Der Ausbau der Solarenergie nimmt Fahrt auf – in der Freifläche wird ein regelrechter Boom erwartet. Das ist auch dringend notwendig. Wenn die CO2-Minderungsziele im Energiesektor erreicht werden sollen, müssen die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten enorm erweitert werden. Laut Fraunhofer ISE werden bis 2040 zwischen 300 und 450 Gigawatt installierter PV-Leistung benötigt.
Neben den zu favorisierenden Anlagen auf und an Gebäuden entstehen viele Freiflächenanlagen. Diese sind kosteneffizienter und können inzwischen auch ohne Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) betrieben werden. Dadurch sind sie auch nicht mehr an die Flächenkulisse und die Größenbeschränkung des EEG gebunden, so dass immer mehr Kommunen Genehmigungsanträge für über 100 Hektar große Solarparks vorgelegt werden. Hier zeichnen sich nicht nur neue Projektdimensionen ab, es wird auch deutlich, dass der Ausbau absehbar mit anderen Nutzungsansprüchen in der freien Landschaft konkurrieren wird.
Fläche ist ein knappes Gut. Deswegen muss auf Mehrfachnutzungen gesetzt werden. Im Falle der Solarparks sollten diese großen, zusammenhängenden Flächen, die einen weitgehend störungsarmen Betrieb ermöglichen, nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Biodiversität fruchtbar gemacht werden. Denn auch der Verlust an Biodiversität in der Agrarlandschaft ist dramatisch. Die Bekämpfung der Klimakrise und der Biodiversitätskrise sind gleich wichtig. Deshalb müssen wir den Schutz der Natur energischer voranbringen – und insbesondere dürfen wir ihn nicht dem Klimaschutz unterordnen.
In sogenannten Biodiversitäts-Solarparks wird angestrebt, das Potenzial der Fläche für Klima- und Naturschutz gleichermaßen zu nutzen. Eine sorgfältige Standortwahl sowie eine naturverträgliche Gestaltung und Pflege der Anlage sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Lebensräume für Insekten, Vögel und andere Offenlandarten erhalten bleiben bzw. neu entstehen. Ein naturschutzfachliches Pflegekonzept und ein Monitoring sichern und optimieren die Biodiversitätssteigerung für die Dauer des Anlagenbetriebs.
Für die Mehrzahl der Projektierer und Betreiber ist dies allerdings noch nicht selbstverständlich. Obwohl sie als Gestalter sehr großer Flächen die Chance haben, neben Strom auch einen Mehrwert für die Biodiversität zu erzeugen, bleibt es in den weitaus meisten Fällen bei der Erfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen zur Kompensation von Beeinträchtigungen und der Sicherung des Status quo. In Anbetracht der Biodiversitätskrise verschenkt aber eine reine „Nicht-Verschlechterungspolitik“ auf diesen Flächen wertvolles Potenzial. Vielmehr sollte auf den Solarparkflächen immer das Bestmögliche für den Biodiversitätsschutz herausgeholt werden. Das ist beispielsweise durch die Renaturierung degradierter Lebensräume möglich.
In der Breite fehlt es am Problembewusstsein
Teile der Branche stellen sich dieser Verantwortung bereits mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Mehr als vorgeschrieben für die naturverträgliche Gestaltung zu tun lohnt sich nämlich auch unter Akzeptanzgesichtspunkten. In der Breite fehlt es aber noch am Problembewusstsein und an der Bereitschaft, Mehrkosten für die Erzeugung von wirklich „grünem Strom“ aufzuwenden.
Zur Bekämpfung der Biodiversitätskrise kann und muss auch die Solarbrache ihren Beitrag leisten. Dafür sollte die Politik Verpflichtungen zur Aufwertung von Lebensräumen in Solarparks auferlegen, zumindest aber eindeutige Anreize dazu schaffen. Diese Anreize oder Verpflichtungen sollten für alle Solarparks gelten. Eine Kopplung an das EEG und das Ausschreibungsregime wäre daher suboptimal. Damit Aufwendungen für den Schutz oder die Entwicklung von Solarparkflächen nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen, spricht aus Sicht des KNE vieles dafür, bundesweit einheitliche Vorgaben für eine biodiversitätsgerechte Planung und Gestaltung zu erarbeiten.
Solange es keine bundesweit einheitlichen Standards gibt, sollten die Kommunen von ihren Kompetenzen für eine naturverträgliche Gestaltung Gebrauch machen. Sie können noch stärker für die sachgerechte Umsetzung der obligatorischen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen sorgen, aber auch städtebauliche Verträge mit den Projektierern abschließen, in denen weitergehende Verpflichtungen, Naturschutzmaßnahmen durchzuführen, verbindlich vereinbart werden.
Alternativ sollte darüber nachgedacht werden, welche bereits bestehenden finanziellen Anreize für die Aufwertung von Solarparkflächen in Frage kommen beziehungsweise wie diese Regelungen erweitert werden könnten. Einerseits wäre eine Refinanzierung über ein Ökokonto denkbar, bei dem der Projektierer Geld erhält, weil er seine überobligatorische Aufwertung einem anderen Vorhabenträger als Ausgleich für dessen Eingriff zur Verfügung stellt. Hierfür können bestehende Regelungen ergänzt werden. Ein anderer Weg wäre zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen Solarparks mit Mitteln des Vertragsnaturschutzes oder durch Artenhilfsprogramme aufgewertet werden können. Des Weiteren könnten Solarparks auch honoriert werden, wenn sie als Biotopverbundfläche oder als ökologische Vorrangfläche in der Landwirtschaft in Frage kommen.
Nicht zuletzt könnte die Zertifizierung von naturverträglich erzeugtem Solarstrom eine Refinanzierungsmöglichkeit bieten. Ein solches Zertifikat wird derzeit von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und Praxispartnern entwickelt. Das Konzept sieht vor, dass die Betreiber für die geleisteten Naturschutzmaßnahmen einen gewissen Betrag auf den Strompreis aufschlagen können.
Mit diesen Instrumenten bestünde die Hoffnung, dass Solarparks in Zukunft so gestaltet werden, dass neben dem Klima- auch der Naturschutz profitiert. Wenn dies gelingt, ist die Freiflächen-Solarenergie im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig. Potenziale zu verschenken und sich nur auf eine Art der Flächennutzung zu konzentrieren, wird angesichts globaler Herausforderungen vom Ausmaß der Klima- und der Biodiversitätskrise sowie vor dem Hintergrund der globalen Nahrungsmittelknappheit langfristig nicht funktionieren.
Natalie Arnold ist Referentin für naturverträgliche Solarenergie und Dr. Elke Bruns Leiterin Fachinformation des 2016 gegründeten Kompetenzzentrums Naturschutz und Energiewende (KNE), das von der Umweltstiftung Michael Otto getragen und vom Bundesumweltministerium finanziert wird. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort.