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Energie & Klima

Standpunkte Senegal braucht Investitionen in Erneuerbare statt in LNG

Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Foto: DUH/Heidi Scherm

Senegal steht an einem entscheidenden Wegpunkt, schreibt Sascha Müller-Kraenner. Der LNG-Boom habe das Land erreicht und könnte auch durch Deutschland befeuert werden, befürchtet der DUH-Geschäftsführer. Er fordert, dass eine mögliche Just Energy Transition Partnership mit Deutschland und Frankreich auch private Initiativen fördern sollte.

von Sascha Müller-Kraenner

veröffentlicht am 07.03.2023

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Senegal steht energiepolitisch an einem entscheidenden Wegpunkt. Entwicklung, soziale Chancen und die Stabilität des westafrikanischen Schlüssellandes werden von den energiepolitischen Weichenstellungen, die gerade jetzt vorgenommen werden, entscheidend bestimmt. Deutlich ist: Nur eine an den heimischen Energiebedürfnissen orientierte Strategie sorgt für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung sowie Stabilität, die nicht nur das Land selbst, sondern auch die gesamte Region dringend brauchen.

Vieles deutet allerdings im Augenblick in Richtung eines Ausbaus der fossilen Infrastruktur. Das wurde bei einem gemeinsamen Besuch mit einer Delegation des Europaparlamentes Ende Februar noch einmal deutlich. Der erste LNG-Tanker liegt schon vor der senegalesischen Küste. Exportterminals für verflüssigtes Erdgas, gefördert mitten in einem der größten Meeresschutzgebiete des Atlantik, sollen folgen. Vor den Küsten des Senegal wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Öl- und Gaslagerstätten entdeckt. Das Gasfeld Greater Tortue Ahmeyim (GTA) vor den Küsten Senegals und Mauretaniens wird momentan von einem Konsortium bestehend aus den Unternehmen BP und der texanischen Kosmos Energy, sowie der staatlichen Öl- und Gasgesellschaften beider Länder für den Export entwickelt.

Wird dieser fossile Boom in Zeiten der Klimakrise auch von Deutschland unterstützt? Es sieht danach aus. Seit dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai 2022 in Senegal und einem Gespräch mit Präsidenten Macky Sall ist auch Deutschland sowohl als Abnehmer von LNG aus dem GTA-Feld als auch als Investor in Gaskraftwerke und energieintensive Industrien im Gespräch.

Der Migrationsdruck könnte steigen

Ein deutsches Engagement für die Gasförderung im Senegal hätte aber Risiken und Nebenwirkungen, die bedacht werden müssen. Das GTA-Förderprojekt ist im Land selbst massiv umstritten. Vor allem lokale Fischereikooperativen wehren sich gegen reduzierten Zugang zu ertragsreichen Fischgründen und möglicher Umweltbelastung durch die Gasförderung selbst. An der Fischerei hängt im Senegal der Lebensunterhalt von zwei Millionen Menschen. Die Branche ist wegen Überfischung und ausländischer Konkurrenz ohnehin schon unter Druck.

Die von der Zentralregierung in Dakar unterstützte Gasförderung könnte zahlreiche Fischer zum Aufgeben zwingen. Strukturbrüche und steigender Migrationsdruck wären die Folge. Letzteres ist vor allem deswegen von Bedeutung, da die EU-Grenzschutzbehörde Frontex gerade mit dem Senegal darüber verhandelt, wie illegaler Migration gemeinsam begegnet werden kann. Die Bekämpfung von Migrationsursachen durch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Schaffung von Arbeitsplätzen gehört zwingend dazu.

Erneuerbare Alternativen wachsen

Eine Alternative könnte der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien in dem sonnen- und windreichen Land bieten. Der Besuch bei einem exportorientierten gemüseverarbeitenden Betrieb mit eigener Solarstromversorgung zur Verarbeitung und Kühlung zeigt exemplarisch, wo die Potenziale liegen. Durch den eigenen Solarstrom konnten die Betriebskosten nicht nur gesenkt, sondern auch von externen Preisschocks isoliert werden. Über 4000 Arbeitsplätze, vor allem für Frauen, bieten in einer Region mit starkem Zuwachs vor allem junger Menschen wirtschaftliche Perspektiven.

Ähnliche Initiativen gibt es überall im Land, ob bei der Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen oder von Micro Grids zur Elektrifizierung im ländlichen Raum. Insgesamt bringt es Senegal bereits auf fast 30 Prozent Anteil erneuerbarer Energien an der Erzeugungskapazität. Das Ausbauziel der nationalen Regierung von bis zu 40 Prozent bis 2030 ist wahrscheinlich eher zu tief gegriffen. Der limitierende Faktor für zahlreiche einheimische und internationale Unternehmen der Branche sind der Zugang zu Kapital sowie regulatorische Barrieren, die vor allem den staatlichen Stromerzeuger SenElec vor Wettbewerb schützen sollen.

Partnerschaft mit G7 und EU

Hier setzen Möglichkeiten zur internationalen Zusammenarbeit und finanziellen Unterstützung an. Die Regierung des Senegal verhandelt momentan eine sogenannte Just Energy Transition Partnership (JETP) mit Deutschland und Frankreich, die hier stellvertretend für die G7-Staaten und die EU agieren. Als Ergebnis ist ein Paket vorgesehen, bestehend aus großzügiger finanzieller Unterstützung für die Klimatransformation im Lande sowie im Gegenzug ambitionierteren klimapolitischen Verpflichtungen des Senegal. Wichtig ist dabei, dass nicht nur staatliche, sondern auch private Initiativen, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien, unbürokratischen Zugang zu dringend benötigtem Kapital bekommen.

Das Fazit nach zahlreichen Gespräche lautet: Unsere beiden Länder haben immense gemeinsame Chancen, in Senegal und anderen westafrikanischen Ländern den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben und damit eine klimaneutrale Wirtschaft, die gerechten Jobs für eine wachsende junge Bevölkerung schafft.

Damit bekämpfen wir auch Migrationsursachen und schaffen die Bedingungen für ein würdevolles Leben vor Ort. Eine Reihe senegalesischer und europäischer Unternehmen geht bereits diesen Weg. Wir sollten sie dabei unterstützen. Der von der jetzigen Regierung und den Wirtschaftseliten in Dakar vorangetriebene Ausbau der Öl- und Gasförderung steht dieser positiven Vision entgegen und stößt auf immer mehr Widerstand einer aktiven Zivilgesellschaft.

Im kommenden Jahr sind im Senegal Wahlen und auch die Energiezukunft des Landes wird Thema sein. Wir in Deutschland sollten unsere bilaterale Beziehung mit Senegal, einem der Schlüsselländer in der Region, an den Zielen des Pariser Klimaabkommens und des Weltnaturschutzvertrages von Montréal und nicht an unserem kurzfristigen fossilen Energiehunger ausrichten. Wir müssen, bei allem was wir tun, Risiken und Nebenwirkungen für unsere Partner im Auge behalten. Das gilt auch und vor allem für die Förderpraxis unserer Staatsbank KfW und ihrer privaten Tochter Ipex.

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