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Energie & Klima

Standpunkte Grüne Fernwärme mit Kraft-, Wärme- und Schiet-Kopplung

Jens Kerstan, Senator für Umwelt und Energie der Freien und Hansestadt Hamburg
Jens Kerstan, Senator für Umwelt und Energie der Freien und Hansestadt Hamburg

Die Reform des Gesetzes, das die Kraft-Wärme-Kopplung regelt, hat einen schwerwiegenden Fehler: Sie berücksichtigt kommunale Kläranlagen nicht. Damit werde die für Kommunen günstigste Quelle für grüne Fernwärme außen vor gelassen, argumentiert Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) in seinem Standpunkt. Die Appelle seines Bundeslands seien bisher entgegen der Vernunft auf taube Ohren gestoßen.

von Jens Kerstan

veröffentlicht am 27.11.2019

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In der Aufregung um das Gesetzespaket zum Kohleausstieg findet ein wichtiger Aspekt bisher kaum Beachtung: Die geplante Einführung eines Bonus‘ für erneuerbare Energien im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG). Betreiber neuer KWK-Anlagen sollen zukünftig einen höheren Bonus erhalten, wenn sie in „innovativen KWK-Systemen“ auch Wärme aus erneuerbaren Energien integrieren. Dies ist ein richtiger erster Schritt, um mehr erneuerbare Energien in die Wärmenetze zu bringen, auch wenn weitere Instrumente denkbar und notwendig sind.

Leider hat das Gesetz einen entscheidenden Webfehler, denn die für die Kommunen günstigste erneuerbare Wärmequelle wird dabei ausgeklammert: kommunale Kläranlagen. Das Gesetz an dieser Stelle zu ergänzen, würde den Kommunen enorm helfen und die Wärmewende endlich voranbringen.

Warum? Städte und Gemeinden könnten durch die Nutzung der Wärme aus ihren Kläranlagen buchstäblich aus „Schiet“ – wie wir in Hamburg sagen – Gold machen, nämlich erneuerbare, grüne Fernwärme. In Skandinavien ist es längst üblich, Klärwasser über Groß-Wärmepumpen zur Erzeugung von Fernwärme zu nutzen. Auch in Hamburg soll Abwasserwärme zukünftig eine große Rolle in der Wärmeversorgung spielen. Ein Gutachten des Hamburg Instituts für die Umwelt- und Energie-Behörde hat den Anstoß gegebenen, die Abwärme des zentralen Hamburger Klärwerks in die Planungen für eine zukünftige kohlefreie, klimafreundliche Wärmeversorgung aufzunehmen.

Potenziell könnte eine von einer KWK-Anlage angetriebene Klärwasser-Wärmepumpe rund 80 Megawatt grüne Fernwärme erzeugen. Selbst im tiefsten Winter ist das gereinigte Klärwasser noch über zehn Grad warm – ein entscheidender Vorteil gegenüber dem kalten Wasser der Elbe im Winter.

Rechtslage bevorzugt reine Gasanlagen – das lässt sich reparieren

Der Einsatz solcher Wärmepumpen stößt aber bisher an harte ökonomische Grenzen: Der benötigte Strom wird mit hohen Abgaben belastet, selbst wenn er aus einer neu gebauten KWK-Anlage kommt. So macht die heutige Rechtslage eine reine Erdgas-KWK-Anlage viel wirtschaftlicher als ein klimafreundlicheres System aus einer Wärmepumpe und einer deutlich kleineren KWK-Anlage. Mit anderen Worten: Obwohl die Lösung mit der Wärmepumpe weniger fossile Brennstoffe verbraucht und weniger CO2 erzeugt, wird sie vom Gesetzgeber gegenüber einer Erdgas-KWK-Anlage ohne regenerativen Anteil stark benachteiligt. Das ließe sich ohne großen Aufwand ändern – und es gäbe dabei nur Gewinner.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen künftig „innovative“ KWK-Systeme, also solche, die erneuerbare Wärme integrieren, einen nach dem erneuerbaren Anteil gestaffelten Zuschlag auf den KWK-Bonus erhalten; bei 50 Prozent erneuerbarer Wärme sind sieben Cent pro Kilowattstunde vorgesehen. Das Problem dabei: Bisher ist nur die Nutzung von Umweltwärme – beispielsweise aus Flüssen – förderungswürdig, aber nicht die von Abwärme.

Es mag eine gewisse Logik haben, die Nutzung von Industrieabwärme aus der KWK-Förderung auszuklammern, denn natürlich sollten keine kontraproduktiven Anreize zur langfristigen Aufrechterhaltung von Abwärmeströmen gesetzt werden, die womöglich künftig mit Effizienztechnologien reduziert oder vermieden werden können. Für Kläranlagen trifft dieses Argument indes nicht zu: Der größte Teil der dort nutzbaren Wärme stammt entweder aus natürlichen Quellen – aus Regenwasser und, über das Leitungssystem, aus Erdwärme – oder aus alltäglichen Verrichtungen wie Duschen und Waschen, auf die sicherlich auch zukünftig niemand verzichten mag. Darum ist es widersinnig, wenn der Gesetzgeber die Nutzung der Wärme von Kläranlagen mit industrieller Abwärme gleichsetzt und weiter ausklammert.

Hamburg setzt sich im Bundesrat für Änderung ein

Auf Initiative Hamburgs hat der Bundesrat im Sommer den Bund aufgefordert, diese Diskriminierung von Klärwerks-Wärmepumpen zu beenden. Die Bundesregierung hat diesen einfach umzusetzenden und fachlich sowie parteipolitisch unumstrittenen Vorschlag in der geplanten Novellierung des KWKG jedoch noch nicht aufgegriffen.

Die Wärmewende in Deutschland braucht Großprojekte wie die Klärwasser-Wärmepumpe in Hamburg, mit denen auf einen Schlag bei guten gesetzlichen Rahmenbedingungen jährlich mehrere hundert Gigawattstunden grüne, bezahlbare Fernwärme zu den Kunden gebracht werden. Es bleibt zu hoffen, dass eine Überarbeitung der Kabinettsvorlage dafür die richtigen Weichen stellt.

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