerem Maße fahrende Computer, die ständig Daten erheben, speichern und senden. Die technischen Entwicklungen, die wir im Bereich des vernetzten Fahrens beobachten, sowie neue Online-Geschäftsmodelle, die erst mit den anfallenden Daten möglich werden, haben die Mobilität bereits grundlegend verändert.
Sensoren, digitale Datenverarbeitung und -kommunikation ermöglichen neue Funktionen, die das Autofahren sicherer, komfortabler, effizienter machen. In den dabei entstehenden Datenmengen steckt ein gigantisches wirtschaftliches Potenzial. Denn Diensteanbieter können künftig anhand der Daten ihre Angebote rund um das Auto immer genauer auf den Verbraucher zuschneiden. Das bedeutet: Anbieter bestimmter Leistungen, die Zugriff auf die Daten haben, verbessern damit automatisch ihre Marktchancen.
Nicht allein den Fahrzeugherstellern den Datenzugriff überlassen
Es gibt bis heute keine klare gesetzliche Regelung darüber, wem der Kunde seine Daten auf welche Weise zur Verfügung stellen kann und wie dabei Transparenz und Sicherheit in Bezug auf die Daten gewährleistet werden. Und hier sind wir beim eigentlichen Problem: Ohne eine entsprechende Regelung wird sich auf dem Markt derjenige durchsetzen, der den Erstzugriff auf die Daten hat. Das sind derzeit die Fahrzeughersteller. Sie haben die Kontrolle über ihre Wettbewerber auf dem Markt – mit negativen Folgen für die Verbraucher. Wenn die Angebots- und Anbietervielfalt eingeschränkt wird, sinkt die Wahlfreiheit der Verbraucher und die Preise steigen.
Ein Beispiel: Viele Verbraucher lassen Inspektionen und Reparaturen bei freien Werkstätten durchführen, die oftmals günstiger sind als die herstellergebundenen Dienstleister. Künftig könnten die Hersteller dem Nutzer direkt im Fahrzeug verlockende Angebote machen oder Rabatte offerieren. Das mag auf den ersten Blick attraktiv klingen, auf längere Sicht bringt es den Verbrauchern aber mehr Nach- als Vorteile. Wer macht sich da schon noch die Mühe andere Angebote zu prüfen?
Viele Verbraucher machen sich über dieses Thema keine Gedanken. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir uns für faire Rahmenbedingungen einsetzen und Fehlentwicklungen aufzeigen. Und natürlich ist auch der ADAC auf Fahrzeugdaten angewiesen, um seinen Mitgliedern weiterhin seine Kernleistung, die Pannenhilfe, anbieten zu können. Klar ist: Wenn nicht jeder Anbieter dieselben Möglichkeiten hat, an Kunden heranzutreten, wird dadurch langfristig der Wettbewerb ausgehebelt.
Wie eine europaweite Umfrage zeigt, wollen 78 Prozent der Nutzer Werkstätten, Versicherungen oder Pannenhelfer selbst auswählen. Das Konzept, das den Fahrzeugherstellern vorschwebt, zielt dagegen in eine andere Richtung. Sie wollen Drittanbietern die erforderlichen Daten nur nach Zugangskontrolle und gegen Gebühr über herstellereigene Server zur Verfügung stellen, um sich damit einen Wettbewerbs- und Verhandlungsvorteil zu verschaffen. Der Wunsch der großen Mehrheit der Fahrzeugnutzer, ihre Fahrzeugdaten – ohne vorherige Angebotsfilterung – frei ausgewählten Service-Anbietern zu übermitteln, ist damit nicht durchsetzbar.
Es geht um einen Milliardenmarkt
Wie dringend erforderlich eine Regulierung des Datenzugangs ist, belegt auch eine Studie der FIA (Fédération Internationale de l’Automobile), die berechnet hat, dass unabhängigen Serviceanbietern europaweit bis 2030 Umsatzeinbußen in Höhe von 33 Milliarden Euro pro Jahr drohen. Gleichzeitig müssen sich die Verbraucher auf jährliche Mehrausgaben in Höhe von 32 Milliarden einstellen, sofern es nicht gelingt, eine wettbewerbsfreundliche Regelung zu schaffen.
Was also muss geschehen? Was wir jetzt benötigen, ist eine zeitnahe Anpassung des europäischen Rechtsrahmens. Ohne eine gesetzliche Regelung des Datenzugangs wird es auch künftig keine Wettbewerbsgleichheit der Anbieter und keine Wahlfreiheit der Verbraucher geben.
Nach Auffassung des ADAC müssen drei Grundprinzipien erfüllt sein:
- Drittanbieter müssen in der Lage sein,
herstellerunabhängig neue Dienste entwickeln zu können.
- Unabhängige
Dienstleister wie freie Werkstätten, Versicherer und Automobilclubs müssen den
Kunden auf denselben Kanälen erreichen können wie der Fahrzeughersteller.
- Es darf keine Kontrolle der Fahrzeugnutzer oder der vom Fahrzeugeigentümer ausgewählten Dienstleister durch Fahrzeughersteller geben.
Dabei liegen technische Konzepte, die einen fairen Wettbewerb bei Wartungs- und Reparaturdienstleistungen, aber auch bei anderen fahrzeugbezogenen Dienstleistungen wie der Kfz-Versicherung, sicherstellen, bereits vor: So würde eine offene Telematik-Plattform im Pkw einen offenen, standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang gewährleisten. Dass dabei die Sicherheit der Daten und des Fahrzeugs über allem stehen muss, steht außer Frage. Umso wichtiger, dass die IT-Experten des TÜV mit dem „Automotive Gateway“-Ansatz ein belastbares Sicherheitskonzept erarbeitet haben, welches somit Datenschutz, Datensicherheit und verbraucherfreundlichen Wettbewerb in Einklang bringt. Konzepte liegen also vor – jetzt gilt es, zu handeln.
Handlungsbedarf gibt es darüber hinaus beim Thema Datentransparenz. Zurzeit wissen nur die Fahrzeughersteller im Detail, welche Daten in Autos erzeugt, verarbeitet, gespeichert und gesendet werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Verbraucher über den Datenaustausch zwischen seinem Auto und dem Hersteller im Detail und transparent informiert werden. Sinnvoll wäre für jedes Modell eine Auflistung aller im Fahrzeug erhobenen, verarbeiteten und gesendeten Daten verpflichtend anzubieten. Und schließlich sollte eine neutrale Stelle diese Liste daraufhin überprüfen können, ob die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.
Der ADAC veranstaltet heute die Online-Konferenz „Datenzugang beim vernetzten Fahrzeug – Welche Leitplanken braucht der Datenmarkt?“ Neben ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze nehmen teil: Malte Beyer-Katzenberger, Policy Officer bei DG CNECT der EU- Kommission, VDA-Geschäftsführer Joachim Damasky und Brit Schönenberger, Geschäftsführerin und Gründerin von Schönenberger Advisory Services.