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Energie & Klima

Standpunkte Großbatteriespeicher für die Energiewende

Hans Urban, freier Berater für erneuerbare Energien
Hans Urban, freier Berater für erneuerbare Energien Foto: Hans Urban

Eine neue Generation von Großbatteriespeichern im dreistelligen Megawatt-Bereich ist im Aufbau – öffentlich kaum bemerkt. Der Speicherexperte und Berater Hans Urban beschreibt die neue Dynamik in dem Sektor und warnt davor, diese Chance durch falsche Regulierung zu vertun.

von Hans Urban

veröffentlicht am 08.11.2022

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Trotz aller Probleme läuft die Energiewende in Deutschland auf vollen Touren. Grundlage sind das EEG und die fast zu 100 Prozent aus privatem Kapital stammenden Investitionen in die erneuerbaren Energien. In der aktuellen Preissituation kehrt sich der Effekt des EEG, dass die deutschen Stromkunden mit Umlagen belastet wurden, fast komplett um. Die Verbraucher profitieren inzwischen stark von günstigen erneuerbaren Energien.

Mit dem stark zunehmenden Ausbau dieser volatilen Energieformen werden große Speicherkapazitäten erforderlich. Zu nennen wären hier etwa Wasserstofftechnologie und  Methanisierung für die Langzeitspeicherung, Hausbatteriespeicher oder Speicher in Elektrofahrzeugflotten, die in Zukunft vernetzt werden könnten.

Das Energiesystem wird aber auch relevante Kapazitäten an Großbatteriespeichern brauchen. Die Technologie steht inzwischen zur Verfügung. Sie eignet sich am besten, um Netze zu stabilisieren und zu entlasten und um Energie sowohl örtlich als auch zeitlich sinnvoll zu verteilen. Großbatteriespeicher werden in Zukunft auch wichtige Systemleistungen für die Netzführung bis hin zur Blackout-Vorsorge erbringen, die aktuell noch durch fossile Kraftwerke zur Verfügung gestellt werden.

Verschiedene Studien zum zukünftigen Energie- und Strommarkdesign kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine dreistellige Größenordnung an Gigawattstunden in Form von Großbatteriespeichersystemen an wichtigen Netzknotenpunkten erforderlich sein wird. Gibt es die Chance, auch diese Projekte aus privatem Kapital zu finanzieren wie die Erneuerbaren, um Staat und Steuerzahler nicht zu überlasten?

Viel mehr Dynamik als bekannt

Lange Zeit waren die Strompreis-Spreads zu niedrig, um die Errichtung von Großspeichern jenseits von Nischenmärkten wie dem Primärregelleistungsmarkt marktgetrieben anzureizen. Bisherige Projekte waren meist an Ausschreibungen der Bundesnetzagentur (Innovationsausschreibungen) oder der Übertragungsnetzbetreiber (Netzbooster) gebunden. Mit den großen aktuellen Preisschwankungen hat sich die Ausgangslage geändert. Jetzt besteht die Chance, der Energiewende mit einer neuen Generation deutlich größerer und rein privatwirtschaftlich finanzierter Großspeicher zusätzlichen Schwung zu geben.

Tatsächlich ist die Dynamik des Großspeicherausbaus bereits wesentlich größer, als Politik und Öffentlichkeit derzeit wahrnehmen. Es gibt zwar Berichte über Speichersysteme im Rahmen von geförderten Projekten, über Speicher in Innovationsausschreibungen im Rahmen des EEG und natürlich über die zunehmende Zahl von Speichersystemen bei Privat- und Gewerbekunden.

Sehr wenig ist aber über Großbatteriespeicher der neuen Generation zu lesen. Dabei wurden in Deutschland bereits mehrere marktfinanzierte Großbatteriespeicher in insgesamt zweistelliger Megawattstunden-Größenordnung realisiert und in Betrieb genommen. 

RWE hat gestern den Bau zweier Speicher mit gemeinsam rund 220 Megawatt Leistung in Nordrhein-Westfalen angekündigt. Andere Projekte mit rund 100 MWh Speicherkapazität sind bereits im Entstehen. Allein der deutsch-norwegische Speicherprojektierer und -betreiber Eco Stor realisiert  in Kooperation mit dem Münchner Projektentwickler Kyon Energy in diesem Jahr Anlagen in Eisenach (10 MW), Diespeck (20,7 MW), Iphofen (20,7 MW), Bad Düben (13,8 MW), Elsteraue (13.8 MW) und zwei weitere Projekte dieser Größenordnung. Weitere Player in Deutschland bauen derzeit marktfinanzierte Speicher in ähnlichen Dimensionen.

Private Finanzierung, kurze Realisierungszeit

Im Gegensatz zu öffentlich finanzierten Projekten wie etwa den von Übertragungsnetzbetreibern geplanten Netzboostern handelt es sich hier ausnahmslos um eigenwirtschaftliche und marktgetriebene Projekte. Hierfür werden geeignete Netzanschlussknoten identifiziert, Grundstücke und Genehmigungen akquiriert und Betreibermodelle mit Investoren vereinbart.

Diese Großbatteriespeicher der neuen Generation refinanzieren sich rein aus Markterlösen. Die zunehmende Volatilität in den Stromnetzen ermöglicht rentable Geschäftsmodelle, die dieser Volatilität entgegenwirken. Die Finanzierung dieser Speicher für die Energiewende belastet somit weder die Netzbetreiber noch Stromkunden noch Steuerzahler. 

Ein weiterer Vorteil solcher Speicherprojekten ist ihre kurze Realisierungszeit. Zeitraubende, reglementierte Ausschreibungen sind nicht notwendig, da nur private Kapitalgeber beteiligt sind.  Die Errichtungszeit beträgt in der Regel von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme nur rund zwei Jahre und ist damit um Größenordnungen geringer als die üblichen Projektlaufzeiten anderer Infrastrukturprojekte.

Großbatteriespeicher sind kompakt, unauffällig und von einem normalen Gewerbebau kaum zu unterscheiden. Sie werden immer in Gewerbe- und Industriegebieten installiert, unterliegen also keinen Einschränkungen wie etwa in Wohngebieten. Ihr besonderes Merkmal ist die hohe Speicherdichte und damit der geringe Flächenverbrauch. So kann auf einem Hektar ein Speicher mit einer Kapazität von 200 bis 250 MWh untergebracht werden.    

Politische Hemmnisse jetzt beseitigen

Damit die neue Dynamik beim Großspeicherbau sich verstetigt und weiter verstärkt, müssen jetzt geeignete politischen Rahmenbedingungen gesetzt werden.

Grundsätzlich müssen die Speicher als vierte Säule der Energieversorgung anerkannt und definiert werden. Dazu sind im Detail viele Gesetze zu überarbeiten. Da Speicher in praktisch allen Fällen netzentlastend und netzstabilisierend wirken, dürfen sie nicht wie netzbelastende Verbraucher behandelt werden. Nur so sind geeignete Rahmenbedingungen für Investitionen in diese Projekte auf lange Sicht gesichert.

Ein erster wichtiger Schritt wäre in diesem Zusammenhang die Abschaffung der sogenannten BKZs  (Baukostenzuschüsse) für Speicherprojekte. Ein BKZ ist in der Regel von Verbrauchern einmalig zu entrichten, wenn diese an einem Netzanschluss eine definierte Leistung entnehmen wollen. Anders als der Begriff  BKZ vielleicht suggeriert, dient dieser Beitrag aber nicht zum Ausbau des Netzanschlusses vor Ort. Der BKZ dient vielmehr – zumindest theoretisch – dem allgemeinen Netzausbau, der an irgendwelchen anderen Stellen anteilig für die entnommene Leistung notwendig werden könnte.

Weg mit der Baukostenzuschuss-Last

Großspeicher werden aber in Absprache mit dem Netzbetreiber ausschließlich nur an entsprechend leistungsfähigen Netzanschlussknoten errichtet. Die Netze werden durch den Betrieb von marktgeführten Speichern in der Summe nie zusätzlich belastet, sondern in der Tendenz immer entlastet. Deshalb ist ein BKZ für Speicher technisch und auch rechtlich nicht begründbar und damit nicht gerechtfertigt.

Reale BKZ-Forderungen betragen in der Praxis bis zu 20 Prozent der gesamten Speicher-Investitionskosten und stellen derzeit viele geplante Großprojekte der nächsten Generation in Frage. Im Hinblick auf den notwendigen dynamischen Ausbau von Speichern ist deshalb eine schnelle politische Entscheidung erforderlich, genauer: die Abschaffung des BKZ für Speicher.

Das wäre ein erster Schritt, um für den Großspeicherbau Rahmenbedingungen zu schaffen, wie es vor 20 Jahren mit dem EEG für die Erneuerbaren geschah.

Hans Urban ist freier Berater für erneuerbare Energien, E-Mobilität und Speicher. Er arbeitet im Auftrag des Speicherprojektierers und -betreibers Eco Stor.

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