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Energie & Klima

Standpunkte CCU/CCS: Echte Transformation statt falscher Technologieversprechen

Lisa Badum, grüne Obfrau für Klimaschutz und Energie im Bundestag
Lisa Badum, grüne Obfrau für Klimaschutz und Energie im Bundestag Foto: Büro Badum/Trutschel/Photothek

Die Bundesregierung erarbeitet gerade eine Carbon Management Strategie zur Anwendung von CCS und CCU. Bei der Nutzung und Speicherung von abgeschiedenem CO2 gilt es, fossile Geschäftsmodelle nicht zu verlängern und Lock-ins zu vermeiden, meint die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Badum. Andernfalls schade die Strategie dem Klimaschutz.

von Lisa Badum

veröffentlicht am 09.08.2023

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Ein merkwürdiges Merkmal klimapolitischer Diskussionen ist, dass ausgerechnet die Akteure, die häufig auf Ideologiefreiheit pochen, sehr emotional werden, wenn es um die Zustimmung zu (oder Ablehnung von) ganz bestimmten Technologien geht. Ein Beispiel dafür ist die CCUS-Technologie (also die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid), bei der Menschen, die sich bis vor Kurzem kaum für Klimaschutz interessiert haben, plötzlich zu Verfechter*innen der Dekarbonisierung werden. CCS ist ihnen eine echte Herzensangelegenheit.

Wenn das BMWK jetzt an einer Strategie zur Anwendung von CCS und CCU arbeitet, muss das Ziel unserer Klimapolitik aber eine Transformation der Wirtschaft sein, bei der allenfalls die schwer vermeidbaren Restemissionen unter der Erde deponiert oder in langlebigen Produkten genutzt werden.

CCS nur für Restemissionen einsetzen

Zu betonen ist also der Satz, der zwar in der Diskussion um die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) immer wieder fällt, aber doch nicht immer ernst gemeint wird: Oberste Priorität hat die Vermeidung von CO2-Emissionen. CCS darf allenfalls als Technologie für jene fünf Prozent unserer Restemissionen infrage kommen, die sich durch auch noch so ehrgeizige Reduktionsstrategien nicht vermeiden lassen.

Wir müssen bedenken, dass auch CCS nicht klimaneutral ist. Abscheideraten an Punktquellen liegen zwar in Bereichen über 95 Prozent. Eine vollständige Abscheidung findet aber eben nicht statt. Auch bei Transport und Speicherung kommt es zu Leckagen. Eine im Untergrund gespeicherte Tonne CO2 ist also nicht das Gleiche wie eine von vornherein eingesparte Tonne CO2!

Die vier entscheidenden Punkte der CCS-Strategie

Für die anstehende CCS-Strategie kommt es dann auf den richtigen Rahmen an. Dabei sind die folgenden Punkte entscheidend:

Erstens: Zuerst braucht es eine Kreislaufwirtschafts- und eine Biomassestrategie. Erst auf deren Grundlage macht eine Strategie für CCS Sinn. Die Technik mag in der Müllverbrennung eine Lösung sein. Aber bevor wir die Menge des verbrannten Mülls in Deutschland nicht um die Hälfte reduziert haben, brauchen wir hier eigentlich nicht über CO2-Abscheidung nachzudenken.

Zweitens: Die CCS-Nutzung darf nicht dem Markt überlassen werden. Wenn individuelle Marktakteure frei zwischen der absehbar stark subventionierten CCS-Technologie und dem vielleicht bald teureren ETS-Zertifikat wählen können, wird die Entscheidung häufig nicht zugunsten des Klimaschutzes ausfallen. Heute kommen die größten Investitionen in CCS-Projekte von Öl- und Gasunternehmen. Diese sehen darin mitunter eine lebenserhaltende Maßnahme für ihre schmutzigen fossilen Energien und eine Möglichkeit, die dringend notwendige Dekarbonisierung der Energiewirtschaft zu verzögern.

CCS darf aber eben keine lebenserhaltende Maßnahme für fossile Energien sein, sondern muss auf die Bereiche begrenzt werden, in denen wir noch keine klimaneutralen Alternativen gefunden haben. Nach aktuellem Stand sind das vorwiegend Prozessemissionen, etwa in der Zement- und Kalkindustrie. Die Produktion von blauem Wasserstoff in Deutschland gehört dagegen nicht dazu.

Drittens: CCS mag keine Hochrisikotechnologie sein, umweltfreundlich ist sie aber trotzdem nicht. Die lückenlose Überwachung von Leckagen bleibt eine Herausforderung. Die Abscheidung ist energieintensiv, Abscheideanlagen arbeiten mit umweltschädlichen Prozesschemikalien, die austreten können, und die Nutzungskonflikte in den von vielen favorisierten Gebieten der Nordsee bestehen schon heute und setzen dort die Biodiversität massiv unter Druck! Um die Umweltauswirkungen gering zu halten, müssen wir eine ausufernde Nutzung der Technologie verhindern.

Viertens und letztens: Auch wenn Branchen CCS künftig nutzen dürfen, heißt das nicht, dass sie sich nicht weiterentwickeln müssen. Wir müssen sicherstellen, dass die Menge CO2, die abgeschieden wird, nach und nach geringer wird. Mit einem degressiven Deckel könnten wir das Volumen des abzuscheidenden CO2 festlegen. Die festgelegte Menge würde dann mit der Zeit sinken.

Die emotionalen CCS-Befürworter sehen in der Technologie ein Wundermittel, das gleichzeitig Wettbewerbsvorteile für die Industrie und den Klimaschutz voranbringt. Eine vermeintliche win-win-Situation. Das Gegenteil ist leider der Fall: Mit CCS wird Klimaschutz schwieriger. Denn die Technik ist teuer, aufwendig und bindet Ressourcen, die uns für die Transformation an anderer Stelle fehlen. Gäbe es bei allen politischen Akteuren mehr Leidenschaft für echte Dekarbonisierung, könnten wir Klimapolitiker*innen den CCS-Wünschen der fossilen Industrie auch gelassener entgegensehen.

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