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Energie & Klima

Standpunkte Die CDU muss ihr klimapolitisches Profil schärfen

Simon Wolf, Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch
Simon Wolf, Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch Foto: Germanwatch

Aus Sicht von Simon Wolf bei der Umweltorganisation Germanwatch zeigen der Parteitag der CDU und ihr neues Grundsatzprogramm vor allem eines: Die Partei hat auffällige Leerstellen in ihrer klimapolitischen Programmatik. Drei Grundsätze solle sie nun beherzigen.

von Simon Wolf

veröffentlicht am 13.05.2024

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Was haben der Ausbau der Erneuerbaren Energien, Investitionen in die Schieneninfrastruktur, die Verbesserung von ÖPNV und Radwegen sowie internationale Klimafinanzierung gemeinsam? Sie sind erstens gut fürs Klima, stehen zweitens im CDU-Grundsatzprogramm – und kosten drittens Geld.

Zum Geld später mehr. Zunächst ein genereller Blick auf das CDU-Grundsatzprogramm aus klimapolitischer Perspektive. Gut und wichtig ist: Die CDU steht zur Einhaltung des Pariser Klimaziels sowie der deutschen und europäischen Klimaziele. Die konzeptionellen Überlegungen zur Erreichung dieser Ziele hingegen sind im Grundsatzprogramm noch nicht ausreichend und es gibt eine Reihe von kritischen Stellen – aber auch gute Ansatzpunkte. 

Offensichtlich ist aber auch, dass Klimapolitik derzeit kein Schwerpunktthema für die Union ist. Dabei gäbe es sehr gute Gründe, sich hier stärker Gedanken zu machen. Klimapolitik ist ein zentrales Politikfeld im 21. Jahrhundert und entscheidend für die Gewährleistung von Wohlstand und Sicherheit. Eine Partei, die den Anspruch hat, nach der nächsten Bundestagswahl die Regierung anzuführen, kann es sich nicht leisten, hier keine guten eigenen Konzepte zu haben. 

Den Führungsanspruch der CDU beim Thema Klimaschutz hat der Parteivorsitzende Friedrich Merz in seiner Parteitagsrede deutlich unterstrichen – inhaltliche Antworten blieb er weitgehend schuldig. Mit solchen Antworten würde die CDU aber auch bei ihren Wähler:innen gut ankommen.

Diese sind grundsätzlich weiter überwiegend pro Klimaschutz eingestellt: Umfragen aus dem Jahr 2023 zufolge bereitet der Klimawandel 60 Prozent der Unions-Wähler:innen Sorge und selbst im Juni 2023, also auf dem Höhepunkt des Streits um das „Heizungsgesetz“, sagten nur 44 Prozent der Unions-Wähler:innen, dass die Bundesregierung zu viel für den Klimaschutz tue.

Auch eine ganz frische, europaweite Umfrage bestätigt: Konservative Wähler:innen wollen nicht notwendigerweise weniger Klimaschutz, es kommt aber stark auf das Wie an.  Hier ist die CDU programmatisch herausgefordert.  An drei Notwendigkeiten wird sie dabei nicht vorbeikommen. 

Erstens, einen Realitätscheck vorzunehmen und sich von einigen Wunschträumen zu verabschieden, die zur Lösung des Klimaproblems keinen Beitrag leisten können. Klimaneutrale Gaskraftwerke sind ein Widerspruch in sich und auch mit CCS haben Gaskraftwerke keinen Platz in einem klimaneutralen Stromsystem. Das gilt erst recht für Fusionsenergie. Selbst wenn Deutschland irgendwann das weltweit erste Fusionskraftwerk bauen sollte – wie es sich die CDU wünscht – muss das Energiesystem bis dahin längst klimaneutral aufgestellt sein.

Und für den globalen Emissionshandel gilt: Ihn anzustreben, bleibt ein hehres politisches Ziel – aber leider auf absehbare Zeit utopisch. China und die USA haben sich längst mit anderen politischen Ansätzen auf den Weg gemacht. Die beharrliche Arbeit an global harmonisierten Ansätzen im Klimaschutz bleibt wichtig – aber darauf zu warten, dass es sie gibt, bedeutet, den Konkurrenten die Gestaltung der Zukunft und die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen zu überlassen. 

Zweitens, klare Konzepte für eine klimaneutrale, wettbewerbsfähige Wirtschaft zu entwickeln. Hier lohnt ein Blick auf das Thema Industrietransformation und das Europawahlprogramm der Union, das sie ebenfalls bei ihrem Parteitag verabschiedet hat. „Europa als Standort von Industrie und Mittelstand stärken“ lautet eine der Überschriften. Aber während das Thema eines EU Green Industry Deal in aller Munde ist und viele Akteure detaillierte Strategien vorschlagen, bleibt es bei der Union weitgehend bei der Formulierung von Zielen und allgemeinen wirtschaftspolitischen Grundsätzen.

Eine Investitionsoffensive für den Industriestandort Deutschland soll es geben, alle Sektoren beim klimaneutralen Umbau unterstützt und Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien abgebaut werden. Weitgehend unklar bleibt aber, wie das gelingen soll und vor allem, wie solche strategischen Ziele mit dem Grundsatz zusammenpassen, den Markt die Dinge regeln zu lassen. Hier wäre die Union gut beraten, stärker in die Entwicklung eigener Konzepte zu investieren.

Damit wären wir beim dritten und entscheidenden Punkt: die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für gute Klimapolitik zu schaffen. Die Transformation ist nicht zuletzt ein Investitionsprojekt. Klar ist: Ein Großteil dieser Investitionen muss aus dem Privatsektor kommen – es geht um Investitionen in künftige Wertschöpfung und neue Geschäftsfelder. Nichtsdestotrotz wird aber auch der öffentliche Finanzbedarf groß und erstmal weiter steigend sein.

In vielen Fällen sind die öffentlichen Investitionen auch Voraussetzung für – deutlich höhere – private Investitionen: direkt, wie im Fall von Klimaschutzverträgen für die Industrie, indirekt durch Infrastruktur-Investitionen. Auch der Bedarf an internationaler Klimafinanzierung wird weiter zunehmen. All das passt – und damit kommen wir zum Anfang zurück – nicht zu den fiskalpolitischen Vorstellungen des CDU-Grundsatzprogramms: dem klaren Bekenntnis zur Schuldenbremse und der Ablehnung von höheren Steuern und Sondervermögen.

Noch kann sich die Union den Luxus leisten, sich zurückzulehnen und den Ampel-Fraktionen beim Haushalts-Streit zuzuschauen. Nach der Bundestagswahl könnte sie aber gefordert sein, eigene Antworten zu geben. Darauf sollte sie sich gut vorbereiten.

Simon Wolf ist Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch.

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