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Energie & Klima

Standpunkte Die europäische CfD-Pflicht ist markt- und systemschädlich

Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft Foto: BNE

PPAs werden geschwächt, die Terminmärkte ebenso, zudem die Flexibilität im Stromsystem und damit insgesamt die erneuerbaren Energien. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Strommarktreform trifft bei Carsten Pfeiffer vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft auf scharfe Kritik. Kern des Problems ist die Verpflichtung zu Contracts for Difference, argumentiert er in seinem Standpunkt.

von Carsten Pfeiffer

veröffentlicht am 27.03.2023

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Die EU-Kommission sieht in ihrem Entwurf zur neuen Strommarktrichtlinie bei staatlicher Förderung eine Pflicht zum Einsatz von Differenzkontrakten im Strommarkt vor, also sogenannte Contracts for Difference (CfD). Damit gelingt ihr ein seltenes Kunststück: Gleich mehrere schwere Fehler in einer einzigen Regulierung unterzubringen.

Konkret schadet die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zum Strommarktdesign der Entwicklung von direkten Lieferkontrakten (PPAs), den Terminmärkten sowie systemdienlichen Technologien wie Speichern und Anlagenauslegungen. Mit der CfD-Vorgabe im geförderten Bereich wirft die Kommission die Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien um Jahre zurück.

Warum dieses scharfe Urteil? Nun, mit der Vorgabe beidseitiger CfDs werden die erreichbaren Marktwerte gedeckelt. Damit werden genau die ökonomischen Anreize genommen, oberhalb dieser Marktwerte Erlöse zu erzielen. Im Ergebnis wird Strom nicht mehr prioritär gerade dann erzeugt und eingespeist, wenn der Bedarf besonders groß ist, sondern nur noch auf den CfD-Korridor hin optimiert.

Absurderweise erreicht die Kommission mit ihren Vorschlägen daher sogar genau das Gegenteil dessen, was sie mit ihrer Strommarktreform eigentlich erreichen will. Denn die Kommission will PPAs explizit stärken, wofür sie an anderer Stelle auch hilfreiche Vorschläge macht, wie etwa Bürgschaften zur Risikoabsicherung.  

Absicherung ist elementar für Projektfinanzierung von PPAs

Doch nun schlägt sie PPAs mit dem CfD-Hammer voll ins Kontor. PPAs, die durch eine gleitende Marktprämie abgesichert sind, werden mit CfDs absehbar nicht mehr möglich sein, sie verschwinden daher aus dem Markt.

Hinzu kommt: Mit der gleitenden Marktprämie können Projekte eigentlich in die sonstige Direktvermarktung gehen und PPAs abschließen. Mit CfDs ginge das nicht mehr, da ein Umgehungstatbestand vorläge. Ohne Wechsel in die sonstige Direktvermarktung können für die Projekte aber keine PPAs abgeschlossen werden. PPAs werden also zum Kollateralschaden der CfD-Strategie der Kommission.

Denn die Kommission übersieht, dass der Zuschlagserwerb einer gleitenden Marktprämie den Charakter einer Absicherung hat. Diese Absicherung ist eine wichtige Grundlage der Projektfinanzierung.

Der Terminmarkt verliert Liquidität

Nicht nur PPAs werden beschädigt, sondern auch die Terminmärkte. Wenn Projekte nicht mehr in die sonstige Direktvermarktung wechseln können, kann der Strom auch nicht mehr in den Terminmärkten vermarktet werden. Diese verlieren dadurch Liquidität. Niedrigere Liquidität in den Terminmärkten führt zu höheren Preisen, die beim Endkunden landen.

CfDs sind aber nicht nur markt- sondern auch systemschädlich. Sie schneiden die Marktwerte nach oben ab, damit es zu Geldrückflüssen kommt. Dadurch rentiert es sich weniger oder gar nicht mehr, die Anlagen auf höhere Marktwerte auszurichten, was eigentlich systemdienlich ist. Dies führt zu höheren Systemkosten.

Ein paar Beispiele für Technologien und Systemauslegungen, die negativ betroffen sind: Speicher, Ost-Westauslegungen bei Solarparks, nachgeführte Anlagen (Tracking) und Windenergieanlagen mit einem besonders guten Rotorflächen-Generator-Verhältnis, die viel Wind bei relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten ernten.

Zwar ist es grundsätzlich denkbar, Speicher bei CfD-Caps auszunehmen. Dies würde aber absehbar dazu führen, dass die Speicher nicht systemdienlich, sondern Cap-orientiert gefahren würden. Vermutlich würde das als Umgehungstatbestand betrachtet werden, was wiederum zur Folge hätte, dass auch die Marktwerte der Speicher gedeckelt werden.

Die Widersprüche der Kommission werden hier besonders deutlich: Parallel zum Vorschlag für das neue Strommarktdesign hat sie ein Speicher-Papier veröffentlicht, in dem die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, sich für bessere Rahmenbedingungen für Speicher einzusetzen.

Nachteil auch für Agri-PV

Die Kollateralschäden ziehen noch weitere Kreise und berühren die nationale Ebene. Das BMWK will in der Photovoltaikstrategie Agri-PV-Anlagen stärken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass immer mehr Agri-PV-Anlagen mit der Sonne nachgeführten Ständern gebaut werden. Die Nachführung wiederum ist ökonomisch vor allem dann sinnvoll, wenn höhere Marktwerte geerntet werden können. Gerade die aber sollen abgeschöpft werden.

Neben höherenSystemkosten wird es auch höhere Förderkosten geben: Eine schlechtere Anlagenauslegung und Nutzung führt in Folge gleichzeitiger Erzeugung auch dazu, dass niedrigere Marktwerte erzielt werden – bis hin zu Nullerlösen in Stunden mit negativen Preisen.

So kommt eine Abwärtsspirale in Gang. Denn die Wettbewerbskommission untersagt bekanntlich künftig die Förderung in Stunden mit negativen Preisen. Niedrigere Erlöse müssen mit höheren Zuschlagswerten ausgeglichen werden. Folglich müssen die Höchstwerte bei Ausschreibungen immer weiter angehoben werden. Die Unternehmen werden damit bei ihrem jeweiligen Mitgliedsverband vorstellig werden und die Verbände wiederum in der Politik und bei der BNetzA. Höhere Höchstwerte werden wiederum von der Wettbewerbskommission kritisch betrachtet – der nächste Widerspruch.

Werden die Höchstwerte nicht angehoben, werden weniger Projekte teilnehmen und die Ausschreibungen sind unterzeichnet. Dies führt wiederum zur sogenannten endogenen Mengensteuerung, welche von der Wettbewerbskommission vorgeschrieben wird.

Interessanterweise führt die Kommission in dem Papier mehrfach auf, welche Technologien nicht mit CfDs belastet werden. Und ja, die CfD-Vorgabe trifft nur erneuerbare Energien. Geförderte fossile Energieträger wie die Kraft-Wärme-Kopplung dürfen auch hohe Marktwerte erzielen. Mehr noch. KWK-Anlagen bekommen sogar noch eine Fixprämie oben drauf – selbst auf höchste Marktwerte.

Kommission dreht sich im Kreis

Wie man sehen kann, passt hier nichts zusammen. Der EU-Kommission ist es nicht gelungen, die elementaren Zusammenhänge der Regeln und Märkte zu verstehen, die sie regulieren möchte. Die Kollateralschäden treffen dann diejenigen in Form höherer Kosten, die die EU stärken und schützen will: Die Stromkunden.

Inzwischen dreht sich die Kommission bereits im Kreis, die 360-Grad-Umdrehung ist jedenfalls erreicht. Schließlich fordert die Kommission mit CfDs inzwischen ungefähr das Gegenteil dessen, was sie vor ein paar Jahren mit den Marktprämien vorgeschrieben hat, Damals hatte sie mit ihren Beihilfeleitlinien Einspeisungsvergütungen durch Marktprämien ersetzen lassen. Einspeisungsvergütungen wiederum sind letztlich eine besonders eng gefasste Form beidseitiger CfDs. Hat die EU-Kommission, wenn man fragen darf, überhaupt einen ordnungspolitischen Kompass oder tappt sie im Nebel beziehungsweise jeweils der jüngsten Mode hinterher?

Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass die Wettbewerbskommission bereits vorgegriffen hat und von den Mitgliedsstaaten verlangt, dass künftig Fördercaps eingezogen werden. Das ist eine Art CfD-Verpflichtung durch die Hintertür des Wettbewerbsrechts. Umso wichtiger wäre es, wenn die Mitgliedsstaaten über den Rat und die EU-Parlamentarier dem einen Riegel vorschöben und ganz klar eine Freiwilligkeit festlegen.

Stellt sich noch die Frage, ob der CfD-Zwang nicht entschärft werden könnten, etwa durch eine möglichst weite Spreizung, beziehungsweise Anhebung des Caps. Ja, das wäre natürlich hilfreich. Je höher das Cap, desto größer der Anreiz zum systemdienlichen Verhalten, desto geringer wäre aber natürlich auch der Effekt. Am Ende hätte man ähnlich der aktuellen Erlösabschöpfung eine ungünstige Kombination aus geringem Nutzen einerseits sowie marktlichen und systemischen Nachteilen andererseits.

Fazit: CfDs müssen freiwillig bleiben

Die EU-Kommission schadet mit ihren Vorschlägen vielem, was sie eigentlich befördern will. Es steht zu hoffen, dass die EU-Kommission ihre Position noch einmal überdenkt oder dass die EU-Parlamentarier und die Mitgliedsstaaten die CfD-Verpflichtung zurückweisen werden. Bei einer freiwilligen Umsetzung könnten die Mitgliedsstaaten immer noch entscheiden, ob sie CfDs einführen wollen, ob sie sie zuerst testen wollen oder ob sie ganz darauf verzichten. Und es wäre auch zu hoffen, dass die Kommission wieder zu alter Stärke zurückfände, ihre Orientierung wiederfindet und die Kräfte des Marktes stärkt statt schwächt.

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