Das EEG ist 20 Jahre alt. Es ist eine Erfolgsgeschichte – einerseits. Die Marke von 50 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch im ersten Halbjahr 2020 hat Symbolkraft. Andererseits ist das die Schwelle, ab der erneuerbare Energien die neuen Konventionellen sind – die neue Normalität mit Bilanzkreisverantwortung und Stromgestehungskosten vergleichbar mit denen konventioneller Erzeugung. Braucht es da ein „weiter so“ mit staatlich garantiertem Erlösniveau, wenn es – anders als vor 20 Jahren – Alternativen gibt?
Die Antwort ist nein. Erneuerbare Energien können zukünftig ohne Förderung am Strommarkt bestehen. Diese Entwicklung hat sich schon über die letzten Jahre angedeutet: Null-Cent-Gebote in den Ausschreibungen für Wind-Offshore und die zunehmende Anzahl bilateraler Langfristverträge (PPA) zeugen davon.
Ein jüngst in der Fachzeitschrift „Nature Energy“ erschienener Artikel kam zu dem Ergebnis, dass in den reifen Energiemärkten Europas – allen voran in Deutschland – Wind-Offshore ohne staatlich garantierte Förderung jetzt eine wettbewerbsfähige Option ist. Anstatt sich weiter auf das Förderregime zu konzentrieren, empfehlen die Autoren das Augenmerk auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu legen.
Differenzverträge sind unnötig für Rechtssicherheit und Kostensenkungen
Umso verwunderlicher ist der Ruf, jetzt in Deutschland für Wind-Offshore die Systematik des Förderregimes grundlegend zu ändern und so genannte Differenzverträge (Contracts for Difference – CfD) einzuführen. Die Befürworter von CfDs argumentieren, dass diese zu mehr Rechtssicherheit und zu geringeren Finanzierungskosten führen würden. Das ist womöglich nicht falsch. Es ist aber nur die halbe Wahrheit.
Gegen regulatorische Risiken helfen per se keine staatlich abgesicherten CfDs, sondern klare und langfristige Rahmenbedingungen. Als größte Hemmnisse für den Ausbau erneuerbarer Energien haben sich vor allem fehlende langfristige Ausbaupfade sowie Unsicherheiten bei Genehmigungsverfahren und dem notwendigen Netzausbau erwiesen. Hier steht Wind-Offshore jedoch gut da. Die Politik bekennt sich klar zu langfristigen Ausbauzielen und sie sorgt für Flächen und Netzanschlüsse. Das sind beste Voraussetzungen, damit sich die Kosten durch konsequente Marktteilnahme und kontinuierlich technologische Innovationen verringern.
Staatlich garantierte CfDs für Erneuerbare sind nicht nur verzichtbar, ihre Verwendung hätte auch politische und energiewirtschaftliche Nebenwirkungen.
Erstens würde das Paradigma zementiert, dass weiterer Zubau erneuerbarer Energien nur mit staatlicher Hilfe funktioniert und eine marktbasierte Energiewende mit unzumutbaren Risiken verbunden wäre. Trotz offensichtlicher Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit würde so der Zeitpunkt für den schrittweisen Ausstieg aus der Förderung verpasst. Stattdessen würde die Sozialisierung von Risiken und Kosten über das EEG verlängert.
Zweitens schmälern staatlich garantierte Erlöse den Anreiz zur Markt- und Systemintegration. CfDs würden bei Stromerzeugern durch Abschöpfung von Mehrerlösen den Anreiz mildern, durch intelligente Vermarktung besser zu werden. Und sie würden den Vermarktungsanreiz für Systemdienstleistungen schmälern. Dabei wurde gerade dieser Bereich zuletzt bewusst für erneuerbare Energien geöffnet, um sie bei der Systemverantwortung einzubinden und ihnen zusätzliche Erlösmöglichkeiten bei einer stärken Marktteilnahme zu ermöglichen. Wenn Erneuerbare aber weitgehend nach dem Prinzip „Produce and Forget“ gefördert und betrieben werden, bleibt ihr systemdienliches Potenzial ungenutzt.
Contracts for Difference entziehen Strommengen dem Marktpreissignal
Drittens benötigen CfDs einen liquiden Strommarkt mit aussagekräftigen Preissignalen als Referenz. CfD-Zahlungen beruhen direkt auf dem Marktpreissignal. Jedoch drohen genau diese das Marktpreissignal und damit ihre eigene Grundlage zu unterminieren, indem sie erhebliche Strommengen der Wirkung des Marktpreissignals entziehen. Damit verbunden sind erhebliche Risiken für die Liquidität im deutschen Stromterminmarkt. Eine Einschränkung der Absicherungsmöglichkeiten am Markt schadet der Fähigkeit aller Marktteilnehmer zum Risikomanagement. Die hohe Marktliquidität ist auch ein entscheidender Standortvorteil für die Energiewirtschaft und letztlich die Verbraucher in Deutschland.
Viertens könnte die singuläre Einführung von CfDs für eine Erzeugungsart auch Begehrlichkeiten bei anderen Erzeugungsarten (beispielsweise Solar oder Wind an Land) wecken. Das Ergebnis wäre ein Rutschbahneffekt, womöglich sogar über das EEG hinaus. Das ist entscheidend für die Marktperspektive von Erneuerbaren-Altanlagen, für die verbleibenden konventionellen Kraftwerke, für flexible Nachfrage, für Speicher bis hin zu Verbrauchern. Es führt am Ende zu der Frage, wie viel Markt noch übrigbleibt?
Die Wirkungsweise von CfDs, Schwankungen gegenüber einem Basiswert abzusichern, ist im Energiehandel nichts Neues, sondern gängige Praxis. Mit Handelsgeschäften am Stromterminmarkt sichern sich Erzeuger langfristig gegen sinkende und Verbraucher gegen steigende Strompreise ab. Abweichungen gegenüber dem Marktpreis während der Laufzeit werden zwischen den Vertragsparteien ausgeglichen – bei sinkenden Preisen erhält der Verkäufer die Ersparnis vom Käufer, bei steigenden Preisen erhält der Käufer die Mehrerlöse vom Verkäufer. Futures-Kontrakte am Stromterminmarkt der EEX sind gewissermaßen privatwirtschaftliche CfDs, bei denen die Marktteilnehmer das Risiko ihrer Verträge und damit ihrer unternehmerischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Tätigkeit selbst tragen.
Grüne Investitionen werden zum Treiber der Energiewende
Die EEX als regulierter Markt – zusammen mit ihrem Clearinghaus als beaufsichtigtem Finanzinstitut – fungiert hier als zentrale Gegenpartei bei jedem Handelsgeschäft und besichert die Verträge gegen den Ausfall einer der Vertragsparteien. Das funktioniert auch bei erneuerbaren Energien. Erfahrungen aus dem europäischen Ausland zeigen das Potenzial von Erneuerbaren-PPAs im Zusammenspiel mit langfristiger Absicherung über den Stromterminmarkt. Beispielsweise werden im spanischen Markt schon heute erhebliche Teile des Erneuerbaren-Ausbaus auf diesem Weg am Markt finanziert.
Bisher noch unterschätzt ist das Potenzial auf der Finanzierungsseite für den Ausbau der Erneuerbaren. Investitionen in grüne Assets werden zu einem Treiber der Energiewende. Ein Katalysator dafür ist die europäische Taxonomie-Verordnung, die auf Grundlage von Nachhaltigkeitskriterien private Investitionen in grüne und nachhaltige Projekte anreizt. Nicht mehr Projektierer werden Investoren und Kapital für Erneuerbaren-Projekte suchen müssen, sondern die Investoren werden sich Erneuerbare-Projekte suchen. Nicht nur Banken werden hier eine Rolle spielen, sondern auch Industrieunternehmen mit ihrer steigenden Nachfrage nach grünem Strom. Hier gibt es natürliche Verbündete für PPAs – Offshore Windparks, die vergleichsweise große und stabile Mengen grünen Stroms bieten und industrielle Großverbraucher, die genau das suchen.
Insofern geht der Vorschlag der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Ausschreibungsdesigns im Windenergie-auf-See-Gesetz in die richtige Richtung. Die Einführung eines dynamischen Gebotsverfahrens stärkt den Wettbewerb und die weitere Marktintegration der erneuerbaren Energien. Bei Null-Cent-Geboten und damit Verzicht auf Förderung stehen Betreibern alle Möglichkeiten der Vermarktung der Strommengen zur Verfügung. Es ist die Chance, neuen Vermarktungsinstrumenten wie grünen PPAs zum Durchbruch zu verhelfen. Die erneuerbaren Energien würden selbstbewusst zum integralen Bestandteil des Energiemarkts, die die Zeiten staatlicher Fürsorge hinter sich lassen.