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Digitalisierung & KI

Standpunkte Wir dürfen die Quantenrevolution nicht verpassen

Robert Axmann, Lei­ter DLR Quan­ten­com­pu­ting-In­itia­ti­ve
Robert Axmann, Lei­ter DLR Quan­ten­com­pu­ting-In­itia­ti­ve

Der Weg zum industriereifen Quantencomputer ist lang und kostspielig. Aber daran zu sparen, kann sich eine Industrienation wie Deutschland nicht leisten. Das meint Robert Axmann, Leiter der Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

von Robert Axmann

veröffentlicht am 03.04.2023

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Quantencomputer bieten enorme Chancen für Unternehmen und Forschung. Sie versprechen Lösungen für Probleme, an denen konventionelle Supercomputer scheitern. Damit, so unsere Hoffnung, werden sie zum Beispiel die Suche nach neuen Medikamenten, effizienteren Batterien und optimalen Lösungen in der Logistik beschleunigen und viele neue Technologien ermöglichen. Allerdings ist ihre Realisierung eine große Herausforderung am Rande des technisch Möglichen. Es bedarf noch jahrelanger Forschung und Entwicklung, bevor wir an ihren kommerziellen Einsatz außerhalb von Nischenanwendungen denken können.

Gleichzeitig müssen sich Unternehmen schon heute auf eine Technologie vorbereiten, die ihre Geschäftsmodelle und Prozesse dauerhaft verändern sowie neue Konkurrenzen und Abhängigkeiten hervorbringen kann. Nur mit einem eigenen, starken Ökosystem für Quantencomputing werden wir Wertschöpfung, Know-how und Fachkräfte halten und Unternehmen und Forschungseinrichtungen langfristig einen sicheren Zugang zu Quanten-Hardware sichern.

Das Ökosystem Quantencomputing ertüchtigen

Im Rennen um den ersten nützlichen Quantencomputer hat Deutschland in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht: Noch 2023 werden wir den Sprung aus der Grundlagenforschung in die industriell getriebene Entwicklung schaffen.

Die Basis für diesen Erfolg ist das bereits existierende Ökosystem in den Quantentechnologien: die traditionell starke akademische Quantenforschung, hoch technologisierte mittelständische Zulieferer, eine Großindustrie in forschungsintensiven Branchen und eine Deep-Tech-Startup-Szene, die den Technologietransfer von der Spitzenforschung in die Anwendung vorantreibt.

Dazu nimmt die Politik das Thema ernst: Bund und Länder investieren mehrere Milliarden Euro in die Entwicklung von Quantentechnologien. So hat der Bund 2021 zum Beispiel zwei Milliarden Euro zur Förderung von Quantentechnologien und Quantencomputing bereitgestellt. 740 Millionen Euro davon stehen der DLR Quantencomputing-Initiative für Quantencomputer-Aufträge an Unternehmen und eigene Forschungsprojekte in dem Bereich zur Verfügung. Durch diesen Schulterschluss von Wirtschaft, Forschung und Politik stehen wir nicht nur in Europa, sondern auch international ganz vorn in der technologischen Entwicklung.

Wichtig ist jetzt, dass wir dieses Tempo aufrechterhalten, das vorhandene Ökosystem zusammenhalten und durch geeignete europäische Kooperationen stärken. Denn weltweit investieren private und staatliche Akteure große Summen in das Quantencomputing und treiben die Entwicklung voran. Sollten die ersten industriell nützlichen Quantencomputer außerhalb Europas stehen, könnten unsere Unternehmen uneinholbar abgehängt werden und uns Wertschöpfung, Know-how und Talente verloren gehen. Aus der Erfahrung mit der Marktdominanz der Big-Tech-Konzerne bei Internetdiensten wissen wir, wie ein Anfangsvorteil zu einem unaufholbaren Vorsprung werden kann. So etwas darf uns bei einer so wichtigen Technologie wie dem Quantencomputing nicht passieren.

Vielfalt statt technologischer Monokulturen

Aus diesem Grund setzen wir mit der DLR Quantencomputing-Initiative auf technologische Vielfalt und auf ein eng vernetztes Ökosystem für eine nachhaltige und konkurrenzfähige Quantencomputing-Industrie. Wir beauftragen Firmen mit Entwicklung und Bau von prototypischen Quantencomputern. Das geistige Eigentum, das dabei entsteht, verbleibt beim DLR. Damit ermöglichen wir eine strategische Weiterentwicklung dieser Technologien in Europa, ohne Gefahr zu laufen, dass Know-how ins Ausland abfließt. Die Unternehmen können durch Rücklizenzen ihre Auftragsergebnisse wirtschaftlich verwerten. Weil wir Infrastrukturen und Kompetenzen bündeln, können so auch Deep-Tech-Start-ups ohne eigene Labore und Fertigungsanlagen wachsen und eigene Hardware und Technologien entwickeln.

Durch die enge Zusammenarbeit von Quantenforschung, Herstellern, Zulieferern und Anwendern ermöglichen wir so nicht nur Innovation, sondern schaffen auch die Strukturen für die Entwicklung hin zu nachhaltig konkurrenzfähigen Quantencomputern mit Know-how und Wertschöpfungsketten, die in Deutschland verbleiben. Wir hoffen, dass die Industrie mit strategischen Investitionen diesem Beispiel folgt.

Langer Atem, große Chancen

Der Weg zum industriereifen Quantencomputer ist lang und kostspielig. Es kann noch fünf bis fünfzehn Jahre dauern, bis Quantencomputer einen ökonomischen Mehrwert jenseits von Nischenanwendungen bieten. Und noch ist nicht klar, welcher technologische Pfad zum Ziel führt: Qubits aus Ionenfallen, photonische Quantencomputer, Kombinationen davon? Bis zum Einsatz im Industrie-Maßstab müssen sich Hersteller und Zulieferer auf einen engen Kreis von überwiegend öffentlich finanzierten Early Adoptern stützen. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt das Tempo und unsere technologische Spitzenposition beibehalten, das vorhandene Ökosystem zusammenhalten und ertüchtigen und durch geeignete europäische Kooperationen stärken.

Für all das brauchen wir einen langen Atem und den Mut zu einer langfristigen Finanzierungsperspektive. Nur so werden wir die enormen Chancen der Quantencomputer in Deutschland und Europa souverän nutzen können. Daran zu sparen können wir uns nicht leisten.

Robert Axmann leitet seit 2021 die DLR Quantencomputing-Initiative (QCI).

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