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Energie & Klima

Standpunkte Kein Schutz vor fragwürdigen Biosprit-Importen

Elmar Baumann, Geschäftsführer Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie
Elmar Baumann, Geschäftsführer Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie Foto: Foto: promo

Derzeit bedroht mutmaßlich falsch deklarierter Biodiesel aus China die Existenz der hiesigen Biokraftstoffproduzenten. Doch obwohl es möglich wäre, die fragwürdigen Importe einzudämmen, ergreifen Europäische Kommission und Bundesregierung bislang keine Maßnahmen zum Schutz der heimischen Wirtschaft. Elmar Baumann vom Biokraftstoffverband VDB konstatiert in seinem Standpunkt eine gefährliche Präzedenz für den Green Deal der EU und kritisiert insbesondere das Umweltministerium.

von Elmar Baumann

veröffentlicht am 07.07.2023

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Die Importe von chinesischem Biodiesel nach Europa haben sich in den ersten Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Die chinesischen Exporteure geben an, dass der eingeführte Biodiesel aus bestimmten Abfall- und Reststoffen hergestellt ist. Biokraftstoffe aus solchen Rohstoffen will der deutsche und europäische Gesetzgeber besonders fördern und stuft sie deshalb als „fortschrittlich“ ein. Es bestehen jedoch starke Zweifel daran, dass der eingeführte Biodiesel tatsächlich aus den angegebenen Rohstoffen produziert wird.  

Das entscheidende Kriterium für den Zugang zum europäischen Markt ist die Zertifizierung gemäß der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie: Neben der nachhaltigen Erzeugung werden die verwendeten Rohstoffe und die erzielte Treibhausgasminderung dokumentiert. Weltweit überprüfen Auditoren die nachhaltige Produktion. Zur Kontrolle begleitet die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stichprobenartig Audits. Allerdings deuten Berichte darauf hin, dass es in China gravierende Mängel bei Zertifizierung und Audits gibt. Nicht zuletzt verweigert die chinesische Regierung der BLE, im Land Audits zu überwachen.  

Es ist fraglich, ob die Hersteller in China wirklich innerhalb weniger Monate solch große Produktionskapazitäten für fortschrittlichen Biodiesel aufgebaut haben. Dazu gehören eine spezielle Vorbehandlung der Rohstoffe, Prozessführung und Aufreinigung des fertigen Biokraftstoffs. Der Bau der dafür notwendigen Anlagentechnik benötigt hohe Investitionen und Zeit.

Interessant in diesem Zusammengang ist, dass sich die chinesischen Einfuhren von Palmölbiodiesel aus Indonesien und Malaysia nach Angaben aus dem Markt in den vergangenen zwei Jahren fast verzehnfacht haben. Der Verdacht liegt nahe, dass es hier zu einer Umdeklarierung von „Biodiesel aus Palmöl“ zu „fortschrittlichem Biodiesel aus Rohstoffen des Anhang IX Teil A“ gekommen ist. Diese Praxis würde nicht alle fragwürdigen EU-Importe aus China erklären, legt aber dringlich nahe, die Regeln und Kontrollen im Rahmen der Zertifizierung zu verschärfen.

Das in Deutschland federführende Bundesumweltministerium verweist auf die Zuständigkeit der Europäischen Kommission, von deren Überforderung aber gravierende Versäumnisse im Zusammenhang mit der Governance der Nachhaltigkeitszertifizierung zeugen. So wartet die Biokraftstoffbranche seit fünf Jahren vergeblich darauf, dass eine gemeinsame EU-Datenbank gegen möglichen Betrug betriebsfähig ist. Für Deutschland gibt es eine solche Datenbank – seit 2011!

Betrügerische Drittlandimporte sind nicht nur ein Biokraftstoffproblem

Doch ist es ausschließlich ein Problem der hiesigen Biokraftstoffbranche, dass der Schutz vor nicht regelkonformen Importen mangelhaft ist, die Unterstützung durch die Politik ausbleibt und bei der Zertifizierung nicht nachgebessert wird? Keineswegs, denn die fehlende Gewährleistung gleicher, fairer Spielregeln bei Biokraftstoffen ist ein Menetekel für zwei Herzstücke des Green Deal: den kommenden CO2-Grenzausgleich (CBAM) sowie den Import von grünem Wasserstoff und daraus hergestellten Energieträgern (E-Fuels).

Für CBAM soll es Prüfer geben, also Auditoren, die unter anderem die Angaben der ausländischen Unternehmen zu ihren Treibhausgasemissionen prüfen. Die EU-Kommission soll eine zentrale Plattform aufbauen, das heißt eine für alle Importe der betroffenen Branchen in die EU verpflichtende Datenbank. Diese Regelungen ähneln strukturell den Vorgaben für Biokraftstoffe.

Grüner Wasserstoff (H2) und seine Folgeprodukte werden voraussichtlich einer vergleichbaren Zertifizierung wie der bei Biokraftstoffen unterliegen. Er ist heute in der Produktion drastisch teurer als Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird. Wie bei Biokraftstoffen können Produktionsweg und Treibhausgasbilanz nicht am Endprodukt bestimmt, sondern nur durch die Zertifizierung dokumentiert werden.

Sowohl für CBAM als auch für die H2-Wirtschaft sind Dokumentation und Kontrolle also elementar wichtig, wenn die beiden Kernziele erreicht werden sollen: wirkliche Emissionsminderung und faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie in der EU. Dagegen lässt das Beispiel der Biodieselimporte aus China erahnen, was bei CBAM und grünem Wasserstoff droht.

Denn es ist zu bezweifeln, dass die Politik die heimische Industrie wirksam schützt. Zum Beispiel stellen die deutschen Behörden kurzfristig keine Daten zur Verfügung, um das Ausmaß der mutmaßlich falsch deklarierten Importe abschätzen zu können. Zwar liegen intern die Importmengen von Biodiesel aus China und die Angaben zu Rohstoffen vor, aus denen diese angeblich produziert wurden. Doch selbst auf eine Kleine Anfrage aus dem Bundestag hin übermittelten die Behörden bislang nicht die angefragten Daten.

Wäre es für die betroffenen Branchen aussichtsreich, sich wegen Gegenmaßnahmen an die Bundesregierung zu wenden? Wohl kaum. Bei den mutmaßlich betrügerischen Biodieselimporten macht das zuständige Ministerium kurzfristig wirksame Gegenmaßnahmen auf nationaler Ebene von der Zustimmung der – notorisch drastisch verspäteten – Europäischen Kommission abhängig. Zudem wird auf die Notwendigkeit weiterer Prüfungen verwiesen, während in der Industrie weiter Löhne gezahlt werden müssen und der Absatz wegbricht. Der Schutz der eigenen Industrie vor Trittbrettfahrern, die zwar die Förderung hierzulande mitnehmen, sich aber nicht an die hiesigen Regeln halten, genießt demnach heute weder in Brüssel noch in Berlin Priorität.

Industriepolitische Blauäugigkeit

In Bezug auf globalen Wettbewerb und weltweiten Klimaschutz ist die hier zutage tretende industriepolitische Blauäugigkeit besorgniserregend. Zwar wird in Sonntagsreden immer wieder hervorgehoben, wie wichtig ein selbstbewusstes Auftreten insbesondere gegenüber China ist, zum Beispiel in der neuen deutschen Sicherheitsstrategie oder dem vor kurzem in Stockholm von den EU-Außenministern beschlossenen „De-Risking“. In der wirtschaftlichen Praxis ist davon jedoch nichts zu spüren, aktuell zum Schaden der Biokraftstoffindustrie hierzulande.

Die existenzbedrohende Situation der deutschen Biokraftstoffbranche könnte der Bundesumweltministerin willkommen sein. Schließlich wollte sie Biodiesel und Bioethanol aus Anbaubiomasse sowieso bis 2030 vom deutschen Markt ausschließen –  im Widerspruch zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten und Weltregionen.

Für andere Industriezweige bedeutet dies: Gleiche, faire Wettbewerbsbedingungen werden durch Instrumente wie CBAM und Zertifizierung nicht ohne eine starke Politik gewährleistet. Da die Wirksamkeit von CBAM und H2-Zertifizierung in hohem Maße vom politischen Willen zur Durchsetzung und Anpassung der Regeln abhängt, sind die betroffenen Branchen verstärkt politischen Entscheidungen ausgesetzt. Dies gilt sowohl für Biokraftstoffe als auch jeden anderen Wirtschaftszweig, der strukturell ähnlich reguliert ist.

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